Telekoms fordern Breitbandstrategie ein
Am Montag hat sich die heimische Telekombranche in Wien zur tel.con-08-Konferenz versammelt, um den Umbruch im Telekomgeschäft zu diskutieren. Thema war dabei neben dringend notwendigen Investitionen in den Breitbandausbau auch die künftige IKT-Strategie der neuen Regierung.
Die vom Institute for International Research (IIR) organisierte Veranstaltung fand bereits zum elften Mal statt und hatte angesichts der Vorstellung des neuen Regierungsprogramms und des am Donnerstag stattfindenden EU-Ministerrats zum Telekompaket jede Menge aktuellen Bezug.
Während sich Heinrich Otruba von der Wiener Wirtschaftsuniversität (Institut für quantitative Volkswirtschaftslehre) eingangs mit unterschiedlichen Regulierungsansätzen im internationalen Vergleich auseinandersetzte, erklärte Alfred Stratil, Bereichsleiter Telekom/Post im Bundesministerium für Verkehr, Innovationen und Technologie (BMVIT), die Entwicklung des EU-Telekompakets, das vor einem Jahr von der Kommission vorgeschlagen wurde und seither zahlreichen Änderungen unterlief. Am Donnerstag soll nun im EU-Ministerrat eine politische Einigung erzielt werden. Aus österreichischer Sicht könne man prinzipiell zustimmen, so Stratil. "Das ist eine sehr gute Basis für weitere Verhandlungen."
"Breitbandregulierung dringend notwendig"
Einen Zuschuss soll es laut neuem Regierungsprogramm für die "Entwicklung von Breitbandanwendungen" im Rahmen des FFG-Programms AT:Net geben. Hierfür hatte schon die alte Koalition im Oktober 2008 zusätzlich zehn Millionen Euro bereitgestellt. Für Forschung und Entwicklung allgemein will die Regierung von 2009 bis 2013 jährlich 50 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen.
Heiß ging es am Montag bei der Podiumsdiskussion zur Regulierung und deren Auswirkung auf den Breitbandausbau her, in der auch auf die im neuen Regierungskonzept vorgesehenen 25 MBit/s für alle österreichischen Haushalte bis 2013 eingegangen wurde.
Andreas Koman von Tele2 rechnete vor, dass der Marktführer Telekom Austria seit der Einführung des Kombipakets 140.000 Neukunden an Land zog, während sich die Entbündelung erstmals rückläufig entwickle. "Regulierung ist deshalb sehr dringend sehr notwendig", erklärte Koman. Dem stimmte auch Oskar Obereder, Chef des Wiener Internet-Providers Silver Server, zu und forderte faire Wettbewerbsbedingungen, Rechtssicherheit und Investitionsanreize.
Die Rolle der "passiven Infrastruktur"
Orange-Chef Michael Krammer ortete ein Ende des Wettbewerbs im Festnetz und sieht die "Remonopolisierung abgeschlossen". "Das Festnetz ist ein Auslaufmodell", so Krammers Prognose. Dem widersprach RTR-Chef Georg Serentschy, der den radikalen Kundenschwund auf zu wenige attraktive Angebote zurückführte. Die Abwanderung zum mobilen Breitband werde aber erst ein Ende nehmen, wenn das Festnetz ein "superiores Produkt" anbieten könne, was die Diskussion auf den Breitbandausbau und die "Next Generation Networks" lenkte.
Hier forderte Obereder eine Öffnung bereits bestehender Glasfasernetze und Ducts (Kabelkanäle) in Österreich, wie es die France Telecom etwa in Frankreich vorgemacht habe. Auch Koman erklärte den Duct-Zugang zur obersten Priorität: "Mit dem derzeitigen Preisniveau lässt sich in Österreich ohnehin kein flächendeckender Glasfaserausbau realisieren." Serentschy betonte, dass nicht nur Duct-Sharing, also die Öffnung der Kanäle für Wettbewerber, bei der TA ein Thema sei, sondern künftig "passive Infrastruktur" etwa von Gemeinden, Bahn und Energieversorgern eine wichtigere Rolle spielen werden.
Mobilfunk bleibt Herausforderer
LTE
Die vierte Generation drahtloser Telefonie (4G) heißt in Europa Long Term Evolution (LTE). Forscher wollen damit Datenübertragungsraten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde erreichen. Noch höher als die technischen sind dabei allerdings die finanziellen Hürden.
Mobilfunk: Die vierte Generation
Mobilfunkvertreter Krammer zeigte sich von der Diskussion über NGN und FTTH (Fiber to the Home) unbeeindruckt: "Wer das jetzt noch nicht hat, ist zu spät dran." Schließlich stehe mit LTE der nächste Mobilfunkstandard in den Startlöchern, der Bandbreiten von bis zu 100 MBit/s ermögliche.
BMVIT-Vertreter Stratil verwies auf Seite 63 im neuen Regierungsprogramm, die sich mit der Breitbandstrategie des Landes auseinandersetzt, und betonte, dass die Akzeptanz der Breitbandversorgung auf jeden Fall eine politische Frage sei. Einig waren sich alle Diskutanten bei der Frage nach einem Ausblick, dass es im Jahr 2013 auf jeden Fall weiter eine Koexistenz von Festnetz und Mobilfunk geben werde. Schließlich werde das Festnetz auch für die Standortanbindungen der Mobilfunker benötigt. Einheitlich war auch die Forderung an die neue Regierung, sich zu einer klaren Strategie zu bekennen.
Viele Initiativen, wenige Resultate
Rene Tritscher, Obmann des Fachverbands Unternehmensberatung und Informationstechnologie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), lieferte im Anschluss einen Überblick über die IKT-Offensiven, -Pläne und -Analysen, die Österreich in den letzten Jahren gestartet hatte - viele davon ohne Ergebnis. Nun warte die von der "Internetoffensive Österreich" formulierte "Internetdeklaration" darauf, der neuen Regierung übergeben zu werden.
"Die Umsetzung der darin geforderten Maßnahmen ist die letzte Chance für die IKT in Österreich", drängte Tritscher. Bis jetzt habe es immer nur Hilfskonstrukte gegeben, die im Vorfeld praktischer Entscheidungen tätig waren. Nun sei definitiv eine zentrale Stelle notwendig, die auch von Dauer sei.
Die Einrichtung einer solchen Stelle ist auch laut Serentschy eine der priorisierten Maßnahmen in der "Internetdeklaration". "Die cross-sektorale Thematik verlangt eher nach einem Regierungsbeauftragten, etwa im Bundeskanzleramt, als nach einem eigenen Ministerium." Im Regierungsprogramm ist nun von einem "erweiterten IKT-Kompetenzzentrum" die Rede. Was darunter zu verstehen ist, wird sich wohl demnächst zeigen.
(futurezone/APA/Nayla Haddad)