MP3-Abos, Mixtapes und Musiksoftware
Der futurezone.ORF.at-Rückblick auf das Jahr 2008 im digitalen Musikbereich: Zehn Dienste und Produkte, die uns im vergangenen Jahr interessiert haben - von Online-Musikshops über Playlist-Sharing-Sites bis hin zu Sound-Datenbanken, Firefox-Add-ons und reaktiver Musiksoftware.
Im digitalen Musikgeschäft herrschte auch 2008 alles andere als Stillstand. futurezone.ORF.at hat zehn Dienste und Produkte ausgewählt, die aktuelle Entwicklungen im digitalen Musikbereich repräsentieren. Einige gibt es seit längerem, andere sind bereits wieder verschwunden oder befinden sich noch in der Testphase. Kriterien für die Auswahl waren unter anderem innovative Aspekte des Angebots und Nutzwert für die Zielgruppe. Neben internationalen Diensten sollten auch österreichische Angebote Platz finden. Ergänzungen (über die Kommentarfunktion) sind willkommen.
EMusic
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Beschränkungen durch Digital-Rights-Management-Systeme (DRM) im Online-Musikhandel sollten eigentlich seit längerem Geschichte sein. Kopierschutzfreie Tracks, die auf allen gängigen Musik-Playern abgespielt werden können, waren im Großteil der für österreichische Kunden zugänglichen Online-Musikdienste jedoch auch 2008 Mangelware. Der US-Online-Musikanbieter eMusic, der seit 2006 auch für europäische Kunden offen ist, bietet hingegen seit acht Jahren MP3-Files ohne Kopierschutzbeschränkungen und Wasserzeichen im Abo an.
Nach den Angeboten der großen Musikkonzerne sucht man auf eMusic zwar vergeblich, dafür bietet der Dienst ein mehr als vier Millionen Titel umfassendes Repertoire von unabhängigen Labels und Musikern aus den Bereichen Pop, Rock, Alternative, Jazz, Electronica, Hip-Hop und Klassik an. Downloads kosten je nach gewähltem Abomodell (30, 50 oder 75 Songs pro Monat) zwischen 28 und 45 Cent. Die Preise laden dazu ein, Musik auf Verdacht herunterzuladen. Ein ausgefeiltes Empfehlungssystem weist den Weg zur Entdeckung neuer Musik.
"Comes with Music"
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Die Musikwirtschaft versuchte im vergangenen Jahr, Internet-Anbietern und Hardware-Herstellern Flatfee-Modelle schmackhaft zu machen. Internet-Nutzer und Mobilfunkkunden sollten dabei scheinbar kostenlos Zugriff auf ein breites Repertoire an Musik bekommen. Die Kosten für die Songs sollten über den Gerätekauf oder den Internet-Anschluss abgegolten werden.
Als einer der Vorreiter für ein solches Modell startete der finnische Handyhersteller Nokia Mitte Oktober in Großbritannien seinen Musikdienst "Comes with Music". Käufer ausgewählter Handys der Nokia-N-Reihe können ein Jahr lang auf mehr als zwei Millionen Songs zugreifen und diese nach Ablauf der Jahresfrist auch behalten. Allerdings kann die Musik nur auf registrierten Geräten (Handy und PC) wiedergegeben werden. Auf CD lassen sich die Ttitel auch nicht brennen. In Österreich soll "Comes with Music" 2009 starten. Andere Anbieter bereiten ähnliche Modelle vor.
Ob das Konzept aufgeht, wird sich weisen. Branchenbeobachter vermuten jedoch, dass sich solche Dienste erst dann durchsetzen werden, wenn die Musik ohne Nutzungsbeschränkungen angeboten wird.
Orangemusic
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Creative-Commons-Lizenzen werden mittlerweile von zahlreichen Bands und Musikern genutzt, um ihre Musik im Netz bekannter zu machen. Die Künstler können dabei selbst bestimmen, welche Rechte sie an ihren Werken abgeben. Fans und Hörer dürfen die Musik weitergeben und tauschen, ohne Klagen durch Rechteinhaber befürchten zu müssen.
Die im vergangenen Jahr gestartete Plattform Orangemusic bietet Creative-Commons-lizenzierte Musik aus Österreich im MP3-Format (192 kBit/s) zum kostenlosen Download an. "Wir wollen zeigen, was freie Lizenzen für Musiker leisten können", sagte Orangemusic-Gründer Martin Aschauer zu ORF.at. Noch ist das Angebot überschaubar. Aber das kann sich ja noch ändern.
All that sounds
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Rund 3.500 Sounds für Medienproduzenten und Sound-Enthusiasten enthält die im Mai vergangenen Jahres gestartete österreichische Sound-Datenbank All that sounds.
Weil Sounds schwer zu beschreiben und deshalb auch nicht einfach zu finden sind, hilft eine Kombination aus Beschlagwortung durch die Nutzer und künstlicher Intelligenz bei der Suche nach den Geräuschkulissen für Videos, Filme, Werbung und Computerspiele.
Die in der Bibliothek enthaltenen Sounds wurden allesamt unter eine Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht und können für nichtkommerzielle Zwecke kostenlos verwendet werden. Noch befindet sich die an der Fachhochschule St. Pölten entwickelte Sound-Datenbank in der Betaphase.
Sellaband
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Die Online-Musikplattform Sellaband überträgt das im Netz weit verbreitete Prinzip des "Crowdfunding" ("Schwarmfinanzierung") auf den Musikbereich. Fans übernehmen die traditionellen Aufgaben der Plattenfirmen. Sie finanzieren die Produktionen und wählen Bands und Musiker aus. Im Gegenzug werden sie an den Einnahmen aus der Musik beteiligt.
Derzeit tummeln sich fast 10.000 Bands auf der Plattform. 29 davon konnten bislang die für die Produktion einer CD notwendigen 50.000 Dollar aufbringen. Darunter auch die beiden österreichischen Bands SolidTube und ConFused5.
Muxtape (R.I.P.)
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Die im März vergangenen Jahres gestartete und auf Druck der Musikindustrie nach wenigen Monaten wieder geschlossene Playlist-Sharing-Site Muxtape bestätigte eindrucksvoll, dass weniger oft mehr ist. Muxtape reduzierte Playlisten im Internet auf das Wesentliche - die Musik. Zwölf Songs pro Nutzer konnten auf die Seite geladen und gestreamt werden. Mehr ging nicht.
Innerhalb weniger Monate zählte der Dienst mehrere hunderttausend Nutzer. Auch zahlreiche Bands und Labels nutzten Muxtape zur Promotion ihrer Musik. Rechtlich stand das Service jedoch auf tönernen Beinen. Nach Klagedrohungen der US-Musikindustrie musste Muxtape schließlich im August 2008 den Betrieb einstellen. 2009 will das Start-up als Dienstleister für Bands einen Neustart versuchen.
Bopaboo
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Ein US-Start-up mit dem etwas gewöhnsbedürftigen Namen bopaboo will einen Flohmarkt für MP3s im Netz etablieren. Damit die Musik-Files nicht mehrfach verkauft werden können, sollen sie mit einem digitalen Fingerabdruck versehen werden. Die Nutzer sollen sich darüber hinaus verpflichten, zum Verkauf hochgeladene MP3s von ihrer Festplatte zu löschen.
Ob das funktioniert sei dahin gestellt. Daneben dürften sich den Betreibern der Plattform auch eine Reihe rechtlicher Fragen stellen. Die Macher des Dienstes sind dennoch zuversichtlich: Ein Zweitmarkt für digitale Medien steigere deren Wert, weil Konsumenten einen Teil des Kaufpreises durch den Weiterverkauf wieder einbringen könnten. Davon würden auch die Rechteinhaber profitieren, gab sich bopaboo-Gründer Alexander Meshkin zuversichtlich. Noch ist der Dienst nur für Nutzer aus den USA und Großbritannien zugänglich. Im Laufe des kommenden Jahres soll bopaboo auch in anderen Ländern genutzt werden können.
Pirates of the Amazon
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Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit: Zwei Studierende des Studiengangs Mediendesign am Piet Zwart Instituut in Rotterdam verbanden Anfang Dezember mit dem Firefox-Add-on Pirates of the Amazon zwei Internet-Größen auf naheliegende Art und Weise.
Wer beim Online-Einzelhändler Amazon nach Musik, Filmen oder Büchern suchte, bekam über die Browser-Erweiterung den Verweis auf den kostenlosen Download der gewünschten Inhalte über die Torrent-Tracker-Site The Pirate Bay geliefert.
Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung ließen Amazon-Anwälte das Add-on aus dem Netz entfernen. Pirates of the Amazon sei als Parodie des Medienkonsumismus zu verstehen, ließen die Studenten daraufhin wissen. Mit dem Projekt sollte auf die Diskrepanz zwischen gegenwärtiger Mediendistribution und zeitgemäßen kulturellen und technologischen Vertriebsmöglichkeiten hingewiesen werden.
Rebeat Digital
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Musik in Online-Musikshops unterzubringen ist für viele unabhängige Bands und Musiker kein leichtes Unterfangen. Das Tullner Unternehmen Rebeat Digital bietet mit seiner gleichnamigen Software Unterstützung beim Vertrieb der Musik im Netz.
Über Rebeat Digital können Songs mit Metadaten versehen und auf die Server des Unternehmens gespielt werden. Von dort werden sie an weltweit rund 300 Online-Musik-Shops, von Amazon bis iTunes, ausgeliefert. Neben den Kosten für Software (99 Euro) und Speicherplatz verdient Rebeat Digital 15 Prozent vom Großhandelspreis von jedem verkauften Track. Mehr als 800 Labels, Musiker und Tonstudios aus 20 Ländern nutzen das Service, das vor allem im angloamerikanischen Raum wachsen will, bereits.
RjDj und Bloom
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Einen Ausblick auf die Zukunft digitaler Musikformate geben die als iPhone-Applikationen verfügbaren Musikprogramme RjDj und Bloom. RjDj wurde vom österreichischen last.fm-Mitbegründer Michael Breidenbrücker konzipiert und verarbeitet Umweltgeräusche, die über das Mikrofon des Apple-Handys aufgenommen werden, zu Echtzeit-Soundcollagen.
Die Musiksoftware Bloom des Ambient-Pioniers Brian Eno ist Instrument und Lichtinstallation im Taschenformat. Mit dem Finger lassen sich Noten auf dem Touchscreen setzen, die nach einiger Zeit wiederholt werden. Alternativ erzeugt das Programm selbst Tonfolgen und springt ein, wenn Bloom nicht aktiv genutzt wird.
Fertige Tracks gibt es bei beiden Programmen nicht. Musik entsteht in Zusammenarbeit mit den Nutzern und klingt immer anders. Ist die Tonkonserve ein Auslaufmodell, das nur noch Nostalgiker und Modernisierungsverlierer anspricht?
(futurezone/Patrick Dax)