© AP/Apple, Der erste Macintosh mit Maus und Tastatur (1984).

Meine Macintoshs

JUBILÄUM
24.01.2009

Heute wird Apples Macintosh 25 Jahre alt. Seit 1984 erfreuen sich die Macs der liebevollen Aufmerksamkeit ihrer Fans. Und fast jeder, der sich im letzten Vierteljahrhundert mit Computern befasste, hat seine persönliche Geschichte mit den Maschinen aus Cupertino.

Es muss wohl 1985 gewesen sein. Eigentlich war ich in den Elektromarkt gegangen, um mir eine Schallplatte zu kaufen. Dann aber wanderte ich mit "Welcome to the Pleasuredome" von Frankie goes to Hollywood unterm Arm in die Computerabteilung. Dort standen sie an der Wand, die üblichen Verdächtigen: Sinclair ZX Spectrum, Schneider CPC, Commodore 64. Und ein Gerät, das anders war als alle anderen. Es hing nicht an einem Fernsehgerät, sondern an einem gestochen scharfen Schwarzweißmonitor.

An seinem gefällig gestalteten Gehäuse war ein kleines Kästchen angeschlossen. Wenn man es berührte, bewegte sich ein kleiner Zeiger über den Bildschirm. Sofort stellte sich das Gefühl müheloser Kontrolle ein. Ich mache etwas, und der Rechner gehorcht. In seinem Inneren arbeitete der neueste Wunderchip, die 68000er-CPU von Motorola. Ich liebte das Gerät sofort. Ich wollte ihn haben, den Atari ST!

Two Tribes

Nebenan, in einem vom großen Verkaufsraum abgetrennten Bereich des Markts, waren auch die großen Brüder des Atari zu sehen, die Macs. Sie kosteten so viel wie ein Kleinwagen, und keiner meiner Freunde hatte einen. Nutzlose Kisten also. Interessant nur für langweilige Bürohocker und Werbeagenturtypen, also ähnlich wie diese PCs von IBM. Normale Menschen rechneten mit Sinclair, Schneider oder Commodore. Es herrschte Animismus, und jeder Stamm verteidigte seine magische Kiste.

Nicht allzu lange vor meinem Besuch im Elektromarkt, nämlich am 24. Jänner 1984, hatte Apple-Chef Steve Jobs den ersten Macintosh präsentiert. Eine winzige Kiste mit Neun-Zoll-Schwarzweißmonitor, 128 KB RAM, 3,5"-Diskettenlaufwerk und einem Henkel dran. Er kostete 2.495 US-Dollar - laut US-Konsumentenpreisindex entspräche das auf heutige Verhältnisse umgerechnet rund 5.000 Dollar.

Black Night White Light

Rechnet man, was Apple heute auch noch gerne tut, den Dollarpreis 1:1 in Euro und dann in die damals gebräuchliche Währung um, kommt man auf rund 70.000 Schilling. Der Vorgänger des Macs, die "Lisa" aus dem Jahr 1983, hatte noch rund 10.000 US-Dollar gekostet - und war trotz des genialen Konzepts mit Maus und grafischer Benutzeroberfläche an ihrer langsamen Verarbeitungsgeschwindigkeit und ihrem hohen Preis gescheitert.

Mit der Innovativität des Unternehmens war es auch so eine Sache. "Der gewiefteste Trick aller Zeiten war, wie Apple das Palo Alto Research Center von Xerox bei helllichtem Tag abgezockt hat", schreibt der Apple gewiss nicht abgeneigte US-Journalist Steven Levy in seinem Standardwerk "Insanely Great". Er beschreibt, wie sich Jobs und sieben weitere Apple-Mitarbeiter im Dezember 1979 auf Grundlage eines Abkommens mit Xerox das revolutionäre Konzept des Alto zeigen ließen, des ersten Bürocomputer-Prototypen mit grafischer Benutzeroberfläche. Er beschreibt auch, wie sich Jobs und seine Kollegen von dem Gezeigten nachhaltig anregen ließen.

The Power of Love

Jobs hatte nun die richtigen Ideen, aber das brachte ihm trotzdem kein Glück. 1985 wurde er vom ehemaligen Pepsi-Manager John Sculley, den er selbst zu Apple geholt hatte, aus der Firma gedrängt. Der allererste Mac war kein Verkaufserfolg, und der Vorstand wollte Geld sehen. Das bekam er auch, aber eben nicht in dem Umfang wie ein gewisser Bill Gates.

Anfang der 1990er Jahre, ich war mittlerweile selbst ein langweiliger Bürohocker und Schriftsetzerlehrling, kam der Chef mit einer hellgrauen Kiste herein, von der wir wussten, dass sie bald 70 Prozent der Belegschaft unseres Unternehmens überflüssig machen und unsere Berufsbilder ausradieren sollte. Ich sah von meinem in Milliarden Betriebsstunden eingebrannten Linotype-Grünmonitor auf - WYSIWYG war was für Sissies - und liebte ihn, den Macintosh IIci, mit seinem Fake-Multitasking unter System 6.0.7.

Fury

Mit dem PageMaker hatte Aldus schon 1985 die erste erfolgreiche Desktop-Publishing-Software auf den Mac gebracht. Zusammen mit Adobe Illustrator (oder Aldus Freehand) und Adobe Photoshop stand mit dem Mac eigentlich alles auf dem Tisch, was man in der Druckvorstufe so brauchte. Erst lachten die Profis über die Mausschubser. Doch die Programme wurden schnell besser.

Auch für den Atari ST gab es DTP-Software und nicht einmal die schlechteste. Aber der Industriestandard war nun mal der Mac. Ich arbeitete täglich damit und wollte mir endlich auch einen leisten. Deshalb begab ich mich zu einem spezialisierten Händler, denn die Kistenschieber verkauften nur PCs mit Windows. Der Gentleman im Verkaufssalon sah mich mit dem klassischen Nilpferdblick des Säugetiers aus einer höheren Gewichtsklasse an und drückte mir das Angebot in die Hand.

Ich kaufte dann doch lieber einen Gebrauchtwagen und baute mir einen 486er zusammen. DTP unter Windows 3.1 war eine schmerzvolle Erfahrung, aber sie härtete mich für das, was da bald kommen würde: das Internet. Anfang der 1990er Jahre brauchte man für die Web-Entwicklung nur einen lausigen Editor. Der lief sogar auf Windows 3.1. Mein neuer Freund hieß Trumpet Winsock. Die Macs verlor ich aus den Augen.

War (What is it good for?)

Im Juni 1997 erschien dann die "Wired"-Ausgabe mit dem Apple-Firmenlogo auf dem Titel, umgürtet von Dornen. Darunter nur ein Wort: "Pray." Die Firma befand sich in ernsten Schwierigkeiten, hatte im zweiten Quartal einen Verlust von 740 Millionen US-Dollar erlitten. Die Lizenzierung des Mac-Betriebssystems an andere Hersteller zog nicht so richtig an, der neue Boss, Gil Amelio, stoppte die Weiterentwicklung des neuen Apple-Systems mit Codenamen Copland.

Im Februar des Jahres hatte er Jobs' Computerfirma NeXT gekauft, um dessen Betriebssystem NextSTEP statt Copland als Mac-System der neuen Generation einzusetzen. Das BSD-basierte NextSTEP war schon damals dem heutigen Mac OS X nicht ganz unähnlich. Kurz nach Erscheinen des großen "Wired"-Artikels über Apples Schwierigkeiten, den die Redaktion zwischen Anzeigen für Iomega Jaz-Drives, Apples Newton-Organizer und einem ausführlichen Artikel über einen Internet-freundlichen republikanischen Senator namens John McCain und dessen Verachtung für Telekomlobbyisten gezwängt hatte, übernahm Jobs wieder das Kommando des Unternehmens, das er zusammen mit Steve Wozniak am 1. April 1976 gegründet hatte.

Welcome to the Pleasuredome

Von nun an war es nicht mehr möglich, die Macs aus den Augen zu verlieren. Jobs förderte den brillanten britischen Industriedesigner Jonathan Ive, und die beiden landeten 1998 mit dem iMac ihren ersten Hit. Der iMac passte in die späten 1990er. Er war der geniale Remix des Ur-Macs. Alles in einem, einer für alle. Die besseren Macs funktionieren als Objekte wie Heckflossen-Cadillacs, Nierentische und Lavalampen. Sie stehen für die Zeit, in der sie gestaltet wurden. Wenn man als Kenner einen Film sieht, in dem ein Mac vorkommt, dann weiß man, wann er ungefähr gedreht wurde.

Der eigentliche Stichtag für Apples Wiedergeburt ist allerdings der 23. Oktober 2001. Der treue Chronist Steven Levy schildert in seinem Buch "The Perfect Thing" recht anschaulich, wie Apple in den Wirren nach den Anschlägen des 11. September den ersten iPod herausbrachte. Jobs und sein Team hatten lange daran gefeilt, auf welche Weise sie in dieser Situation das neue Gerät vorstellen sollten. "Ich glaube, dass wir damit richtig liegen, damit in dieser schwierigen Zeit herauszukommen", zitiert Levy Steve Jobs, "Hoffentlich wird es den Leuten ein kleines bisschen Freude bereiten." Den Apple-Aktionären hat es das sicherlich, auch wenn Jobs damals keine Vorhersage über die zu erwartenden Verkaufszahlen wagte. Im 1. Quartal 2009 verkaufte Apple rund 23 Millionen iPods.

Born to Run

Im Sommer 2003 war auch ich endlich so weit. Mein damaliges neues Notebook, das Produkt eines taiwanesischen Qualitätsherstellers, pflegte regelmäßig aus Gründen abzustürzen, die auch dessen "Service" nach dreimaliger mehrwöchiger Überprüfung nicht nachzuvollziehen in der Lage war. Anstatt wütend zu werden, kaufte ich ein iBook G3 mit Zwölf-Zoll-Bildschirm. Ich schleppte es auf Reportagejobs quer durch ganz Europa. Zweimal musste es in Reparatur, wegen eines Serienfehlers an der Grafikkarte, wobei Apple die Kosten übernahm. Die Reparaturaufkleber aus Irland beließ ich auf dem zernarbten Deckel.

Die Maschine läuft heute noch. Die Macs als solche sind nach einem Vierteljahrhundert so erfolgreich wie noch nie, auch wenn ihre Designer zuweilen kein so glückliches Händchen mehr zu haben scheinen und überall nur noch spiegelnde Displays verbauen. Das trieb mich wieder zurück zu Wintel und Linux. Zumindest scheint Microsoft mit Windows 7 von Apple gelernt zu haben, dass ein neueres Betriebssystem nicht zwangsweise langsamer sein muss als sein Vorgänger.

Relax

Leider geht es Steve Jobs, dem Mann hinter dem Mac, derzeit nicht gut. Möge er auch den 50. Geburtstag des Macintosh noch mit seinen Fans feiern können. Die Mac-Fans und ihre Kritiker werden bis dahin vielleicht begriffen haben, dass sie die letzte Gruppe der tribalistischen Heimcomputerszene der 1980er darstellen.

(futurezone/Günter Hack)