
Arbeiten in der "Rechnerwolke"
Geht es nach den Plänen der großen Software- und Hardware-Anbieter und den Träumen junger Start-ups, wird es die Informationstechnologie von Grund auf verändern: "Cloud-Computing", das Arbeiten in einer Wolke aus Rechnern. Privatanwender wie Firmen sollen damit Geld sparen, effizienter werden und noch mobiler arbeiten.
Dabei ist schon die Definition des Begriffs umstritten und diffus, erklärt Hubert Pimingstorfer von IBM: "Das zentrale Problem bei 'Cloud-Computing' ist, das Ding zu erfassen und zu benennen." Nach der weitesten Definition versteht man darunter alle Anwendungen und Daten, die sich nicht mehr auf lokalen Rechnern oder auf dem firmeneigenen Server befinden. Stattdessen liegen sie in der "Rechnerwolke", auf einer oder mehreren Serverfarmen irgendwo in der Welt. Der Zugriff erfolgt über das Internet. "Man kann den freien Mail-Account durchaus als einen Vorläufer oder eine Ausprägung von 'Cloud-Computing' nennen", sagt Pimingstorfer.
"Kunde zahlt, was er braucht"
Unter diesem Beispiel kann sich auch Otto Normaluser etwas unter der "Wolke" vorstellen. Denn vor allem die von Firmen und Institutionen genutzten Cloud-Angebote sind etwas abstrakter. Da werden etwa die gesamten Managementprogramme, pure Rechenleistung für Forschungsarbeiten oder virtuelle Computer über das Internet bezogen.
Werner Leibrandt, COO von Microsoft Österreich, schwärmt vom Einsparungspotenzial durch "Cloud-Computing": "Wenn ich an die klassischen Server-Infrastrukturen denke, weiß man nie, wie viel Leistung ich in den nächsten ein bis zwei Jahren brauche. Das hat dazu geführt, dass ein Rechenzentrum im Schnitt eine Auslastung von 25 bis 30 Prozent aufweist, weil es auf die Spitzenauslastung ausgerichtet ist." Das fällt nun weg: Binnen Minuten kann der Kunde Speicherplatz und Rechenleistung erhöhen oder verringern und zahlt auch nur das, was er eben braucht. Um Sicherheit und Wartung kümmern sich andere.
Horrorvorstellung für Datenschützer
Genau hier setzen aber die Bedenken an der "Wolke" an. Johann Cas vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung steht der Euphorie der IT-Branche skeptisch gegenüber: "Ich glaube, es wird in bestimmten Bereichen an Bedeutung gewinnen, wenn es etwa um kurzfristig verfügbare große Rechenleistung geht. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von gefahren, die mit dem Paradigmenwechsel verbunden sind."
Ein Beispiel: Unter dem Namen "Windows Live Mesh" will Microsoft seine verschiedensten Cloud-Computing-Angebote für Privatkunden und kleine Firmen zusammenführen - vom Fotoalbum über das Soziale Netzwerk, das Textverarbeitungsprogramm, die Arbeitsgruppe und den Mail-Account bis zu einem persönlichen Netz aus Endgeräten. Der Zugang zu alldem erfolgt über ein einziges Passwort - eine Horrorvorstellung für Datenschützer.
"Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht", sagt Cas. "Es sind in jüngster Zeit auch ganz große, bekannte Unternehmen Opfer von Datendiebstahl geworden." Zum Beispiel die Deutsche Telekom, der 17 Millionen Kundendaten gestohlen wurde. Auch wenn die Sicherheitsstandards der großen Serverfarmenbetreiber wesentlich höher sind als die von österreichischen Klein- und Mittelbetrieben, bleibt ein Restrisiko. Und fällt ein solches Serverzentrum aus, sind vielleicht Hunderte Firmen betroffen.
Am Sonntag in "matrix"
Der Beitrag von Michael Fiedler über "Cloud-Computing" ist am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Magazin "matrix" zu hören.
Weiterer Schritt in digitaler Globalisierung
Allen Warnungen zum Trotz ist "Cloud-Computing" wegen der hohen Einsparungspotenziale eine attraktive Möglichkeit des Outsourcens. "Es ist eine Umwälzung in der Art, wie wir mit IT-Technologie umgehen, wie wir sie nutzen, wie wir sie als Anbieter an den Markt heranbringen", meint Pimingstorfer.
Und es ist ein weiterer Schritt der digitalen Globalisierung. Hat das Internet den Standort der Nutzer egalisiert, wird nun auch der Standort von Daten, Programmen und Rechenleistung unwichtig. Bleibt zu hoffen, dass die Wolke auch immer verfügbar ist und gut auf das aufpasst, was wir ihr anvertrauen.
(matrix/Michael Fiedler)