Ordnung im Informationsfluss
Das in Wien und Innsbruck ansässige Start-up System One hilft Unternehmen, die Informationsflut zu bewältigen. Zum Einsatz kommen dabei semantische Technologien und Social-Software-Anwendungen. Teil zehn der futurezone.ORF.at-Serie "Start-up-Geschichten".
"Uns geht es darum, Informationsflüsse effizienter zu gestalten", sagt System-One-Gründer Bruno Haid. Sein Unternehmen bietet Lösungen, die Ordnung in Informationen bringen und dabei helfen, sie produktiv zu verwenden. Gegründet wurde System One im Jahr 2005. Haid und seine Mitstreiter, die sich allesamt intensiv mit Weblogs, Wikis und anderen kollaborativen und vernetzten Web-Anwendungen beschäftigten, wollten ihr Interesse an Social Software und semantischen Technologien für eine gemeinsame berufliche Basis nutzen.
Im Rahmen der Serie "Start-up-Geschichten" berichtet futurezone.ORF.at in loser Folge über innovative Web- und IT-Dienste mit Österreich-Bezug.
Das scheint dem mittlerweile auf zwölf Mitarbeiter angewachsenen Team ganz gut gelungen zu sein. Heute erzielt System One einen Jahresumsatz im siebenstelligen Bereich und zählt unter anderen die Automobilhersteller BMW und Daimler, das Beratungsunternehmen McKinsey sowie die Deutsche Telekom zu seinen Kunden.
Die Grundlage für die Lösungen des Start-ups bildet eine von Unternehmen entwickelte technische Plattform, die auf Basis semantischer Technologien Informationen nach Ähnlichkeiten und markanten Eigenschaften durchsucht, ordnet und zueinander in Beziehung setzt. Sie kommt bei einer Reihe von System-One-Lösungen zum Einsatz.
Die System-One-Geschäftsführer Michael Schuster und Bruno Haid (im Bild rechts).
Online-Kollaboration
Das Herzstück des Produktportfolios bildet die Online-Kollaborationslösung "Collaboration", die Informationsflüsse in- und außerhalb des Unternehmens in Echtzeit filtert. "Immer, wenn ich in einem Unternehmen oder einer Organisation an etwas Neuem zu arbeiten beginne, gibt es bereits etwas, an das ich anschließen kann", erläutert System-One-Kogeschäftsführer Michael Schuster das Prinzip: "Unsere Software sucht in internen und externen Quellen, etwa in Web-Datenbanken und Online-Medien, nach passenden Informationen, die für meine Recherche nützlich sind, die mich aber auch auf neue Ideen bringen können." Daneben können mit dem Verfahren auch Personen ausfindig gemacht werden, die sich bereits mit ähnlichen Themen beschäftigt haben.
"Radar" für Web-Inhalte
System One bietet auch das Media-Monitoring-Produkt "Radar" an, das im Netz nach Informationen zu spezifischen Themen sucht und diese automatisch Projekten im Unternehmen zuordnet. "Damit ist es möglich, Verläufe zu analysiern und Zusammenhänge darzustellen und so Entscheidungsgrundlagen aufzubereiten", erläutert Schuster.
Die System-One-Plattform lässt sich auch für individuelle Anwendungsfälle adaptieren. Kunden dafür findet das Unternehmen vor allem in der Medienbranche. Bei den Online-Ausgaben des deutschen Nachrichtenmagazins "Focus" und der "Rheinischen Post" werden etwa mit Hilfe von System-One-Technologien Dossiers zu Personen und Themen erstellt. Auch bei der Online-Ausgabe der österreichischen Tageszeitung "Presse" kommen Lösungen des Unternehmens zum Einsatz.
Nicht nur Textsuche
Neben der maschinellen Textinterpretation arbeitet das System-One-Team auch an Technologien, die sich mit der Analyse von Sprache und Bildern beschäftigen. Mit der Suchanwendung retrievr, die auf der Foto-Sharing-Plattform Flickr Bilder auf Basis einfacher Zeichnungen findet, sorgte das System-One-Team 2006 im Netz bereits für einiges Aufsehen.
Retrievr, das die Bildsuche mit Zeichnungen ermöglicht, dient System One als Experimentierfeld für Bild-Such-Algorithmen und kommt auch bei Anwendungen des Unternehmens zum Einsatz.
"Ein wirklich schönes Stück Technologie", notierte damals etwa TechCrunch-Blogger Michael Arrington. Auch im "Wall Street Journal" und im Technologiemagazin "Wired" wurde über die Entwicklung aus den System One Labs berichtet.
"Wir versuchen, für uns einen Freiraum für solche Experimente zu schaffen", sagt Haid. Ein weiteres Produkt der System One Labs ist Wikipedia³, dass die Datenbank der englischsprachigen Wikipedia in RDF (Resource Description Framework, eine Sprache zur Bereitstellung von Metadaten) übersetzt.
Unterstützung von Fördergebern
Der Start von System One wurde von den Gründern und den Förderstellen Austria Wirtschaftsservice (AWS) und Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert. Die Finanzierung sei im forschungsintensiven Bereich Semantic Web eine wirkliche Herausforderung, meint Haid.
Den Break-even erreichte das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits vor mehr als einem Jahr. Konkrete Zahlen wollen Haid und Schuster keine nennen: "Wir haben uns in den vergangenen Jahren jedoch bei allen relevanten Indikatoren im dreistelligen Prozentbereich positiv entwickelt."
Die Hereinnahme eines externen Investors werde zwar immer wieder diskutiert. "Momentan ist das kein Thema", meint Haid: "Wir sehen uns einmal die weitere Entwicklung an." Geldgeber seien allenfalls zur Finanzierung von Zukäufen eine Option, so Schuster.
"Ganzheitlich orientiertes Denken"
Mit seinen Produkten konkurriert System One sowohl mit großen Software-Anbietern wie Microsoft (Sharepoint) als auch mit spezialisierten Such- und Information-Retrieval-Anbietern und auf Kollaborationslösungen fokussierte Netzunternehmen (Socialtext). Von der Konkurrenz will man sich durch "ganzheitlich orientiertes Denken" unterscheiden, so Haid: "Wir haben auch die Leute dazu."
Im nächsten Jahr will das Unternehmen seine Position mit strategischen Partnerschaften, etwa mit IT-Consulting-Firmen, stärken und seinen "Claim abstecken". Das Produktportfolio soll auch weiterhin auf den Unternehmensbereich beschränkt bleiben.
"Um Lösungen für Privatanwender anbieten zu können, wäre eine gänzlich andere Organisations- und Infrastruktur notwendig", gibt Haid zu bedenken. Darüber hinaus würden vergleichbare Software-Lösungen für Privatkunden, wie etwa Devon Think des US-Anbieters Devon Technologies, ökonomisch nicht funktionieren. "Es ist eine große Herausforderung für uns, Chancen liegen lassen und fokussiert zu bleiben", sagt Haid.
Keine Angst vor der Krise
Einen Rückgang der Investitionsbereitschaft der Kunden im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise haben Haid und Schuster bisher nicht festgestellt. Momentan sei eher das Gegenteil der Fall, meint Schuster: "Wir sind zum Glück brancheneutral aufgestellt."
Die Furcht vor krisenbedingten Einbrüchen hält sich bei System One generell in Grenzen. "Unsere Lösungen helfen Unternehmen beim Sparen", meint Haid. In Krisenzeiten herrsche darüber hinaus große Unsicherheit. Unternehmen müssten verstärkt beobachten, was "draußen" in der Welt passiere, so Haid: "Das kommt unserem Produktportfolio zugute."
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(futurezone/Patrick Dax)