© Fotolia/Corgarashu , Konferenzraum

Mehr Transparenz bei EU-Entscheidungen

INFORMATIONSFREIHEIT
14.01.2009

Das Europaparlament hat am Mittwoch mehrheitlich beschlossen, dass seine Abgeordneten Budgets und Ausgaben im Netz bekanntgeben müssen. Ebenso sollen Statistiken über Anwesenheit, Abstimmungsverhalten und Mitarbeit in Gremien von allen Abgeordneten veröffentlicht werden.

Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament (355 Ja-, 195 Nein-Stimmen, 18 Enthaltungen) den Bericht des italienischen Abgeordneten Marco Cappatato (Liberale) angenommen, der mehr Transparenz und Offenheit fordert. Ziel der Parlamentarier ist ein Rechtsakt der EU zur Informationsfreiheit für ihre Bürger, ähnlich dem "Freedom of Information Act" der USA.

Die Abgeordneten verweisen auf eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der den EU-Institutionen recht deutlich die Leviten gelesen hatte.

Der Spruch des EuGH

Demokratische Organe hätten die Pflicht, die Öffentlichkeit ihrer Tätigkeiten, Dokumente und Beschlüsse zu gewährleisten, "was eine Voraussetzung für ihre Rechtmäßigkeit, Legitimität und Verantwortlichkeit ist".

Ausnahmen müssten streng ausgelegt und gegen das überwiegende öffentliche Interesse an der Verbreitung abgewogen werden. Jede Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten müsse "substantiiert" begründet werden, sprach das oberste Rechtsorgan der Union.

Die Kommission

Mit der Entscheidung vom Mittwoch stellte sich das Parlament hinter den Europäische Ombudsmann. Der hatte der EU-Kommission im Juni 2008 vorgeworfen, das Bürgerrecht auf Zugang zu Dokumenten einschränken zu wollen.

Das "Management" der Europäischen Union, die Kommission, hatte Ende April Pläne zur Änderung der Verordnung zur Informationsfreiheit verlauten lassen, die einige Finessen beinhaltet hatten.

Neben lauter Zustimmung zum Transparenzgebot des EuGH kam eine Klausel, die eine EU-Institution selbst bestimmen lässt, was sie als "Dokument" betrachtet und was nicht. Papiere, die nicht als "Dokumente" klassifiziert werden, wären von der Transparenzpflicht logischerweise ausgenommen.

Mahnung an den Ministerrat

Am wenigstens betreffen diese deutlichen Worte das Parlament, die Aufforderung gilt vielmehr den zwei anderen der drei EU-Säulen, die es an Offenheit fehlen lassen. In erster Linie betrifft das den Ministerrat, der seit eh und je hinter verschlossenen Türen tagt und nur das an Information an die Öffentlichkeit durchlässt, was ihm gerade zupass kommt.

Der EU-Ministerrat besteht aus den nationalen Ministern aller 27 Mitgliedsstaaten, von der weniger informierten Öffentlichkeit wird er freilich in der Regel mit "der EU" gleichgesetzt.

Keine Namen, Protokolle

Das Parlament fordert daher insbesondere den Ministerrat dazu auf, seine Vorschriften zu revidieren, um die "Öffentlichkeit aller Debatten, Dokumente und Informationen" zu ermöglichen.

Dabei müssten die Identität der Delegationen der Mitgliedsstaaten im Rat und dessen Arbeitsgruppen bekanntgegeben und Mitschriften der Sitzungen vertöffentlicht werden. Bis jetzt wusste man in der Regel nämlich nie, wie die Arbeitsgruppen jeweils zusammengesetzt sind, denen die Vorbereitung der Ratsbeschlüsse obliegt.

Das Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz wiege schwerer als die Ausnahme zugunsten des Schutzes des Entscheidungsprozesses der Minister, so das Parlament.

Statistiken über Abgeordnete

In Bezug auf Öffentlichkeit, Transparenz und Offenheit müsse das Parlament in der EU eine Vorreiterrolle spielen, verlangen die Abgeordneten.

Noch vor der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2009 sollten zusätzliche Informationen etwa über Aktivitäten der Abgeordneten sowie ihre Beteiligung und Anwesenheit bei parlamentarischen Arbeiten "in absoluten, relativen und Prozentzahlen" vorgelegt werden. Also wie viele Tage jedes Mitglied im Parlament und seinen Gremien anwesend war und wie es dabei abgestimmt hat.

Am Beispiel Telekompaket

Eines der häufigen Beispiele, wie der Rat mit Beschlüssen des Parlaments umgeht, zeigte sich bei den Verhandlungen zum Telekompaket. Erst hatte sich eine überwältigende Mehrheit (573 zu 74) der Abgeordneten für einen Paragrafen (Zusatz 138 zur Universaldiensterichtlinie) ausgesprochen, der Internet-Sperren ohne Richterbeschluss a la Frankreich unmöglich machen würde.

Hernach tagte der Ministerrat - noch unter der französischen Ratspräsidentschaft -, der den Paragrafen kommentarlos aus dem Richtlinienpaket strich.

- Netzsperren: Österreich bietet Sarkozy im Ministerrat die Stirn

Bessere EU-Websites

Zudem sollten Informationen über die Vergütungen und Ausgaben der Abgeordneten sowie die Erklärung der finanziellen Interessen aller Parlamentsmitglieder in allen Amtssprachen der EU zur Verfügung gestellt werden.

Zudem sei es unabdingbar, die Websites der EU-Organe zu verbessern, zu vereinfachen und zu vervollständigen. Ebenso müsse auch eine funktionsfähige interinstitutionelle Suchmaschine her, die den Zugang zu Dokumenten und Informationen für die Öffentlichkeit benutzerfreundlicher mache.

Anmerkung

Gerade vom Inhalt des letzten Absatzes kann der Berichterstatter ein Liedchen singen, allerdings ein durchwegs garstiges: von teilweise miserabel konfigurierten und ebenso benutzerunfreundlichen Suchmaschinen auf den EU-Websites, während in Zeiten von YouTube aus dem Parlament Live-Webcasts noch immer ausschließlich als Windows-Media-Files zu haben sind.

Die drei Säulen der EU:

(futurezone/Erich Moechel)