Politiker: DB wollte Kritiker einschüchtern
Deutsche Politiker haben Zweifel an den Aussagen des Chefs der Deutschen Bahn (DB). Die Korruptionsbekämpfung war vermutlich nicht das alleinige Motiv für die Mitarbeiterüberwachung.
Die Begründung des Chefs der Deutschen Bahn (DB), Hartmut Mehdorn, für den Datenabgleich von 173.000 Mitarbeitern wird von Politikern in Deutschland erheblich in Zweifel gezogen. Sie äußerten den Verdacht, dass es der DB nicht nur um Korruptionsbekämpfung, sondern auch um die Einschüchterung kritischer Informanten aus dem Konzern gegangen sei.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Horst Friedrich, sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", es deute "sehr vieles darauf hin, dass die Korruptionsbekämpfung nicht das einzige Ziel der Bahn war". Auch Winfried Hermann von den Grünen vermutet, dass es "bei der Aktion auch darum ging, herauszufinden, wer Informationen aus der Bahn weitergegeben hat, beispielsweise an Kritiker des Konzerns".
Gewerkschaft empört
Die Vorsitzenden der DB-Gewerkschaften Transnet und GDBA, Alexander Kirchner und Klaus-Dieter Hommel, verlangten eine umgehende Sondersitzung des Aufsichtsrates. In einer Mitteilung vom Samstag hieß es: "Die Empörung über die bislang bekanntgewordenen Details der 'Schnüffelaffäre' ist nach wie vor groß."
Und weiter: "Die bisherigen Erklärungen reichen uns nicht aus. Es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates in der Vergangenheit informiert worden sind. Wir erwarten nach wie vor, dass der Konzernvorstand die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich informiert."
Mitarbeiter bespitzelt
Tatsächlich sei es bei den bisher bekannten Fällen zumindest in einem Fall nicht um Korruption gegangen, sondern darum, herauszufinden, welcher Mitarbeiter Mehdorn anonym bei den Steuerbehörden angezeigt habe, berichten "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung". In einem Brief an die Mitarbeiter soll Mehdorn bereits vor über drei Jahren all jenen gedroht haben, die vertrauliche Firmenunterlagen missbräuchlich weitergeben.
Solchem "Verrat" werde der Konzern künftig "ebenso energisch begegnen, wie der Korruption", hieß es, und zwar "mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln". Mehdorn schrieb laut "Spiegel": "Diejenigen, die jetzt ein schlechtes Gewissen haben müssen, sollen wissen, dass wir schrittweise unsere Lecks einkreisen."
Betriebsrat wurde nicht informiert
Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" soll die DB ihren Betriebsrat ganz bewusst nicht über die Schnüffelaktionen unter den DB-Beschäftigten informiert haben. Man habe "Zweifel an der Zuverlässigkeit bzw. Diskretion des (zu geschwätzigen) Betriebsrats", hätten Vertreter der DB gegenüber der Berliner Datenschutzbehörde geäußert.
So steht es in einem siebenseitigen Bericht der Behörde, der der "SZ" nach eigenen Angaben vorliegt. Dem Bericht zufolge habe die DB den Betriebsrat in keinem einzigen Fall über die Zusammenarbeit des Konzerns mit der Privatdetektei Network unterrichtet. Außerdem hätten weder Network noch die Bahn nach Abschluss der internen Ermittlungen die Mitarbeiter informiert, bei denen man nichts gefunden habe. Die Bahn habe das "nicht für erforderlich gehalten, da die zu Unrecht Verdächtigen anschließend nicht benachteiligt worden seien".
Mündliche Großaufträge verdächtig
Besonders erstaunt seien die Datenschützer über die Art und Weise gewesen, in der die DB ihre Geschäfte mit Network abgewickelt habe, hieß es. "Die Aufträge wurden ausschließlich mündlich erteilt", stehe in dem Bericht. Die Datenschützer seien "überrascht darüber, dass die DB Aufträge im Wert von über 800.000 Euro nur mündlich erteilt".
Die Datenschützer hätten auch einzelne Projekte von Network untersucht, darunter den Fall "Uhu". Hintergrund dafür ist der Verdacht, dass ein DB-Mitarbeiter unter falschem Namen in einem Brief an Finanzbehörden Mehdorn eines Steuerdelikts bezichtigt haben soll. Die DB habe, so steht es laut "Süddeutscher Zeitung" in dem Bericht, bei diesem Projekt "wahllos E-Mails der Betroffenen an Network übermittelt", darunter Schreiben an den Betriebsrat und Informationen über Besprechungen beim Betriebsrat.
(dpa)