Googles Griff nach der TV-Werbung
"Durch Daten im Sekundentakt von Millionen Set-Top-Boxen während der Laufzeit ihres Werbespots können Sie das Zapping-Verhalten analysieren" heißt es bei Google. Für eine Online-Buchung von TV-Werbezeit bei CNN, NBC et al. via Google gibt es Statistiken über Konsumverhalten und Kaufkraft der Haushalte.
Google macht offenbar Ernst mit dem Griff nach Fernsehwerbemarkt. Wie immer bei neuen Produkten des weltweit größten Vermarkters von Werbung im Internet sind dabei enorme Datenmengen im Spiel.
Doch diesmal stammen die wichtigsten Datensätze nicht aus dem riesigen Google-Reservoir, sondern sie kommen von Unternehmen, die in ganz anderen Branchen tätig sind.
Satellit und Set-Top-Box
Wie das "Technology Review" des Massachusetts Institute of Technology am Freitag unter Berufung auf die Aussagen des für TV zuständigen Google-Managers berichtet, handelt es sich dabei um die Firmen Echostar und Equifax.
Die an der NASDAQ notierte Echostar verfügt weltweit über ein Dutzend eigener Satelliten und stellt zudem in erster Linie Set-Top-Boxen her. Echostar trägt zum geplanten Deal die TV-Gewohnheiten seiner Kunden bei, die an der New York Stock-Exchange notierte Equifax wiederum verfügt nach eigenen Angaben über eine der größten Sammlungen von Konsumentendaten und weiß damit alles über die Kaufkraft des jeweiligen Haushalts.
Gezielt bestimmte Haushalte individuell zu bewerben, sei nicht möglich, so Google-Produktmanager Keval Desay zum "Technology Review", zumal die Daten anonymisiert würden.
Schlüssel zum Geschäft
Bei Google, wo man über die Informationsgewohnheiten eines Gutteils derselben Haushalte verfügt, die ihre TV-Kanäle von den Echostar-Satellitenflotte beziehen, hängt jedenfalls der Schlüssel zum Geschäft.
Das Web-Interface ist so überzeugend einfach wie das Buchungs-Tool für Google Ads. Statt Stichworte einzutragen, klickt man einfach "CNN", "Bloomberg" oder "Comedy Central" an, wählt dazu Tag und Sendezeit. Dann kann der betreffende Spot bereits hochgeladen werden, das Pricing erfolgt ähnlich wie bei Google Ads, a la "wie viel bieten Sie?".
Deal mit Nielsen, NBC
Im Juni hatte Google bereits einen ähnlichen Deal zur Werbezeit-Vermarktung mit dem Medienhaus NBC für diverse Kabel-TV-Kanäle abgeschlossen, demographische Daten liefert die Rating-Agentur Nielsen.
"Millionen Set-Top-Boxen"
Danach werden nicht wirklich überraschend Onsite-Statistiken von Google geliefert, allerdings nicht nur. Unter dem Titel "Verfolgen und Optimieren" wird ein neuer Service angeboten: "Durch Daten im Sekundentakt von Millionen Set-Top-Boxen während der Laufzeit ihres Werbespots können Sie das Zapping-Verhalten analysieren."
Bedeutet: Wie viele Zuseher haben den Spot bis zu welchem Moment angesehen, woraus sich für Marketer wertvolle Schlußfolgerungen ziehen lassen. Vor allem dann, wenn via Equifax auch noch Informationen über die Kaufkraft der Haushalte vorliegen.
Die Entwicklung ist - anders als bei vielen anderen Google-Projekten, die eben nicht zum Kerngeschäft gehören - hier ziemlich eindeutig.
Die Schaltagentur
Neben dem suchebezogenen Werbegeschäft und dem für Bannerwerbung wird in bewährter Google-Manier versucht, die eigene technische Überlegenheit in ein hochautomatisiertes Bedienssystem von - spartanischer Einfachheit und Effizienz - umzusetzen.
Was herauskommt, ist eine altbekannter Typus: eine Schaltagentur, die in der Regel keine eigene Kampagnen entwirft, sondern im Auftrag internationaler Konzerne Werbezeiten bucht.
Was für den Erfolg spricht
Der große Unterschied freilich ist, dass hier ein einziges, weltweites Unternehmen nach einem Markt greift, den bisher eine Vielzahl von ungleich kleineren und regional operierenden Firmen bedient.
Für den Erfolg dieser Google-Strategie spricht zweierlei. Erst einmal ist die Vermarktung von Werbung mit elektronischen Mitteln seit Anbeginn das Kerngeschäft Googles.
Zweitens ist der so erhobene Datenmix aus TV-Konsumverhalten, Kreditwürdigkeit und regionaler Verteilung der Kunden von enormer Aussagekraft.
(futurezone / Erich Moechel)