Lumix G1: Gewogen und für leicht befunden
Mit dem System Micro Four Thirds soll eine neue Klasse kompakter und flexibler Digitalkameras mit Wechselobjektiven auf den Markt kommen. ORF.at hat einen Blick auf die erste Micro-Four-Thirds-Kamera geworfen, die Lumix G1 von Panasonic.
Im August 2008 haben Olympus und Panasonic das Digitalkamerasystem Micro Four Thirds (MFT) vorgestellt. MTF soll nun endlich den Anspruch erfüllen, mit dem Olympus schon 2003 angetreten war, als es den Vorgängerstandard Four Thirds auf dem Markt für digitale Spiegelreflexkameras etablierte.
Mit Four Thirds wollte der japanische Traditionshersteller den Ballast der analogen Ära der Fotografie über Bord werfen. Kameras und Objektive wurden ganz neu um Sensoren herum entworfen, die ein Seitenverhältnis von vier zu drei aufwiesen - daher auch der Name Four Thirds. Die darauf aufbauenden Systeme sollten vergleichsweise klein und leicht sein.
Sensoren: Die Größe entscheidet
Während die von Pixeln bedeckte Fläche eines Four-Thirds-Sensors nur 17,3 mal 13 mm groß ist, bietet der APS-C-Sensor einer K100D eine aktive Fläche von 23,5 mal 15,7 mm. Obwohl die Bildqualität von zahlreichen anderen Faktoren abhängt, gilt nach wie vor die Faustregel, dass Sensoren bei gleicher Auflösung tendenziell weniger Bildrauschen erzeugen, wenn ihre Pixel größer sind und sich über eine größere Fläche verteilen.
Das Problem dabei: Auch die anderen Hersteller wandten sich schnell dem lukrativen Bereich der kompakten Spiegelreflexkameras zu. So sind die Größenunterschiede zwischen einer Four-Thirds-Kamera und kompakten Modellen von Nikon, Canon und Pentax vernachlässigbar. Dabei haben Letztere allerdings den Vorteil des größeren Sensors im APS-C-Format. In diesem schwierigen Marktumfeld müssen sich nun auch die MFT-Kameras behaupten.
Zur Photokina 2008 hat Panasonic mit der Lumix G1 die erste Kamera und zwei Zoom-Objektive nach dem neuen Standard vorgestellt. Der wesentliche Unterschied zu den herkömmlichen Four-Thirds-Geräten besteht darin, dass die MFT-Digicams keine Spiegelreflexkameras mehr sind.
Maße und Gewichte:
Die Lumix G1 wiegt inklusive Akku und Kit-Objektiv 14-45mm/f3,5-5,6 rund 635 Gramm. Sie ist ohne Optik 124 mm breit, 83,6 mm hoch und 45,2 mm tief.
Zum Vergleich: Die Pentax K100D super wiegt mit Kit-Objektiv und vier AA-Batterien rund 800 Gramm und misst - ohne Optik - 129 mal 93 mal 70 mm.
Die Größenverhältnisse
Die G1 ist leider nicht viel kompakter geraten als die Konkurrenz. Dafür ist das in Japan hergestellte Kunststoffgehäuse stabil und lässt sich sicher halten. Bajonett und Anschlussfläche der beiden angebotenen Zooms sind aus Metall gefertigt. Leider ist der Hauptschalter ziemlich leichtgängig und lässt sich nicht sichern. Damit kann es passieren, dass die Lumix versehentlich aktiviert wird.
Um die Kamera kompakter und billiger bauen zu können, ist der Spiegelkasten mitsamt seiner aufwendigen Mechanik weggefallen. Die G1 hat daher auch keinen optischen Sucher, sondern einen elektronischen, der direkt vom 12,1-Megapixel-Sensor mit Bildinformationen beliefert und durch ein Display auf der Kamerarückseite ergänzt wird. Letzteres lässt sich auch ausschwenken und sehr frei in Position drehen.
Die Objektive
MFT-Kameras können über einen Adapter jene Four-Thirds-Objektive nutzen, die Kontrast-Autofocus unterstützen. Panasonic unterhält eine Liste von Optiken, die mit der G1 kompatibel sind. An "echten" MFT-Objektiven gibt es derzeit nur das G1-Kit-Objektiv 14-45mm/f3,5-5,6 und das 45-200mm/f4,0-5,6, beide mit eingebautem Bildstabilisator. Seitens Panasonic sind für 2009 folgende MFT-Objektive angekündigt: 14-140mm/f4,0-5,6 (mit Stabilisator), 7-14mm F4,0 und 20mm/f1,7. Wie bei Four Thirds muss man die Brennweiten nur verdoppeln, um auf die Bildwirkung von 35-mm-Optiken zu kommen.
Der elektronische Sucher
Sowohl der elektronische Sucher als auch das Display sind hell und reagieren - meistens - schnell. Nutzer, die von einer kleinen Digicam her kommen, müssen sich nicht umstellen, da der elektronische Sucher eine gute Livevorschau auf das Bild bietet. Anders als bei einer DSLR sieht der Nutzer sofort, ob das aufzunehmende Bild einigermaßen gut belichtet ist. Da die G1 sowohl Programm- (mit Shift) als auch Zeit- und Blendenautomatik sowie voll manuelle Einstellungsmöglichkeit bietet, macht das Experimentieren mit der Kamera Spaß. Laut Angaben von Panasonic hält der Akku der G1 gemäß CIPA-Standard für ungefähr 330 Aufnahmen.
Auch die Bedienung über das einzelne Einstellrad vorne ist gelungen. Der Nutzer kann es leicht eindrücken und damit beispielsweise zwischen Programmshift und Belichtungsausgleich (in 1/3-Lichtwert-Stufen auf maximal +/-3 LW) sehr schnell umschalten.
Eingefrorenes System
Spiegelreflexfotografen werden sich mit dem elektronischen Sucher jedoch nicht so schnell anfreunden. Es ist auch auf dem großen Display schwierig abzuschätzen, ob der Autofocus den anvisierten Punkt auch tatsächlich getroffen hat. Bei der Aufnahme schneller Bildfolgen - die G1 schafft auch im RAW-Modus drei Bilder pro Sekunde - kommt es vor, dass die Kamera beim Wegspeichern der Daten eine Denkpause einlegt. Dabei friert auch der Sucher ein und der Fotograf kann dem Geschehen vor der Kamera nicht mehr folgen. Auch bei schnellen Zoomaktionen und beim Einsatz des in die Objektive eingebauten Bildstabilisators ruckelt das Bild.
Obwohl der Kontrastmessungs-Autofocus der G1 in Standardsituationen von der Geschwindigkeit her durchaus mit dem Phasenvergleichs-AF in günstigeren DSLRs mithalten kann, ist die Lumix damit jenen Fotografen nicht zu empfehlen, die Sport- und Actionszenen ablichten wollen.
G1-RAW, DNG, und Photoshop
Als RAW-Konverter liegt der G1 eine Version der japanischen Software Silkypix bei. Adobe Camera Raw unterstützt das Format der G1 ab Version 5.2. Diese wiederum läuft erst ab Photoshop CS4 bzw. Elements 7.0. Benutzer früherer Versionen können sich mit dem kostenlosen Konverter behelfen, der das proprietäre RAW-Format der G1 in Adobes DNG-Standard umwandelt.
Hohe Bildqualität
Die Bildqualität der G1 ist bis ISO 800 sehr gut; bis zu dieser Stufe hält der Sensor die Details, ohne zu stark zu rauschen. Der Live-MOS-Sensor, der auch aus neueren Olympus-DSLRs bekannt ist, hält dabei gut mit seiner Konkurrenz aus der APS-C-Mittelklasse mit. Die höheren Empfindlichkeitsstufen des Sensors sollte man allerdings sparsam einsetzen. Die G1 verfügt über eine ISO-Automatik und über eine Option, mit der sich ein maximaler ISO-Wert festlegen lässt. Generell geht die Empfindlichkeit des Sensors bis ISO 3200. Für Notfälle bietet die G1 auch einen eingebauten Blitz mit der Leitzahl 11. Panasonic bietet auch einen zusätzlichen Systemblitz mit der Leitzahl 36 an.
Testbilder aus der G1:
Die JPEGs direkt aus der Kamera sind auch im als "neutral" gekennzeichneten Farbmodus recht lebhaft. Fortgeschrittene Fotografen werden sich darüber freuen, dass die G1 Bilder auch im RAW-Modus abspeichern kann, allerdings nur in einem proprietären Format. Die RAW-Dateien aus der G1 sind im Schnitt 15 MB groß, die Kamera kann bis zu sieben davon im Zwischenspeicher halten, bevor sie auf die Karte schreiben muss.
Die beiden bisher verfügbaren MFT-Objektive sind sehr leicht und kompakt und decken einen Brennweitenbereich von umgerechnet 28 bis 400 mm ab. Die Abbildungsleistung beider Optiken ist sehr gut, das Standardzoom verzeichnet auch in der 14-mm-Position nur schwach, dafür wackelte bei unserem Testexemplar der Zoomring etwas. Das 45-200 beeindruckt durch kompakte Abmessungen und gute Abbildungsleistung auch am "langen" Ende. Beide Objektive erlauben auch im AF-Modus manuellen Eingriff beim Scharfstellen. Beim Fokussieren gehen die internen Motoren der Optiken sehr leise zu Werke.
Die beiden Zooms sind aber, der Kompaktheit geschuldet, sehr lichtschwach. Das Belichtungsprogramm der G1 hat die Tendenz, die Empfindlichkeit eher niedrig zu halten, um Bildrauschen zu vermeiden. Dies wiederum führt zu langen Verschlusszeiten, die der eingebaute Bildstabilisator der Objektive nicht immer zu kompensieren vermag.
Der Verschluss selbst ist mechanisch und damit sehr deutlich hörbar. Die G1 ist nicht viel leiser als eine herkömmliche Four-Thirds-Spiegelreflex. Auch filmen kann man mit der G1 nicht. Eine entsprechende Funktion hat Panasonic erst für das Nachfolgermodell angekündigt. Es gibt keine Option, die Kamera über USB-Kabel vom Computer aus fernzusteuern. Obwohl die Kamera über einen Mini-HDMI-Ausgang (Type C) verfügt, ist ein entsprechendes Kabel für den Anschluss an ein modernes Display nicht beigelegt.
Fazit:
Für wen ist die Lumix G1 geeignet? Sie ist zwar kompakt, aber schon so groß, dass man es sich überlegt, ob man sie mitnehmen möchte. Mit dem angekündigten 20-mm-Objektiv wird sie vielleicht in eine große Manteltasche passen. Mit dem kleinen Standard-Zoom ist das bereits nicht mehr möglich. Spiegelreflex-Fotografen werden da lieber das kleinste Modell ihres Herstellers nehmen, anstatt in das MTF-System einzusteigen.
Bleiben als Zielgruppe Kompaktkamerabesitzer, die mehr Systemflexibilität und höhere Bildqualität wollen, ohne gleich zu einer DSLR greifen zu wollen. Durch den großen Sensor ist die G1 auch den Bridge-Kameras überlegen. Mit den beiden verfügbaren Objektiven besitzt man eine äußerst kompakte und vielseitige Reiseausstattung, die man ohne Anstrengung auf Touren den ganzen Tag mit sich herumtragen kann.
Die Konkurrenz
Zum Vergleich: Die Sony-DSLR Alpha 350, die auch eine sehr gute Live-Bildvorschau und ein kippbares Display bietet, kostet im Paket mit zwei Objektiven (18-70 und 55-200 mm) rund 700 Euro. Auch die Konkurrenz im Four-Thirds-Lager selbst ist günstiger: Der Preis für eine Olympus E-420 mit zwei Objektiven (14-42 und 40-150 mm) ist schon unter die 500-Euro-Grenze gerutscht.
Diese Interessenten sollten allerdings ein hohes Budget für den Kamerakauf haben. Schon das kleine Kit aus Lumix G1 und 14-45 mm kostet derzeit rund 700 Euro. Nimmt der Kunde noch das 45-200 hinzu, zahlt er bereits rund 1.000 Euro. Der Adapter für Four-Thirds-Optiken auf MFT-Kameras kostet stolze 180 Euro.
Als technisches System hat Micro Four Thirds mit der G1 aber nicht den schlechtesten Start hingelegt. Zentrale Komponenten wie der Sensor und der AF sind auf der Höhe der Zeit. Gelingt es, die beschriebenen Probleme zu beheben und den Preis signifikant zu senken, wird MFT auch als Zweitsystem für Fortgeschrittene interessant und damit eine ernsthafte Konkurrenz für kompakte Zoomkameras. Es liegt jetzt an Olympus, zur US-Fotomesse PMA im März mit einer eigenen MFT-Kamera auf den Markt zu kommen. Die auf der Photokina gezeigte Designstudie machte einen edlen und vor allem kompakten Eindruck. Die Frage bleibt nur, ob sich das System auf dem schnellebigen Markt der Digitalfotografie noch etablieren kann.
(futurezone/Günter Hack)