Ö-Trojaner und E-Government
Ein erster Blick auf das Programm der neuen Bundesregierung bringt vor allem ein Wiedersehen mit alten Bekannten. So legt die Regierung größten Wert auf Einführung der Online-Durchsuchung und verstärkten Austausch von Polizeidaten. Auch in Sachen E-Government und E-Card will die Koalition Druck machen.
"Die Netzwerke des Terrors arbeiten mit den modernsten Kommunikationstechnologien", heißt es im Programm der Regierung Faymann. Die Lösung: "Online-Durchsuchung ermöglichen." Auch in der Regierung Gusenbauer waren sich SPÖ und ÖVP prinzipiell darüber einig, der Polizei die Möglichkeit zur verdeckten Ermittlung auf Computern verdächtiger Personen zu geben.
Der Bericht einer daraufhin eingesetzten Arbeitsgruppe von Innen- und Justizministerium unter der Leitung des Verfassungsrechtlers Bernd-Christian Funk kam im April 2008 zu dem Schluss, dass die Online-Durchsuchung auch "für präventive Zwecke" funktionalisiert werden könnte.
Die damalige Justizministerin Maria Berger (SPÖ), die der neuen Regierung nicht mehr angehört und ins Europaparlament zurückkehren soll, hatte bei der Vorstellung des Berichts vor "Unwägbarkeiten bei der Integrität der Daten" gewarnt und den "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" angemahnt. Inwieweit die von der ÖVP bestellte neue Justizministerin Claudia Bandion-Ortner sich Bergers Skepsis anschließen wird, bleibt abzuwarten.
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Datenschützer sollen Polizei nicht stören
Unter dem Punkt "Datenschutz" legt die Koalition die Absicht fest, die Datenschutzkommission (DSK) dann auszuschalten, "wenn die Kriminalpolizei im Dienste der Strafrechtspflege tätig wird". Weiterhin soll, wie schon von der Vorgängerregierung geplant, das Datenschutzgesetz angepasst werden. Vor allem soll das Registrierungsverfahren bei Datenanwendungen "erleichtert" werden - geplant war hier zuletzt eine automatisierte Plausibilitätsprüfung, etwa bei Anmeldung neuer Überwachungseinrichtungen.
Die Zuständigkeit für Datenschutzangelegenheiten soll "einheitlich" beim Bund liegen. Ebenfalls auf Bundesebene, und zwar im Innenministerium, soll ein Meldezentrum für Internet-Kriminalität aufgebaut werden. Die neue Regierung ist der Auffassung, dass sich die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2008 bewährt hätten. In Zukunft solle "der Austausch von Daten über Hooligans zwischen den Vereinen, den Behörden und Dachverbänden" ermöglicht werden, "um Gefahren bereits im Vorfeld angemessen begegnen zu können".
Datenbanken und zentrale Wählerevidenz
In Sachen Datenbanken hat die neue Regierung einiges vor. So soll, im Bereich "Sicherheitsverwaltung" angesiedelt, "ein neues elektronisches Personenstandsregister" eingerichtet werden, mit dem österreichische Staatsbürger "unabhängig vom Ort der Eintragung, überall in Österreich, die benötigten Urkunden" anfordern können sollen. Die "eingetragenen Partnerschaften" werden in einem gesonderten Register geführt.
Während die E-Voting-Pläne der Verwaltung im Programm nicht explizit angesprochen werden, findet sich doch ein kleiner Hinweis darauf unter dem Punkt "Evaluierung der Briefwahl und Wählerevidenz". Um "die Einsichtszeiten in die Wählerevidenz" zu "optimieren", sei "eine zentrale Wählerevidenz umzusetzen". Eine solche würde die Prüfung der Wahlberechtigung bei Internet-Wahlen nicht eben erschweren.
Biometriezentren und DNA-Fahndung
Neben einem Bekenntnis zum Polizeidatenaustausch mit anderen EU-Staaten gemäß dem Vertrag von Prüm will die neue Regierung die "Zusammenarbeit mit Schengen-Partnern" weiter ausbauen und auf die "Errichtung gemeinsamer Visa- und Biometriezentren" hinarbeiten. In diesem Zusammenhang solle auch die "Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern (Outsourcing)" geprüft werden.
Die Koalition schreibt auch von einer "DNA-Offensive" in der Fahndung. Die Ergebnisse eines Projekts von Innenministerium und Gerichtsmedizin Innsbruck, die an einem "flächendeckenden Projekt zur Auswertung von DNA-Spuren" arbeiteten, sollten als "Grundlage für weitere Anwendungsmöglichkeiten" dienen.
Die Agenda zur Umsetzung der EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung liegt weiterhin im Infrastrukturministerium, sprich: in den Händen der neuen Ministerin Doris Bures (SPÖ). Die Data-Retention wird im Regierungsprogramm nicht erwähnt. Bures' Vorgänger, der neue Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), hatte sich in dieser Frage abwartend verhalten, da derzeit noch beim EU-Gerichtshof eine Klage der Republik Irland gegen das Zustandekommen der Richtlinie anhängig ist.
Bürgerkarten-Signatur auf Personalausweis
Dem E-Government ist im Regierungsprogramm ein eigenes Kapitel gewidmet. Zentraler Punkt: "Alle neu einzurichtenden elektronischen Verfahren sollen auf der Identifikation mittels Bürgerkarte aufbauen."
Im selben Abschnitt schreibt die Koalition auch, dass "die Aufbringung der qualifizierten Signatur auf Personalausweisen grundsätzlich möglich sein" solle. Bisher verfügt der 2002 eingeführte österreichische Personalausweis im Scheckkartenformat allerdings noch nicht über einen entsprechenden Chip.
Damit die entsprechenden Aktivitäten bis auf Gemeindeebene besser koordiniert werden können, soll ein jährlicher "E-Government-Maßnahmenplan" erstellt werden.
Am Montag hat sich die heimische Telekombranche in Wien zur tel.con-08-Konferenz versammelt, um den Umbruch im Telekomgeschäft zu diskutieren. Thema war dabei neben dringend notwendigen Investitionen in den Breitbandausbau auch die künftige IKT-Strategie der neuen Regierung.
Dauerproblem Breitbandversorgung
Die Regierung will dafür sorgen, dass bis 2013 allen österreichischen Haushalten Internet-Zugänge mit einer Bandbreite von "zumindest 25 MBit/s" zur Verfügung stehen. Um das zu erreichen, soll das Telekommunikationsgesetz novelliert werden, um "die optimalen Rahmenbedingungen" für den schnellen Breitbandausbau auch in ländlichen Gebieten zu schaffen. Der Telekom-Universaldienst soll "zeitgemäß" ausgestaltet werden.
Einen Zuschuss soll es auch für die "Entwicklung von Breitbandanwendungen" im Rahmen des FFG-Programms AT:Net geben. Hierfür hatte schon die alte Koalition im Oktober 2008 zusätzlich zehn Millionen Euro bereitgestellt. Für Forschung und Entwicklung allgemein will die Regierung von 2009 bis 2013 jährlich 50 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen.
Den vonseiten der Wirtschaft wiederholt eingeforderten "Internet-Minister" gibt es auch im neuen Regierungsprogramm nicht. An seiner Stelle soll es ein "erweitertes IKT-Kompetenzzentrum" geben. Dieses solle sich nicht nur aus Regierungsmitteln, sondern auch mit Geldern der teilnehmenden Unternehmen finanzieren, allerdings im Auftrag der Regierung handeln und sich um die Koordination des Breitbandausbaus kümmern.
Ausbau des elektronischen Gesundheitssystems
Wie bereits vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger angekündigt, sollen die Systeme rund um die E-Card in naher Zukunft massiv ausgebaut werden und genießen "hohe gesundheitspolitische Priorität". Die Koalition hebt hier besonders die breite Einführung von Kontrollsystemen für die Vereinbarkeit von Arzneimittelverordnungen hervor, die bisher unter dem Projektnamen "Arzneimittel-Sicherheitsgurt" liefen.
Dieser soll bis Ende 2009 überall verfügbar sein. Das wiederum mache, so die Koalitionspartner, "die Verwendungspflicht der E-Card in allen Vertragspartnerbereichen erforderlich". Das System soll auch dabei helfen, "Disease-Management-Programme" für Krankheitsbilder wie Diabetes mellitus und Schlaganfall zu erstellen. Was die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) angeht, so hält sich die Koalition bedeckt und verweist lediglich darauf, dass dort der Datenschutz "streng" eingehalten werden solle.
Konsumentenschutz im digitalen Zeitalter
Im Bereich der digitalen Medien zeigt die Koalition Problembewusstsein, will sich aber nur auf eine klare Aussage einlassen: "Das Recht auf Privatkopie digitaler Datenträger soll sichergestellt werden." Die Rechte der Konsumenten im nichtgewerblichen Umgang mit digitalen Inhalten sollten ausgebaut werden, ohne allerdings den Schutz der Rechteinhaber zu beschneiden.
Im Urheberrecht solle das Verhältnis zwischen freier Werknutzung und technischen Schutzmaßnahmen (DRM) "geklärt" werden. Im Rahmen des letzten Positionspapiers der EU-Kulturminister hatte sich die Bundesregierung unter anderem für die Interoperabilität von DRM-Systemen ausgesprochen.
Dem aggressiven Telefonmarketing will die Regierung einen Riegel vorschieben: "Verträge, die im Rahmen unerbetener Werbeanrufe geschlossen werden, sollen entweder nichtig oder bis zur schriftlichen Bestätigung durch den Kunden schwebend unwirksam sein."
Umbau der KommAustria
Was die Medienpolitik der neuen Regierung angeht, soll zunächst die Aufsichtsbehörde KommAustria umgebaut werden. Sie soll einen Mediensenat, einen Senat für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zwei Senate für die Telekommunikation erhalten. "Nach Bedarf" sollten auch weitere Senate eingerichtet werden. Private Medienanbieter sollen eine neue Förderung erhalten, die über die Regulierungsbehörde RTR abgewickelt werde. Letztere darf sich um Kompetenzzentren für Medienforschung, Aus- und Weiterbildungsförderung und IKT-Entwicklung bemühen.
Die RTR solle auch die Digitalisierungsstrategie im Rundfunkbereich weiterführen. Die Regierung wolle die gesetzlichen Grundlagen für die Zulassung von digitalem Radio schaffen und den elektronischen Medienanbietern einen "wettbewerbsneutralen Zugang zur Infrastruktur" stellen.
Im Vorfeld der Nationalratswahl 2008 hat ORF.at den im Nationalrat vertretenen Parteien Fragebögen zur IT-Politik zugesandt.
Warten auf das Telekompaket
In anderen Gebieten, die das Telekommunikationsrecht betreffen, wird die Regierung ohnehin abwarten müssen, bis auf EU-Ebene das umfangreiche Telekompaket durch die Institutionen gegangen ist. Aufgrund der zahlreichen Streitpunkte wird damit erst Mitte 2009 zu rechnen sein; am Donnerstag wird das Paket im EU-Ministerrat behandelt.
Da viele Medienangebote werbefinanziert seien, möchte die Regierung die Werbesteuer abschaffen und damit indirekt den Medien- und Kommunikationssektor fördern.
(futurezone/Günter Hack)