Scorpions droht Suchmaschinen-Blockade
Nach der aktuellen Kontroverse über die Sperre des Wikipedia-Eintrags zum Scorpions-Album "Virgin Killer" in Großbritannien prüfen nun auch deutsche Behörden, ob das Bild auf den Index gesetzt wird. Damit würde das umstrittene Plattencover aus den 1970er Jahren zwar nicht für alle Web-User gesperrt, aber dafür immerhin aus den Suchindizes der deutschen Suchmaschinen verschwinden.
Die Initiative dazu ging von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimediadienstanbieter (FSM) in Deutschland aus, die am Dienstagabend eine entsprechende Beschwerde von einem Bürger bekam. Das Cover aus dem Jahr 1976 zeigt ein etwa zehnjähriges nacktes Mädchen in aufreizender Pose.
Die FSM habe die Beschwerde an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) weitergeleitet, die eine Entscheidung in dieser Sache fällen solle, teilte eine Pressesprecherin gegenüber ORF.at mit.
Blockade rückgängig gemacht:
Die Internet Watch Foundation hat am Dienstag die inkriminierte Wikipedia-URL wieder freigegeben.
Behördenlauf
Die Vorsitzende der BPjM, Elke Monssen-Engberding, meinte hingegen, dass der Antrag nur behandelt werden könne, wenn er von einer Behörde eingereicht werde. "Deshalb wurde die Beschwerde an eine antragsberechtigte Stelle weitergeleitet", deren Handeln abgewartet werde.
Rechtlich unterscheide sich die Situation in Deutschland von jener in Großbritannien dadurch, dass das Cover nicht als Kinderpornografie, sondern als jugendgefährdend eingeordnet werden müsse, um eine Sperre einzuleiten. Diese könne erfolgen, "weil es sich um ein Posenfoto handelt, in dem ein Kind sich in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung befindet", so die Vorsitzende gegenüber ORF.at.
Sperre bei Suchmaschinen
Sollte das Bild als jugendgefährdend eingestuft werden, dann werde es in den Index der Filtersoftware BPjM-Modul aufgenommen. Sämtliche Suchmaschinenbetreiber mit Firmensitz in Deutschland hätten sich freiwillig dazu bereiterklärt, "diese in dem Modul befindlichen Seiten nicht mehr anzuzeigen", erklärte Monssen-Engberding. Allerdings habe der Betreiber der "konkret betroffenen Seite Anspruch auf rechtliches Gehör".
Einen Web-Filter, an den die meisten Internet-Provider angeschlossen sind, gibt es in Deutschland derzeit nicht. Anders als in Großbritannien, wo die Wikimedia Foundation sich derzeit in Gesprächen mit der Internet Watch Foundation (IWF) befindet, die mit ihrer Sperre des Wikipedia-Eintrags zu "Virgin Killer" die aktuelle Kontroverse ausgelöst hatte.
Auf Nachfrage von ORF.at hieß es bei Wikimedia Deutschland, dass es keinen Einblick in die Entscheidungsfindung der IWF gebe. Es gebe dort ein Filter-Ranking von eins bis fünf, so Wikimedia-Sprecher Mathias Schindler. Das betroffene Bild der Scorpions sei mit eins, der niedrigsten Stufe, bewertet worden.
Kollateralschäden
Aber auch eine niedrige Einstufung, so Schindler, führe zur Sperrung durch die Provider. "Laut IWF werden die Personen von der Polizei geschult. Die Schulung kann aber auch nur einen einzigen Nachmittag lang gedauert haben", kritisierte der Sprecher. Im Gegensatz zu Deutschland gebe es bei der IWF auch keine Einspruchsmöglichkeit für Betroffene.
Schindler betonte, dass es mehrere Gespräche mit den britischen Providern gegeben habe. Diese würden bereits selbst vermehrt Unmut über die Situation äußern, da es "Kollateralschäden" gebe. Schließlich beträfen die Geschwindigkeits- und Darstellungsprobleme alle Wiki-Nutzer, meinte der Sprecher. Unter anderem können nun Wikipedia-Autoren aus Großbritannien nicht mehr an der freien Enzyklopädie mitarbeiten.