© APA/Matthias Schrader, Menschen bewegen sich vor Siemens-Flaggen

Milliardenbuße für Siemens

KORRUPTION
15.12.2008

Der deutsche Elektrokonzern Siemens hat sich im Schmiergeldskandal in den USA und Deutschland auf die Zahlung von insgesamt fast einer Milliarde Euro geeinigt. US-Justizbehörden schließen weitere Verfahren gegen frühere Topmanager des Unternehmens nicht aus.

Im beispiellosen Schmiergeldskandal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte muss Siemens in den USA und Deutschland rund eine Milliarde Euro Strafe zahlen. Das geht aus Entscheidungen des US-Justizministeriums und der US- Börsenaufsicht SEC sowie der Staatsanwaltschaft München hervor, die am Montag in Washington und München veröffentlicht wurden.

Damit seien die Verfahren gegen das Unternehmen wegen des Vorwurfs der Bestechung von Amtsträgern in beiden Ländern zeitgleich beendet, erklärte Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme am Montagabend in München: "Heute schließen wir eines der unerfreulichsten Kapitel in der mehr als 160-jährigen Geschichte von Siemens im Wesentlichen ab."

US-Justiz ermittelt weiter

Wie das US-Justizministerium ausdrücklich betonte, sind damit aber Verfahren gegen einzelne frühere Topmanager des Unternehmens nicht ausgeschlossen. Der stellvertretende Generalsstaatsanwalt im US-Justizministerium, Matthew Friedrich, machte am Montag in Washington deutlich: "Die Ermittlungen gehen weiter."

Zugleich richtete er massive Vorwürfe gegen das Unternehmen. Das Verfahren habe ergeben, dass "Bestechung nichts weniger als normales Vorgehen" für Siemens gewesen sei. Allerdings habe Siemens danach wichtige Reformschritte unternommen. Ausdrücklich verwies er auch auf die Verstrickung von Siemens-Töchtern in Argentinien, Bangladesch und Venezuela in den Skandal.

600 Millionen Euro an US-Behörden

Rund 600 Millionen Euro der in Deutschland und den USA zu zahlenden Summe entfallen auf ein Bußgeld an das US-Justizministerium sowie eine Gewinnabschöpfung an die SEC. Die Staatsanwaltschaft München verhängte ein Bußgeld über weitere 395 Millionen Euro.

Glimpflich davongekommen

Mit der Gesamtsumme von rund einer Milliarde Euro kommt Siemens glimpflicher davon als zunächst erwartet. Ursprünglich war wegen des Schmiergeldskandals über Strafen von mehreren Milliarden Euro und einen drohenden Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in den USA spekuliert worden.

Die Strafe in den USA ist jedoch fast 20-mal so hoch wie irgendeine andere Strafzahlung anderer ausländischer Unternehmen in den USA wegen solcher Vergehen, hieß es in Washington.

Ex-Finanzminister als Aufseher

Als Auflage aus dem US-Verfahren hat Siemens Ex- Bundesfinanzminister Waigel dazu verpflichtet, die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften bei Siemens zu überwachen.

Dabei geht es auch um Maßnahmen zur Vermeidung von Korruption. Darüber werde Waigel, der für vier Jahre verpflichtet wurde, auch regelmäßig dem US-Justizministerium und der SEC berichten, teilte Siemens mit.

Rückstellungen

In dem Skandal geht es um dubiose Zahlungen von rund 1,3 Milliarden Euro, die zur Erlangung von Aufträgen im Ausland eingesetzt worden sein sollen. Siemens hatte seit Monaten mit den Behörden verhandelt. Insgesamt hatte sich das Unternehmen auf Strafzahlungen wegen des Schmiergeldskandals von einer Milliarde Euro eingestellt und eine entsprechende Rückstellung gebildet.

"Wir freuen uns, dass die enormen Anstrengungen, die in den vergangenen zwei Jahren auf allen Ebenen des Unternehmens geleistet wurden, zu einem schnellen, erfolgreichen und synchronen Abschluss der Verfahren in beiden Ländern geführt haben", teilte das Unternehmen in einer Aussendung mit.

Zwar gebe es noch immer eine Vielzahl von Verfahren auch in anderen Ländern, sagte Cromme. Die jetzt erzielten Einigungen seien aber "sicherlich auch von der Größe der Bußgelder und Strafzahlungen bei Weitem der größte Betrag". Insgesamt hat die Aufarbeitung des Skandals den Konzern bisher 2,5 Milliarden Euro gekostet.

"Verstoß gegen Vorschriften zur Rechnungslegung"

In Washington sprach das US-Bundesgericht Siemens wegen bewusst umgangener und fehlender interner Kontrollen sowie wegen des Verstoßes gegen Vorschriften der Rechnungslegung schuldig. Außerdem haben sich der Entscheidung zufolge drei Siemens-Töchter der Mittäterschaft bei Bestechung strafbar gemacht.

Die Staatsanwaltschaft München wiederum verhängte ihr Bußgeld wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht des früheren Gesamtvorstandes des Konzerns. Die Ermittlungen gegen einzelne Beschuldigte in dem Skandal dauern aber an. Unter anderem wird gegen den früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer wegen Verletzung der Aufsichtspflicht ermittelt. Von ihm und weiteren früheren Vorständen des Konzerns fordert Siemens Schadenersatz in Millionenhöhe.

Neben Heinrich von Pierer belasten die US-Behörden nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" auch den früheren Siemens-Chef Klaus Kleinfeld und vier weitere Manager.

Vorwürfe gegen frühere Siemens-Spitze

Aus den Dokumenten der US-Behörden geht hervor, dass der früheren Führungsspitze um Von Pierer schwere Versäumnisse unter anderem bei internen Kontrollen vorgeworfen werden. Siemens sieht sich durch diese Einschätzungen bestätigt. Sie werden nach den Worten Crommes auch als Basis bei den Schadenersatzforderungen gegen frühere Ex-Manager dienen.

Gewerkschaft fordert Schuldeingeständnisse

Die Gewerkschaft IG Metall forderte die in den Schmiergeldskandal verwickelten früheren Spitzenmanager auf, "Verantwortung und Schuld zu übernehmen für die Lage, in die sie den Konzern durch Schmiergelder und Korruption gebracht haben". Das seien sie dem Konzern und Hunderttausenden von Beschäftigten schuldig.

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(dpa)