E-Voting entzweit ÖH

ÖH
12.12.2008

Der Kommunistische StudentInnenverband (KSV) will die Abwahl des Vorsitzenden der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) beantragen. Grund: Er setze sich zu wenig gegen die drohenden Online-Wahlen ein.

Samir Al-Mobayyed von der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) sei von der Bundesvertretung beauftragt worden, gegen das für die kommende ÖH-Wahl im Mai 2009 geplante E-Voting anzukämpfen.

"Er zeigt aber keine Ambitionen, es wirklich zu verhindern", so der KSV-Bundesvorsitzende Sebastian Wisiak zur APA. Die ÖH protestiert seit langem gegen E-Voting, sie befürchtet Manipulation.

Umfärbung der ÖH befürchtet

Wisiak und andere ÖH-Bundesvertreter befürchten auch, als Ziel von ÖVP und Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) Manipulationen mit dem Ziel, die ÖH umzufärben. So könne es zu Masseneinschreibungen vor allem in Fächern mit wenigen Studenten kommen, um die jeweiligen Wunschkandidaten ins Amt "zu hieven".

Durch die Online-Wahl könnte das auch an weit entfernten Unis gemacht werden. In der AG wird betont, dass man sich lediglich nicht "blind" gegen E-Voting ausspreche.

Abwahl unwahrscheinlich

Eine Abwahl Al-Mobayyeds gilt als unwahrscheinlich. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, die AG alleine hält 20 der 64 besetzten Mandate. Bei der letzten Sitzung hatten die anderen mandatsstärksten Fraktionen GRAS (Grüne und Alternative StudentInnen; 15 Mandate) und FLÖ (Fachschaftslisten; 14 Mandate) betont, dass eine Abwahl der AG so kurz vor der nächsten Wahl bloß die Arbeit für die Studenten lähmen würde.

AG schießt zurück

Die AG übte am Nachmittag in einer Aussendung heftige Kritik am Vorgehen des KSV. "Trotz Unstimmigkeiten bei verschiedenen Themen appellieren wir an die Vernunft der anderen Fraktionen, dieser Wahnsinnsaktion nicht zu folgen", erklärte AG-Obmann Attila Santo.

Es sei "schlichtweg schockierend", dass der KSV die ÖH ein zweites Mal in diesem Jahr "an die Wand zu fahren" versuche. Al-Mobayyed hat erst im Juni dieses Jahres den Vorsitz übernommen, nachdem die Koalition aus Fachschaftslisten (FLÖ), Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) geplatzt war.

Er verteidigte außerdem die Position der AG beim Thema E-Voting. "Wir werden unsere Entscheidung erst treffen, wenn die Sicherheit des Verfahrens überprüft und bestätigt wurde." Sollte das Verfahren sicher sein, wolle man die Studenten selbst entscheiden lassen, ob sie ihre Stimme online abgeben wollen oder nicht. "Die Studierenden sind mündig genug, diese Entscheidung selbst zu treffen."

Expertenstreit über E-Voting

Unter Experten ist die Debatte über die Sinnhaftigkeit und Sicherheit elektronischer Wahlen bereits im Gange.

Keine Gefahr der Manipulation sieht der Grazer Informatiker Reinhard Posch, der für die Plattform "Digitales Österreich" der Bundesregierung zuständig ist. "E-Voting ist sicher schwerer manipulierbar als Wahlen in der realen Welt, weil die Spuren schwerer zu verwischen sind", so Posch zur APA. "Ich würde es begrüßen, wenn die ÖH-Wahl mit guter Beteiligung elektronisch umgesetzt wird." Dies sei wichtig für die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Testlauf für Nationalratswahlen

Wahlen via Internet werden sich als Teil der E-Government-Gesamtstrategie durchsetzen, sagte Posch im Gespräch mit ORF.at.

Außerdem sollen die ÖH-Wahlen als Testlauf dienen, um die bei Nationalrats- und Landtagswahlen benötigten Ressourcen zu berechnen. Ein solcher Einsatz ist laut Posch aber wegen der rechtlichen Situation nicht vor 2018 möglich, auch weil das nötige elektronische Wahlregister fehlt.

Akzeptanz infrage gestellt

Verfassungsjurist Heinz Mayer steht dem E-Voting und auch dem Testlauf an der ÖH kritisch gegenüber. Es gebe überhaupt keinen Grund, Veränderungen herbeizuführen, die noch dazu sicher fehleranfälliger seien als die derzeitige Abwicklung, kritisiert Mayer.

Wahlmanipulation sei bei E-Voting im deutlich größeren Stil möglich, und nur die wenigen Experten mit Einblick in das Wahlsystem könnten diese nachzuvollziehen. Dabei sei die Akzeptanz eines Wahlergebnisses mindestens so wichtig wie dessen Korrektheit. "Derzeit wird bei uns das Wahlergebnis überhaupt nicht infrage gestellt. Ein knappes Wahlergebnis beim E-Voting würde für große Unsicherheit sorgen", so Mayer.

"Keine Garantie"

Ähnlich argumentiert der Wiener Informatiker Peter Purgathofer. Die derzeit mögliche Kontrolle falle beim E-Voting weg. "Wir müssten dem Experten glauben, dass unsere Stimme tatsächlich gezählt wird und keine personenbezogenen Daten weitergegeben werden."

Auch das Angebot an die ÖH-Wahlkommission, die Software vorab einzusehen, bringe keine Sicherheit: "Bei einer Kontrolle sehe ich nur, was mir der Experte zeigen will. Und es gibt keine Garantie, dass die Software die gesamte Wahl über läuft bzw. nicht ausgetauscht wird etc."

Sicherheitslücke auf Website entdeckt

Einer von Purgathofers Studenten, Konstantin Hofstetter, hat das per Bürgerkarte abgewickelte E-Voting auf Sicherheitslücken abgeklopft - und auf der betreffenden Website bereits eine entdeckt. Zwar könne man nicht auf das Zentralregister zugreifen, aber Personendaten wie Name, Geburtsdatum etc. mitlesen. "Ein System ist immer nur so sicher wie die Seite, die es nutzt", warnte Hofstetter.

Datenschutz mangelhaft

Kritik übte er auch an der Kampagne an den Universitäten, bei der Studenten die E-Card seit Oktober und noch bis Jänner kostenlos um die Funktion der elektronischen Signatur erweitern lassen können. "Der Datenschutz dabei hätte nicht schlechter sein können", so Hofstetter.

Die Daten der Interessenten - inklusive lesbarer Passwörter - seien auf den Laptops der Tutoren unverschlüsselt als PDF gespeichert und per Mail an diese geschickt worden. "Verliert jemand einen PC, sind alle Daten einsehbar."

Beim zusätzlich gratis an die Studenten verteilten Kartenlesegerät mit Sicherheitsklasse eins von drei muss der Code über den PC eingegeben werden. Man könne daher bei der Wahl eine Software zwischenschalten und die Codes abfangen, so Hofstetter.

Mehr zum Thema:

(APA)