"Papermint": Hütteldorf - Redmond und retour
Zwei Jahre ist die in Österreich entwickelte 3-D-Welt "Papermint" nun online, doch das große Geld blieb bisher aus. Ein Geschäft mit einem großen US-Software-Konzern aus Redmond scheiterte kurz vor Vollendung, nun muss "Papermint" fast wieder von vorne anfangen. Doch die Entwickler der Wiener Firma Avaloop sehen das gelassen: "Wir haben unendlich viel dabei gelernt."
Als "Papermint" Anfang 2007 startete, waren Online-Welten besonders angesagt. Der Hype um "Second Life" erlebte einen Höhepunkt nach dem anderen, Schweden etwa hatte gerade angekündigt, die erste Botschaft dort eröffnen zu wollen, und IBM träumte offiziell vom 3-D-Internet.
Die Zukunft der kunterbunten Online-Welt "Papermint", in der sich alles um die Kommunikation der Spieler miteinander dreht, wobei in Form von Spielen und kleinen Aufgaben der Spaß nicht zu kurz kommen soll, hätte nicht rosiger aussehen können.
Heute beschäftigt Avaloop, die Firma hinter "Papermint", fünf Mitarbeiter. Ende 2008 waren es noch zwölf. Die Entwicklung von "Papermint" sei fertig, mehr Mitarbeiter brauche es derzeit nicht, sagen Erfinder Lev Ledit und Chefprogrammiererin Claudia Kogler.
"Viel Arbeit, viel Stress, viel Positives"
Trotz aller Widrigkeiten seien die letzten zweieinhalb Jahre die aufregendsten ihres Lebens gewesen, sind sich Ledit und Kogler einig: "Es war viel Stress, viel Arbeit, aber auch sehr viel Positives dabei. Und wir haben unendlich viel dabei gelernt." Selbst die Entbehrungen seien spannend gewesen. "Dass es 'Papermint' noch gibt, liegt daran, dass so viele Menschen daran glauben", meint Ledit.
So war das Projekt am Anfang nur auf vier Monate finanziert gewesen, um neues Geld zu bekommen, ging "Papermint" als Betaversion Anfang 2007 online, obwohl die laut Eigendefinition "Online-Welt mit stark spielerischem Ansatz" noch gar nicht fertig war. Mit Coca-Cola wurde dann beim Start auch der erste Untermieter mit eigener Insel vorgestellt. "Wir haben dann gemerkt, dass es immer irgendwie weitergeht", so Ledit.
Die Entwicklung von "Papermint"
In ihrem sehr persönlichen "Liebesbrief an Papermint" beschreibt Barbara Lippe, die als Art-Direktorin für das Design von "Papermint" verantwortlich ist, die Entwicklung von Avaloop und "Papermint". Darin führt sie auch die Verhandlungen und Wirrungen rund um den geplatzten Deal aus: "Ich war naturgemäß etwas skeptisch ('Was soll das, was wollen die von uns? Wir passen ja gar nicht zu denen?!' dachte ich mir) – und antwortete: 'Nein danke, wir sind nur an der Konkurrenz interessiert (die war zu der Zeit die Nintendo Wii, die sich um ein Vielfaches mehr verkaufte als die besagte amerikanische Hi-Rez-Hi-Def-Konsole)'."
Die Episode mit "Big M" aus Redmond
Bis heute haben die Entwickler mit "Papermint" nichts verdient - sie zahlen alles selbst, unterstützt unter anderem von öffentlichen Förderungen: "Ohne die würde es uns nicht geben", so Ledit. So haftet der Bund für einen Kredit, von der städtischen Wiener Kreativitätsförderungsagentur Departure gab es ebenfalls Geld.
Auch das große Geschäft stand im Mai 2007 vor der Tür, und zwar, wie Designerin Barbara Lippe in ihrem online publizierten "Liebesbrief an Papermint" schreibt, in Form der "größten Computerfirma der Welt" mit dem Kürzel "M" und Sitz in Redmond. Bis Mitte 2008 zogen sich die Verhandlungen, der Umzug auf die Konsole scheiterte schließlich am Flop von "Die Sims Online", die ein neuer Topmanager während seiner Zeit bei Electronic Arts zu verantworten hatte. Anfang Juni letzten Jahres wurde der bereits unterschriebene Vorvertrag aufgelöst.
"Man kann einfach nicht aufhören"
"Für uns war die Zeit extrem spannend, es wurde auf einmal alles um viele Dimensionen größer skaliert. Sie waren richtig begeistert von unserem Projekt. Auch international gab es viel positives Feedback, auch Peter Molyneux kennt 'Papermint'", erzählt Ledit, der auf Nachfrage nicht offiziell bestätigten mochte, dass es sich bei "Big M" tatsächlich um jenes Unternehmen handelt, das dem Kundigen beim Stichwort "Redmond" in den Sinn kommt.
"Nach dem endgültigen Aus waren wir einerseits traurig, aber auch froh, weil wir mit Millionen Nutzern hätten rechnen müssen", so Kogler und fügt lächelnd hinzu: "Wir reden es uns schön." Selbst damals sei ihnen nie der Gedanke gekommen, das Projekt zu begraben: "Man kann einfach nicht aufhören. Wir haben beschlossen, wir machen es jetzt fertig und dann schauen wir weiter."
2009 im Zeichen des Neustarts
Die Aufbau der Community, deren Pflege während der Verhandlungen mit Redmond größtenteils brachlag, sei derzeit ihre größte Motivation, so Kogler und Ledit. Am 28. Jänner geht "Papermint" in der Version 1.0 mit leichten Interface-Adaptierungen und laut Entwicklern "allen notwendigen Features" online, ab dann soll die Online-Welt wieder durchstarten. Derzeit sind rund 5.000 Menschen registriert, die Mehrheit davon stammt noch aus der Startzeit.
Mehr zu der Idee hinter Papermint und den Möglichkeiten der Online-Welt gibt es in "Digital.Leben" um 16.55 Uhr in Ö1 zu hören. Die Sendung ist auch kostenlos als Podcast über iTunes zu beziehen.
"Man wird realistischer"
Die Frage, ob sie heute wieder alles so machen würden, bejahen beide. Für Kogler war es vor allem eine Zeit des persönlichen Wachstums: "Wenn man auf alles direkten Einfluss hat, macht das viel Spaß und man lernt auch viel - selbst bei einer Due-Diligence-Prüfung."
Auch Ledit hat aus den Erfahrungen profitiert: "2004 ist mir erstmals die Idee zu 'Papermint' gekommen, ich habe mittlerweile einen großen Teil meines Lebens mit der Umsetzung verbracht. Man wird realistischer, ich weiß heute, wie schwer es ist, große Projekte umzusetzen. Wenn man es sich am Anfang durchrechnet, denkt man sich, das kann gar nicht gehen, aber es ging dann doch alles."
(futurezone/Nadja Igler)