Bahn-Schnüffelskandal plagt Deutschland
Die Deutsche Bahn AG hat zugeben müssen, die persönlichen Daten von 173.000 ihrer Mitarbeiter systematisch überprüft zu haben, um Hinweise auf Korruptionsfälle zu erhalten. Nur ein Teil des Aufsichtsrats des Unternehmens war darüber informiert. Kritiker sprechen von "Rasterfahndung" und fordern Aufklärung.
Der Druck auf die Bahn-Spitze wegen der stillschweigenden Überprüfung von rund 173.000 Mitarbeitern des Konzerns wächst. Die Aktion stieß nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ("SZ") vom Donnerstag auch im eigenen Aufsichtsrat auf Unverständnis. Forderungen nach Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses als Konsequenz aus den Ergebnissen der Anhörung im Bundestags-Verkehrsausschuss vom Mittwoch bewerteten die Grünen jedoch skeptisch.
Der Ausschuss hatte den Anti-Korruptionsbeauftragten der Bahn, Wolfgang Schaupensteiner, und den Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix zu den Vorwürfen befragt, die Daten von mehr als 1.000 Mitarbeitern seien zur Korruptionsvorbeugung mit denen von Lieferanten abgeglichen worden.
Dabei hatte Schaupensteiner berichtet, dass in Wirklichkeit 173.000 Mitarbeiter - also rund zwei Drittel der Belegschaft - und 80.000 Lieferanten ohne ihr Wissen einem "Screening" ihrer Stammdaten unterzogen worden seien. In 300 Fällen sei es dabei zu "Auffälligkeiten" gekommen, 116 davon hätten sich als relevant herausgestellt.
Aufsichtsrat nicht informiert
Die Bahn hat laut "Süddeutscher Zeitung" zwar den vierköpfigen Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats davon informiert. Die anderen 16 Aufsichtsräte erfuhren davon aber offenbar nichts. Dem gesamten Kontrollgremium hatte Vorstandschef Hartmut Mehdorn zuletzt vor einer Woche mitgeteilt, es seien "keine Telefone abgehört, keine Konten eingesehen und keine Journalisten oder Aufsichtsräte bespitzelt" worden. Die massenhafte Kontrolle von Mitarbeitern erwähnt der Vorstandschef laut "SZ" mit keinem Wort.
Der Verkehrsausschuss will in seiner nächsten Sitzung am 11. Februar die im Konzern für Revision und Sicherheit zuständigen Manager Josef Bähr und Jens Puls befragen. Bis dahin soll Schaupensteiner auch einen Katalog von 60 Fragen der Abgeordneten abarbeiten. Der stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Peter Hettlich von den Grünen, sagte, er sei nicht sicher, ob die Affäre "tatsächlich so eine Substanz hat, dass man einen Untersuchungsausschuss jetzt noch so wenige Monate vor Ende dieser Legislaturperiode installiert".
Verkehrsausschuss "vom Stuhl gefallen"
Schaupensteiner hatte vor der Presse in der vergangenen Woche die Zahl heruntergespielt. Nach Meldungen, es seien "mehr als 1.000" Mitarbeiter betroffen, antwortete er sinngemäß auf die Frage, um wie viele Personen es wirklich gehe, so viele Führungskräfte habe die Bahn gar nicht.
Hettlichs Fraktionskollege Anton Hofreiter schilderte im Sender N24 die Situation im Verkehrsausschuss, als Schaupensteiner die Zahl 173.000 nannte. Schaupensteiner sei nach dem Verhältnis von 1.000 Überprüften zu 300 "Auffälligen" gefragt worden. "Es stimmt gar nicht, dass jedes dritte Mitglied unseres Unternehmens korrupt ist. Denn wir haben ja gar nicht 1.000 Leute überprüft... Wir haben 173.000 Leute überprüft. Und deswegen ist das ja gar nicht so schlimm, wenn's nur 300 von 173.000 sind." Da sei "der halbe Verkehrsausschuss ... im übertragenen Sinne von seinen Stühlen" gefallen. Beim "geringsten Nachweis", dass "Mehdorn davon frühzeitig gewusst hat, ist meiner Meinung nach der Punkt gekommen, wo jetzt endgültig das Maß voll ist", fuhr er fort.
"Tiefsitzende Vertrauenskrise"
Die Gewerkschaft GDBA zeigte sich "zutiefst empört" über das Misstrauen der Unternehmensführung. Vorsitzender Klaus-Dieter Hommel erklärte, es handle sich um eine "echte und sehr tiefsitzende Vertrauenskrise". Sollten sich die Vorwürfe erhärten, müsse das für die Verantwortlichen zwingend mit personellen Konsequenzen verbunden sein.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bezeichnete die Art des Vorgehens ebenfalls als "Prinzip der Rasterfahndung". Im Sender NDR-Info nannte er das einen "sehr weitgehenden Eingriff. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder gesagt. Das ist nur zulässig bei sehr schwerwiegenden Verstößen."
(AP)