© Fotolia/Markus Langer, Sandra Brunsch (Montage), Schere schneidet Internet-Kabel durch

US-Musikindustrie setzt auf Zugangssperren

STRATEGIEWECHSEL
20.12.2008

Der US-Musikindustrieverband RIAA hat seine Klagewelle gegen Urheberrechtsverletzungen im Netz eingestellt und setzt auf die Zusammenarbeit mit Internet-Anbietern. Nutzer, die urheberrechtliche geschützte Musik zum Download bereitstellen, sollen künftig verwarnt werden. Im Wiederholungsfall soll ihnen ähnlich wie beim französischen "Three Strikes Out"-Modell die Leitung gekappt werden.

Man habe Klagen gegen Internet-Nutzer, die urheberrechtlich geschützte Musik tauschen, bereits im August eingestellt, teilte die Recording Industry Association of America (RIAA) am Freitag. Stattdessen habe man Vorvereinbarungen mit zahlreichen führenden US-Internet-Anbietern abgeschlossen.

Ganz dürfte es mit den Klagen der US-Musikindustrie noch nicht vorbei sein. Der Anwalt Ray Beckerman, der auf seinem Blog Recording Industry vs. The People die Klagewelle der RIAA dokumentiert, zählt eine Reihe von Fällen auf, die in den vergangenen Wochen von RIAA-Mitgliedern vor Gericht gebracht wurden.

Die Provider sollen ihre Kunden künftig auf vermeintliche Urheberrechtsverletzungen hinweisen und ihnen im Wiederholfungsfall den Internet-Zugang sperren, hieß es. Möglich sei auch die Drosselung der Zugangsgeschwindigkeit. Mit welchen Providern Vorvereinbarungen getroffen wurden, ist bisher nicht bekannt.

Details der Vereinbarungen mit den Internet-Anbietern müssten noch augearbeitet werden, sagte RIAA-Präsident Cary Sherman zu CNet. Sie könnten von Anbieter zu Anbieter variieren.

Die Gespräche mit den Internet-Anbietern sollen laut "Wall Street Journal" auf Druck des New Yorker Staatsanwalts Andrew Cuomo zustande gekommen sein, der den Massenklagen des Industrieverbands einen Riegel vorschieben wollte.

Massive Klagewelle

Damit beendet der Branchenverband seine vor fünf Jahren gestartete umstrittene Klagewelle gegen Tauschbörsennutzer. Seit 2003 leitete die RIAA rechtliche Schritte gegen rund 35.000 Personen ein, darunter Minderjährige, Tote und alleinerziehende Mütter.

Eine US-Studie hat zuletzt gezeigt, dass Abmahnungen der Unterhaltungsindustrie wegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen oft ungerechtfertigt waren. Sogar Laserjet-Drucker wurden nach Angaben der Forscher von den Ermittlern der Unterhaltungsindustrie verwarnt.

Die Anwaltskosten der RIAA hatten zuletzt die aus Vergleichszahlungen eingenommenen Gelder überstiegen, hieß es in US-Medien. Laufende Verfahren sollen jedoch noch zu Ende gebracht werden, sagte ein RIAA-Sprecher. Die Situation habe sich in den vergangenen Jahren geändert, der Sprecher. Die neue Strategie gegen Urheberrechtsverletzungen verspreche mehr Erfolg.

Erfolg umstritten

Über den Erfolg der Klagewelle des Musikindustrieverbands gibt es geteilte Ansichten. Nach Meinung der RIAA habe die Kampagne dazu beigetragen, den Tausch urheberrechtlich geschützter Musik im Netz einzudämmen.

Nach Statistiken zahlreicher US-Marktforschungsinstitute hat sich die Anzahl der Nutzer in Filesharing-Netzwerken jedoch seit Beginn der Klagewelle im September 2003 mehr als verdoppelt.

Die Strategie der Klagen gegen individuelle Nutzer habe auch dazu geführt, dass sich der Musiktausch in Kanäle verlagert habe, die von der Industrie nur schwer zu kontrollieren seien, kritisierte etwa die Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation (EFF) im vergangenen Oktober.

Die EFF macht sich seit längerem für das Konzept der Kulturflatrate stark. Dabei sollen User, die Musik aus Online-Tauschbörsen herunterladen, pauschal fünf Dollar Lizenzgebühr pro Monat an eine zentrale Verwertungsagentur zahlen, die das Geld dann an Industrie und Künstler verteilt.

Zuletzt lotete auch der Musikkonzern Warner Music an US-Universitäten die Bereitschaft aus, den Download von Musik aus Filesharing-Netzwerken mit einer Art Pauschalgebühr abzugelten.

"Lange überfällig

EFF-Anwalt Fred von Lohmann bezeichnete die Entscheidung der RIAA, die Massenklagen zu stoppen, am Freitag als "lange überfällig". Netzsperren für Nutzer, die vermeintliche Urheberrechtsverletzungen begehen, seien jedoch die falsche Lösung.

Beschuldigte seien der Willkür der Musikindustrie ausgesetzt, Fehlentscheidungen seien nicht zu vermeiden, kritisierte von Lohmann. Er sprach sich für eine Art Pauschalgebühr für Musik aus dem Netz aus. Damit wäre auch sichergestellt, das die Arbeit der Künstler vergütet werde.

Netzsperren auch in Europa Thema

Der Musikindustrieverband nimmt mit seinem Vorstoß auch Anleihen bei US-Filmstudios, die seit mehr als einem Jahr mit ausgewählten US-Internet-Anbietern zusammenarbeiten, um Urheberrechtsverletzungen in ihren Netzen zu unterbinden.

Netzsperren nach Urheberrechtsverletzungen sind auch in Europa Thema. Eine entsprechende gesetzliche Regelung wird in Frankreich vorbereitet. Dabei ist die Schaffung einer Regierungsbehörde vorgesehen, die mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet werden soll. Sie soll auf Zuruf der Rechteinhaber vermeintliche Urheberrechtsverletzer kontaktieren, verwarnen und bei wiederholten Verstößen die Sperre der Zugänge anordnen ("Three Strikes Out").

Zuletzt wurde seitens der französischen EU-Ratspräsidentschaft versucht, legistische Grundlagen für die umstrittenen Netzsperren nach wiederholten Urheberrechtsverletzungen auch im EU-Telekompaket zu verankern. Das EU-Parlament hat den Plänen eine klare Absage erteilt.

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(futurezone/AP)