Ministerium kontert E-Voting-Gegner
Am Dienstagabend hat das Wissenschaftsministerium ein Pressegespräch zum Thema E-Voting bei der kommenden Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) veranstaltet. Das Ministerium und die teilnehmenden Projektpartner wollten damit den mehrfach geäußerten Bedenken von ÖH-Bundesvertretung und IT-Experten begegnen. Die ÖH hat Aussagen aus dem Ministerium scharf zurückgewiesen, nach denen sie daran denke "ausländische Hacker" gegen das E-Voting-System zu engagieren.
Bei der ÖH-Wahl 2001 hatte die bundesweite Wahlkommission noch Nein zum E-Voting gesagt, obwohl die damalige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) "sehr darauf gedrängt hat", so der damalige Kommissionsvorsitzende Bernhard Varga, der auch bei der ÖH-Wahl 2009 das Gremium leiten wird. Der Grund: "Wir waren nicht überzeugt, dass das System sicher ist."
Das für den diesjährigen Urnengang geplante E-Voting-System sei aber von der Qualität her mit dem damaligen "nicht zu vergleichen", das sei "wie Rechenschieber und Höchstleistungsrechner". "Das Grundprinzip einer geheimen Wahl "scheint für mich gewährleistet zu sein", sagte Varga.
Wahl im Mai
Bei der alle zwei Jahre stattfindenden ÖH-Wahl sind die Studenten der Universitäten, der Fachhochschulen (FH) und der Pädagogischen Hochschulen (PH) wahlberechtigt. Die ÖH-Wahl wird heuer voraussichtlich vom 26. bis 28. Mai stattfinden, fixiert werden muss das Datum noch per Verordnung durch Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP).
Die Internet-Wahl wird in der Woche davor stattfinden. Der Grund dafür: Falls beim E-Voting via Internet tatsächlich etwas schiefgehen sollte, kann die elektronische Wahl für ungültig erklärt, die E-Voting-Teilnehmer informiert und ihnen die herkömmliche Papierwahl ermöglicht werden.
Komplexes Wahlsystem
Tatsächlich ihre Stimme abgeben - und damit vom E-Voting Gebrauch machen - können nur die rund 230.000 wahlberechtigten Unistudenten, sie wählen an jeder der 21 Unis eine Universitätsvertretung sowie Hunderte Studienvertretungen. FH- und PH-Studenten entsenden über ihre bereits gewählten Jahrgangs- bzw. Studiengangsvertreter nur mittelbar Vertreter in das bundesweite Studentenparlament, die ÖH-Bundesvertretung.
Die Wahlbeteiligung pendelte im letzten Jahrzehnt um die 30 Prozent. Wissenschaftsministerium und Projektpartner hoffen, dass die Einführung von E-Voting die Wahlbeteiligung erhöhen oder zumindest stabilisieren wird. Auch der beträchtliche logistische Aufwand bei Veranstaltung der Wahl soll dadurch reduziert werden.
Wünsche und Gegnerschaft
Ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums konterte die Proteste der Hochschülerschaft gegen die Einführung von E-Voting mit einem Zitat aus einem Schreiben des damaligen ÖH-Bundesvorsitzenden Martin Faißt (AktionsGemeinschaft) aus dem Jahr 2000. Faißt habe seinerzeit die Einführung von E-Voting gefordert und die Entwicklung erst angestoßen. Der heutige Bundesvorsitzende Samir Al-Mobayyed (AktionsGemeinschaft) lehnt E-Voting dagegen strikt ab.
Um seinen Standpunkt zu untermauern, präsentierte das Ministerium die Ergebnisse einer von ihm in Auftrag gegebenen Befragung von 600 Studenten aus dem Jahr 2008. Diesen Daten zufolge würde der Großteil (82 Prozent) der Studenten E-Voting begrüßen. Die Vorteile sehen die Befragten u. a. im erleichterten Zugang (40 Prozent) und der erhöhten Wahlbeteiligung (16 Prozent). Die Bedenken gehen in Richtung "zu unpersönlich" (27 Prozent) und "nicht ernsthaft genug" (15 Prozent). Manipulation befürchten 15 Prozent, Datenschutzbedenken haben neun Prozent.
Kampagnen und Hacker
Das Umfrageergebnis steht im Gegensatz zur Meinung vieler Studentenvertreter, die E-Voting ablehnen. Man habe von Überlegungen einer Informationskampagne gegen E-Voting, ja sogar vom Engagement "ausländischer Hacker" gehört, wofür sogar Rücklagen der ÖH aufgelöst werden sollen, berichtete ein Sprecher des Ministeriums. Varga sagte, er verstehe nicht, warum sich die ÖH-Spitzen gegen die elektronische Wahl sperren. An den Unis passiere immer mehr elektronisch, "die Studenten sind nichts anderes gewohnt".
Die ÖH hat in einer Stellungnahme vom Mittwoch klargestellt, dass sie niemals in Erwägung ziehen würde, illegales Hacking gegen E-Voting-Systeme einzusetzen. Diese Unterstellung entbehre jeder Grundlage, so die ÖH. "Grund für die Ablehnung sind Befürchtungen, dass das freie, persönliche und geheime Wahlrecht dadurch gefährdet wird", schreibt der Bundesvorstand.
"Niemand wird zum E-Voting gezwungen, aber jeder, der will, kann elektronisch wählen", sagte der E-Voting-Experte Robert Krimmer (e-voting.cc), der das Wissenschaftsministerium in dieser Angelegenheit berät. Weil man die ÖH-Wahl "nicht gefährden will", sei das E-Voting als zeitlich getrennter Wahlkanal organisiert. In der Woche vor der Papierwahl wird es von Montag, 8.00 Uhr bis Freitag, 18.00 Uhr die Möglichkeit zum E-Voting geben. Die Auszählung erfolgt dann gemeinsam mit der Papierwahl am letzten Tag der "normalen" Wahl.
Weitere E-Voting-Initiativen
E-Voting ist vom Gesetz her nicht nur bei der ÖH als Körperschaft öffentlichen Rechts möglich, sondern auch bei der Wirtschaftskammer-Wahl. Laut Krimmer gibt es Überlegungen, die nächste Wahl 2010 auch elektronisch durchzuführen. Die technischen Vorbereitungen dafür seien weit gediehen.
Zum E-Voting via Internet brauchen die Wahlberechtigten eine aktivierte Bürgerkarte und ein Kartenlesegerät. Im Rahmen einer im vergangenen September gestarteten Aktion seien bisher rund 4.500 Lesegeräte von den Studenten angefordert worden, so der Sprecher des Wissenschaftsministeriums. Die technische Abwicklung des E-Votings wird das Bundesrechenzentrum übernehmen.
Projektpartner und Kosten
Dabei werden auch Software-Komponenten der spanischen E-Voting-Firma Scytl eingesetzt. Laut Aussage eines Vertreters des Bundesrechenzentrums ist die Scytl-Software Closed Source. Die ebenfalls verwendeten Software-Komponenten des österreichischen Bürgerkartensystems sind dagegen Open Source und unter der Apache-Lizenz 2.0 verfügbar. Auf Anfrage von ORF.at wollte sich der Sprecher des Wissenschaftsministeriums nicht zu den Kosten des E-Votings äußern. Diese bewegten sich "im sechsstelligen Bereich".
Das E-Voting über Internet bei der ÖH-Wahl gilt auch als Generalprobe für die Einführung eines solchen Systems bei anderen Wahlgängen, etwa bei Europa- und Nationalratswahlen.
(APA/futurezone/Günter Hack)