Telekompaket im EU-Ministerrat
Am Donnerstag verhandeln die Telekomminister der EU-Mitgliedsstaaten über die Neuordnung des Marktes für elektronische Kommunikation in der Union. Die österreichische Regierung spricht sich gegen eine zentrale EU-Regulierungsbehörde aus und äußert Skepsis gegenüber den Plänen zu Netzsperren. Deren Spuren sind noch deutlich in den überarbeiteten Richtlinien zu sehen.
Am Donnerstag um 9.00 Uhr verhandeln die Telekommunikationsminister der Europäischen Union über die Richtlinien des Telekompakets, mit dem die EU-Kommission den Telekommarkt neu ordnen möchte. Davon betroffen sind nicht nur klassische Telefonie und Mobilfunk, sondern auch Internet und Frequenzvergabe.
Umstritten war im Vorfeld vor allem die Einrichtung eines Gremiums, das auf EU-Ebene die Arbeit der nationalen Regulierer kontrollieren sollte. EU-Medienkommissarin Viviane Reding hatte ursprünglich einen Superregulator mit dem Namen EECMA einrichten wollen, der die nationalen Telekombehörden kontrollieren sollte. "Dieser Vorschlag ist vom Tisch", sagt Marcin Kotlowski, Sprecher des Infrastrukturministers und designierten Bundeskanzlers Werner Faymann (SPÖ).
Regulieren mit GERT
Statt der EECMA wird nach dem Willen der Minister ein Gremium namens Group of European Regulators in Telecoms (GERT) in Aktion treten, ein Kooperationsgremium der nationalen Regulatoren auf EU-Ebene - das Akronym der ursprünglichen Bezeichnung Body of European Regulators in Telecoms (BERT) war den Akteuren dann wohl doch zu humoristisch.
"Statt einer aufgeblähten Zentralbehörde wollen wir eine bessere Kooperation zwischen den Regulatoren", sagt Kotlowski. Auch Paul Rübig (ÖVP), Experte für Telekomangelegenheiten im Europaparlament, begrüßt in einer Aussendung vom Mittwoch die Einrichtung von GERT alias BERT. "BERT soll für Fragen wie die Regulierung und Überwachung von Tarifen für Gesprächs- und Datenroaming sowie für SMS aus anderen EU-Ländern und dem Ausland zuständig sein", schreibt Rübig, der sich im Namen des EU-Parlaments dafür ausspricht, "BERT die Zuständigkeit in der Koordinierung der nationalen Regulierungsmaßnahmen zu geben und gleichzeitig eine ausreichende Finanzierung durch das EU-Budget sicherzustellen".
SMS und Datenroaming
Rübig erwartet auch, dass sich die Minister für eine EU-weit gültige Höchstgrenze von 0,11 Euro netto pro ausgehende SMS aussprechen und damit einem Vorschlag Redings folgen werden. Auch die Kosten für Datenroaming sollen von durchschnittlich 16 Euro pro MB auf 3,60 Euro pro MB fallen.
Kommission gegen Frankreich
Während das Parlament in Sachen Telekomregulierung eher aufseiten des Mitgliedsländer steht, die nur ungern Kontrollmöglichkeiten an Brüssel abgeben wollen, steht es in einer anderen wichtigen Streitfrage Seite an Seite mit Reding. Die französische EU-Ratspräsidentschaft will nach wie vor das heimische Vorhaben, Internet-Nutzern nach dreimaligem Verstoß gegen Urheberrechte ohne richterliche Kontrolle die Verbindung zum Netz zu kappen, durch entsprechende Passagen im EU-Telekomrecht absichern.
Diesem Vorhaben hat das Parlament im September mit dem Zusatz 138 zur Universaldiensterichtlinie einen Riegel vorgeschoben. Dieser Zusatz, den der Rat in den aktuell auf dessen Website vorliegenden Papieren herausredigiert hatte, würde dafür sorgen, dass Rechtsverstöße durch Internet-Nutzer nur nach dem üblichen Verfahren unter Hinzuziehen eines Richters geahndet werden dürfen. Auch die Kommission hatte sich wiederholt und gegen hartnäckige persönliche Interventionen von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy für Zusatz 138 ausgesprochen.
Gefahr für Konsumentenschutz
Das österreichische Infrastrukturministerium möchte die Urheberrechtsfragen aus der Diskussion über die Neuordnung des Telekommarkts gerne heraushalten. "Wir sehen die Notwendigkeit, die Frage der Urheberrechte klar zu regeln", sagt Marcin Kotlowski, "aber man sollte das nicht über Hilfskonstruktionen den Providern in den Rucksack packen."
Die britische Politologin Monica Horten, die die Entstehung des Telekompakets kritisch begleitet, sieht in den vorliegenden Ratsdokumenten die Tendenz zur verbalen Entschärfung von Regelungen, die sich aber nach wie vor als nachteilig für Netzneutralität und Konsumentenschutz erweisen könnten.
Netzfilter nicht ausgeschlossen
"In Artikel 33 (2a) (der Universaldiensterichtlinie) haben sie den Text von 'sollte' auf 'kann' geändert, sprich, sie überlassen es den Mitgliedsstaaten, ob sie 'Three Strikes Out' oder Filtermaßnahmen einführen wollen, anstatt es ihnen vorzuschreiben. Ähnliche Regelungen finden sich überall im Text", schreibt Horten auf Anfrage von ORF.at. Bleibe es bei der derzeitigen Regelung, so könnten die Provider jederzeit Filter einführen, in die Netzneutralität eingreifen oder Protokolle sperren, solange sie dies nur in den AGB angeben. "Die Provider könnten Skype filtern, solange sie das irgendwo im Kleingedruckten angeben."
Problematisch seien weiterhin Artikel 6a und Zusatz 30b der E-Privacy-Richtlinie. "Dabei geht es darum, inwieweit die Provider Zugriff auf Verkehrsdaten haben dürfen. Das ist sowohl für Three Strikes als auch fürs Filtern notwendig", schreibt Horten, die auch eine Mitsprache der Nutzer in den Entscheidungen der nationalen Regulatoren anmahnt. Die Mitgliedsstaaten könnten beim derzeitigen Stand der Papiere die Nutzer zwar einbinden, wenn es um Konsumentenrechte gehe, müssten das aber nicht tun.
"Die Zusätze 166 und 138 des Europaparlaments sind ohne Rechtfertigung oder Erklärung gelöscht worden. Also haben wir es nach wie vor mit einem Three-Strikes- oder Filterszenario zu tun - ohne Schutzmechanismen für die User", so Horten, die erwartet, dass das Telekompaket mit den Änderungswünschen des Ministerrats zu einer zweiten Lesung zurück ins EU-Parlament wandern wird.
(futurezone/Günter Hack)