Kritik an Wikipedia-Zensur in Großbritannien

WATCHLIST
08.12.2008

In einer ersten Stellungnahme hat Wikipedia-Betreiber Wikimedia die Sperre des Zugriffs auf einen Artikel von Großbritannien aus kritisiert. Die Gegenseite sieht aber keinen Grund, die Sperre aufzuheben.

Seit kurzem können britische Nutzer die freie Online-Enzyklopädie nur noch eingeschränkt benutzen. Ihnen wird durch eine Kinderpornografie-Blacklist der Zugriff auf einen Artikel über das Album "Virgin Killer" der Rockband Scorpions verweigert, da dort das Bild eines unbekleideten jungen Mädchens zu sehen ist.

Laut Angaben der Internet Watch Foundation (IWF), die für die Blacklist verantwortlich ist, wurde die Seite im Dezember als anstößiger Inhalt gemeldet. Nach einer Prüfung sei das Bild als potenziell illegaler Inhalt nach britischem Gesetz eingestuft und die dazuhörige Seite entsprechend auf den Index gesetzt worden.

Nutzen können nicht mehr editieren

Da das Angebot außerhalb Großbritanniens gehostet ist, seien weder die Internet-Service-Provider noch der Anbieter selbst, also Wikimedia, darüber verständigt worden, erklärte IWF.

Laut einer IWF-Sprecherin sind 95 Prozent der britischen Internet-Nutzer von der Maßnahme betroffen.

Diese können nicht nur den Artikel nicht sehen: Da die Zugriffe über einen transparenten Proxy geroutet werden und die britischen Nutzer somit gesammelt mit einer IP-Adresse auf Wikipedia zugreifen, wurden diese IP-Adressen von der Mitarbeit bei Wikipedia gebannt, um Vandalismus in den Artikeln vorzubeugen. Damit können die betroffenen Nutzer auch keine Wikipedia-Artikel mehr editieren. Zudem berichten zahlreiche Nutzer von Performance-Problemen beim Zugriff auf Wikipedia.

Unverständnis bei Wikimedia

Die Wikimedia Foundation zeigte in einer ersten Stellungnahme kein Verständnis für die Maßnahme. "Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass der blockierte Artikel oder das darin enthaltene Foto irgendwo auf der Welt als illegal einzustufen ist", erklärte Wikimedia-Anwalt Mike Godwin.

Es sei auch notwendig anzumerken, dass das Bild derzeit auf Amazon zu sehen sei, wo das dazugehörige Album von britischen Bürger jederzeit zu kaufen sei. Zudem sei es auf vielen weiteren tausend Seiten zu sehen, die von britischen Nutzern weiterhin gesehen werden könnten, so Godwin,

Zugang zu freiem Wissen blockiert

Sue Gardner, Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation, erklärte, sie verstehe nicht, wie durch die Blockade britische Kinder geschützt werden könnten. Dafür seien aber britische Internetnutzer vom Zugang zu freiem Wissen ausgeschlossen und auch die Wikipedia selbst verliere so den Input der britischen Nutzer. Gardner fordert eine Aufhebung der Blockade.

Wikimedia erklärte, mit der IWF weiterhin an einer Lösung des Problems zu arbeiten.

Laut Wikimedia will die IWF die Sperre allerdings nicht aufheben. Die Sprecherin zeigte sich zudem über die gemeldeten Einschränkungen abseits der Sperre der Artikel überrascht: "Eigentlich hätte es keine Kollateralschäden geben dürfen."

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(futurezone/AP)