Machtwechsel bei der Deutschen Telekom
Kai-Uwe Ricke, Chef der Deutschen Telekom, legt sein Amt nieder. Rene Obermann, Geschäftsführer bei T-Mobile, wird ihm voraussichtlich an der Spitze des größten europäischen Telekomkonzerns ablösen.
Wie die Deutsche Telekom am späten Sonntagabend nach einer Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums mitteilte, scheide Ricke im Einvernehmen mit dem Gremium bereits heute, Montag, aus seinem Amt.
Der Aufsichtsrat wird sich am selben Tag mit seiner Nachfolge befassen. Rickes Vertrag wäre regulär im November 2007 ausgelaufen. Aufsichtsratskreisen zufolge soll der Chef der Konzerntochter T-Mobile, Rene Obermann, Rickes Nachfolger werden.
Schon seit Freitag hatten verschiedene deutsche Medien gemeldet, dass Ricke von den DT-Eigentümern aus dem Amt gejagt wurde.
Atmosphärische Störungen
Als Grund für den Wechsel an der Konzernspitze gilt der Kundenrückgang in der Festnetzsparte T- Com, der sich auch im dritten Quartal ungebremst fortsetzte. Seit Jahresbeginn kehrten über 1,5 Millionen Kunden der Telekom den Rücken.
Für Rickes Abgang machten sich der Finanzinvestor Blackstone und der Bund stark, die mit seiner Führung nicht mehr einverstanden waren, wie eine mit den Vorgängen vertraute Person sagte. Blackstone habe schon im September auf einen Rauswurf von Ricke gedrängt, was Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel und der Bund aber abgelehnt hätten.
Mittlerweile sei das Verhältnis zwischen Zumwinkel und Ricke aber merklich abgekühlt, hieß es. Auf einer inoffiziellen Sitzung des Aufsichtsrates nach der Vorlage der Quartalszahlen am Donnerstag habe Zumwinkel den Vorstandsvorsitzenden massiv kritisiert. "Da hat es richtig gekracht", hieß es.
Kai-Uwe Ricke: Aufstieg und Fall
Nach genau vier Jahren im Amt ist der 45-jährige Telekom-CEO von seinen wichtigsten Aktionären abgesetzt worden. Ricke saß seit Mai 2001 im Aufsichtsrat der DT, im Sommer 2002 erklomm er den Chefsessel der Telekom. Bevor ihn der damalige DT-Chef Ron Sommer in sein Unternehmen holte, leitete Ricke den deutschen Mobilfunk-Dienstleister Talkline. Seine Karriere begann der gelernte Bankkaufmann und Betriebswirt beim Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann.
Gemeinsam mit Sommer hatte Ricke 2000 den spektakulären und vielfach kritisierten Kauf des US-Mobilfunkbetreibers VoiceStream eingefädelt. Der gewaltige Kaufpreis von rund 40 Milliarden Euro ließ nicht nur den Kurs der T-Aktie einbrechen, sondern auch die Verbindlichkeiten steigen. Neben teuren Firmenzukäufen belasteten außerdem die enormen UMTS- Kosten die Bilanzen des Unternehmens über Jahre.
Gescheitert ist Ricke aber am Ende an dem heftigen Gegenwind, den die Wettbewerber auf dem deutschen Telekom-Markt entfachten: Allein in diesem Jahr kehrten bislang mehr als 1,5 Millionen Kunden der Telekom den Rücken - weil Kampfpreise und attraktive Pakete der Konkurrenz im zusammenwachsenden Geschäft mit Telefonieren, Internet und Unterhaltung vielen verlockend erschienen.
Berichte bestätigt
Bereits seit Freitag wurde in der Öffentlichkeit wieder heftig über Rickes Zukunft an der Telekom-Spitze spekuliert. Mehrere Zeitungen hatten übereinstimmend berichtet, Ricke solle schon bald durch Obermann ersetzt werden.
Den Kreisen zufolge könnte daher auch T-Com-Chef Walter Raizner abgelöst werden. Die Entscheidung über diese Personalie soll erst später fallen. Raizner sei kein Thema auf der Sitzung am Sonntag gewesen.
Schwankender Gigant: Die Deutsche Telekom
Die Deutsche Telekom AG ist mit rund 60 Milliarden Euro Umsatz Europas größter Telekomkonzern. Das Unternehmen mit seinen 245.000 Mitarbeitern steht auf seinem Heimatmarkt unter einem enormen Wettbewerbsdruck, der vor allem die Festnetzsparte T-Com belastet. Seit Anfang 2006 wechselten 1,5 Millionen Kunden zur Konkurrenz.
Kritik erntet die DT vor allem für ihre schwache Serviceleistung. Mit der Auslagerung von 45.000 Service- und Callcenter-Mitarbeitern will die Gesellschaft nun die Qualität verbessern und die Kosten deutlich drücken. Die Gewerkschaft ver.di hat die Umstrukturierung kritisiert, da der Abbau weiterer Arbeitsplätze drohen könnte.
Ein immer größeres Gewicht gewinnt die amerikanische Mobilfunktochter T-Mobile USA (früher VoiceStream), die T-Com als größte Einzelgesellschaft im Konzern ablösen soll. Zum Ausbau des US- Geschäfts sind milliardenschwere Investitionen in die Netzabdeckung geplant.
In Österreich ist das Unternehmen mit dem Mobilfunkprovider T-Mobile, dem Internet-Anbieter T-Online sowie seiner Technologietochter T-Systems präsent. Im April 2006 übernahm T-Mobile den heimischen Anbieter Telering.
Nervöse Investoren
Die Telekom hatte vor allem wegen der Schwäche von T-Com im August ihre Prognose für 2006 und 2007 deutlich gesenkt, was den Aktienkurs einbrechen ließ. "Blackstone hat dabei viel Geld verloren und seitdem ist das Verhältnis zu Ricke gestört", hieß es im Umfeld des Finanzinvestors, der 4,5 Prozent der Telekom-Aktien hält und einen Posten im Aufsichtsrat besetzt. Der Bund ist mit rund einem Drittel der wichtigste und mit Abstand größte Anteilseigner der Telekom.
Ricke hatte vor vier Jahren den Chefposten bei Europas führendem Telekomkonzern von Ron Sommer übernommen. Ursprünglich wollte der Aufsichtsrat der Telekom am 5. Dezember über eine Verlängerung seines Vorstandsvertrags entscheiden.
Ricke hatte erst am Donnerstag bei der Präsentation der Neun-Monats-Zahlen betont: "Wir haben im Wettbewerb eine neue Stärke gewonnen." Im Inlandsgeschäft habe sich die Umsatzentwicklung stabilisiert und im Ausland legten die Erlöse weiter zu. Mit Blick auf die Tarifreform vom September hatte Ricke gesagt: "Das macht richtig Spaß, wir konkurrieren jetzt auf Augenhöhe mit den Wettbewerbern."
Der Neue: Rene Obermann
Rene Obermann gilt als enger Vertrauter von Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke. Als der Konzernchef wurde, löste ihn Obermann an der Spitze der Mobilfunksparte ab.
Der 1963 geborene Obermann kam 1998 zur Deutschen Telekom. Unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Ron Sommer war Obermann zunächst für den Vertrieb der deutschen Mobilfunktochter zuständig, wurde dann 2000 Vorsitzender der Geschäftsführung und machte T-Mobile Deutschland zum Marktführer vor Vodafone D2.
Obermann blickt auf eine lange Karriere im Mobilfunkgeschäft zurück. Der gebürtige Düsseldorfer, der bei BMW eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte, brach sein Studium der Volkswirtschaftslehre nach dem Vordiplom ab. Stattdessen steckte er seine Energie in die von ihm 1986 gegründete ABC Telekom. Die schnell wachsende Münsteraner Firma, die mit Telefonen, Anrufbeantwortern und Kopierern handelte, wurde 1991 von der Hongkonger Hutchison Whampoa übernommen.
Obermann fungierte anschließend als Geschäftsführender Gesellschafter der Hutchison Mobilfunk GmbH und war von 1994 bis 1998 Vorsitzender der Geschäftsführung des Mobilfunk-Service-Betreibers, bevor er von Ron Sommer zur Telekom geholt wurde.
Kritiker der Übernahme des US-Anbieters VoiceStream, die Sommer zusammen mit Ricke vorantrieb, sind heute verstummt. Die US-Mobilfunktochter ist der Wachstumsmotor im Konzern. Erst jüngst ersteigerte T-Mobile USA, der mit Abstand kleinste, aber am schnellsten wachsende von vier USA-weiten Anbietern, weitere Mobilfunkfrequenzen.
Unter der Führung von Obermann festigte T-Mobile trotz des harten Preiswettbewerbs die Marktführerschaft in Deutschland, stärkte sein Geschäft in Österreich und Polen mit den Übernahmen von Telering und PTC.
(dpa | Reuters | futurezone)