Abschaltung von Analog-TV verschoben
Das für den 17. Februar geplante Aus des analogen Fernsehens in den Vereinigten Staaten wird vorerst um vier Monate verschoben. Millionen US-Haushalte verfügen noch über keine oder nur schlecht funktionierende Set-Top-Boxen. Die demokratische Mehrheit im Senat hat ein diesbezügliches Ersuchen des kommenden Präsidenten angenommen.
Noch ist die neue Regierung Barack Obama nicht angelobt, auch die seit Wochen erwartete Berufung eines "Chief Technical Officer" ist noch nicht erfolgt. Hinter den Kulissen mischt sich die kommende Regierung aber bereits sehr aktiv in technopolitische Entscheidungen ein.
Am Donnerstag brachten die Demokraten einen Antrag des Inhalts ein, die für den 17. Februar geplante Abschaltung des analogen terrestrischen Fernsehens vorerst um vier Monate zu verschieben.
Die Betroffenen
Konsumentenschützer hatten darauf hingewiesen, dass Millionen Haushalte, die bis jetzt noch keine Set-Top-Boxen für terrestrischen Digitalempfang erworben hätten, über Nacht von allen Informationen abgeschnitten würden. Die Schätzungen variieren zwischen zwei und zehn Millionen Haushalten, die davon betroffen wären.
Die abtretende Regierung George W. Bush hatte zwar massenhaft Bezugsscheine an Arbeitslose, Empfänger von Sozialhilfe und Pensionisten postalisch verschickt, die Aufmerksamkeit der Adressaten erreichte man vielfach jedoch nicht.
Obama ersucht
Ein Teil der Koupons landete unbeachtet im Müll, aber auch viele, die eingelöst wurden, brachten kein Digital-TV ins Haus, da die Boxen schlecht oder gar nicht funktionierten. Die Geräte seien genauso viel wert, wie sie gekostet hätten, nämlich nichts, ist der erboste Tenor von Technikern und Betroffenen in einschlägigen US-Foren zum Thema Digital-TV.
Was ebenfalls danebenging
Neben der missglückten Verteilung von digitalen Set-Top-Boxen ist bei der Umsetzung der "digitalen Dividende" freilich noch anderes entscheidend schiefgegangen. So wird es trotz 9/11 und des Hurrikans "Katrina" auf absehbare Zeit kein digitales System für Rettungsdienste geben.
Im Gegensatz zum kommerziell interessanten C-Block war der D-Frequenzblock, in dem ein Kommunikationsnetzwerk für US-Rettungsdienste aufgezogen werden soll, nicht umkämpft. Da niemand den Mindestpreis geboten hatte, wird auch vorerst niemand ein digitales landesweites Datenfunknetz für Feuerwehr, Rettung und andere zivile Blaulichtdienste aufbauen.
Gegenüber dem Branchendienst RCR Wireless sagte der demokratische Senator Jay Rockefeller, dass die Nation momentan noch nicht für einen Umstieg gerüstet sei. Und weil die Regierung Bush den Umstieg so vermasselt habe, habe Obama den Kongress ersucht, die Abschaltung zu verschieben.
Die Telekoms
Gegen diese Verschiebung protestieren vor allem jene Telekoms, die bei der Auktion des frei werdenden Spektrums im Bereich von 700 MHz zusammen 20 Milliarden Dollar hingeblättert hatten. Mobilfunk-Marktführer Verizon warnte, dass sich die Errichtung des geplanten mobilen Breitbandnetzes (mit dem europäischen Stadard LTE) verzögern werde, auch AT&T sprach sich gegen Verschiebungen aus.
Logischerweise wollen die Konzerne ihren Anteil an der "digitalen Dividende" so schnell wie möglich einkassieren. Dazu brauchen sie nun einmal jene Frequenzen, die derzeit noch analoges TV transportieren, und eben nicht nur im ländlichen, unerschlossenen Raum.
EU-Standard LTE
Der neueste Standard LTE (Long Term Evolution) für digitale Datenübertragung stammt ebenso wie UMTS und GSM aus dem European Telecom Standards Institute (ETSI).
Sein Design ist - verkürzt gesagt - so gehalten, dass sich LTE als zusätzlicher, bandbreitenstarker Datenfunk sehr gut mit existierenden UMTS- wie GSM-Netzen kombinieren lässt. Der Frequenzbereich von 700 MHZ bietet bei gleicher Sendeleistung sogar höhere Reichweiten als die unteren GSM-Bänder, die in den USA bei 850 MHz liegen.
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Netzneutralität
Das ebenfalls am Donnerstag im Repräsentantenhaus verabschiedete, 825 Milliarden Dollar umfassende Maßnahmenpaket zur Wiederbelebung der Wirtschaft hält auch ein paar Milliarden für Breitbandausbau bereit. Die gibt es allerdings nur in bisher schwach bis gar nicht versorgten Gebieten und - als Novität - mit Auflagen zur Netzneutralität.
Das heißt, wer immer Geld aus diesem Fonds beantragt, verpflichtet sich, das solcherart mit Steuergeldern errichtete Netz auch anderen Serviceanbietern zu gleichen Bedingungen zu öffnen.
Favoritin für Obamas CTO
Die nun abtretende Bush-Regierung hatte sich Zeit ihres Amtes stets geweigert, Auflagen an die Telekoms und Kabel-TV-Provider zur Förderung des Wettbewerbs zu erlassen.
Das wäre ja einem Eingriff in die Wirtschaft gleichgekommen, also grundsätzlich einmal Teufelswerk.
Was den obersten technischen Berater des neuen Präsidenten angeht, so dreht sich das Gerüchtekarussell mittlerweile um eine Frau.
Als heißester Tipp gilt momentan Padmasree Warrior, die Posten gleichen Titels erst bei Motorola und bis zuletzt beim Routing-Weltmarktführer Cisco bekleidete.
(futurezone/Erich Moechel)