© AP/Karel Prinsloo, Kongolesische Soldaten

"Am Handy klebt Blut"

TELEFON UND KRIEG
02.02.2009

Kämpfe um den für die Mobiltelefon- und Computerindustrie wichtigen Rohstoff Coltan haben in den vergangenen Jahren im Kongo Millionen Tote gefordert. Beim Berliner Festival für Kunst und digitale Kultur, transmediale, haben Medienkünstler und Aktivisten auf die globalen Zusammenhänge der "Coltankriege" aufmerksam gemacht. Sie wollen bei der Beseitigung der Missstände die Hardware-Hersteller stärker in die Pflicht nehmen. Auch ein internationaler Aktionstag ist geplant.

"Coltanerz ist ein fundamentaler Baustein der globalen Telekommunikationsexplosion und gleichzeitig der blinde Fleck dieser Wachstumsgeschichte", sagt der britische Medienkünstler Richard Wright. Gemeinsam mit Graham Harwood und Matsuko Yokokoji hat er den Opfern der blutigen Auseinandersetzungen in der Demokratischen Republik Kongo ein Denkmal gesetzt. Die Installation "Tantalum Memorial" der britisch-japanischen Künstlergruppe, die bei der transmediale mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde, will die globalen Zusammenhänge der "Coltankriege" sichtbar machen.

Das "Tantalum Memorial" von Harwood, Wright und Yokokoji erinnert an die Millionen Opfer der seit mehr als zehn Jahren andauernden "Coltankriege".

Rund vier Millionen Menschen sind seit 1998 im Zuge der Kriege in der Demokratischen Republik Kongo ums Leben gekommen. Tausende mussten infolge der Auseinandersetzungen aus dem zentralafrikanischen Land fliehen. "Coltankriege" werden die bis heute andauernden Konflikte deshalb genannt, weil es um die Kontrolle über den Rohstoff Coltan geht, der für Mobilltelefon- und Computerhersteller unverzichtbar ist.

Der Coltanabbau finanziert die Aufrüstung der rivalisierenden Kriegsparteien. Häufig wird der Rohstoff auch direkt mit Waffen bezahlt. In vielen Minen gebe es darüber hinaus Kinderarbeit und Sklaverei, hieß es am Samstagnachmittag bei einer transmediale-Diskussionsveranstaltung zum Thema Critical Consumer Culture im Berliner Haus der Kulturen der Welt: "Am Handy klebt Blut."

"Wir sind alle in den Konflikt involviert"

"Über den Gebrauch von Mobiltelefonen und Computern sind wir alle in den Konflikt involviert", sagte Harwood. Der aus Coltan gewonnene hitzeabweisende Werkstoff Tantal wird in Mobiltelefonen, Spielekonsolen und PCs verbaut. Die Nachfrage nach dem Rohstoff ist deshalb in den vergangenen zehn Jahren regelrecht explodiert.

Als Sony im Jahr 2000 die Spielekonsole PlayStation 2 auf den Markt brachte, sei es zu Engpässen bei Coltan auf dem Weltmarkt gekommen, sagte der Medienkünstler, Aktivist und Programmierer Jaromil. Kurz danach habe sich der Abbau im Kongo verdoppelt. Die Hardware-Hersteller müssten bei der Konzeption neuer Produkte mehr Verantwortung zeigen. Den langfristigen Folgen der für die Geräte notwendigen Rohstoffgewinnung müsse bereits bei der Produktentwicklung Rechnung getragen werden. Rund 80 Prozent der globalen Coltanvorräte liegen laut Schätzungen in Afrika.

Verkauf über Mittelsmänner

Die großen Hersteller haben zwar angekündigt, kein Coltan aus den von den Milizen kontrollierten Minen mehr zu kaufen. Die Herkunft der Rohstoffe sei jedoch nicht immer zweifelsfrei feststellbar, erläuterte Harwood. "Es gibt viele Mittelsmänner. Es lässt sich oft nicht genau sagen, aus welchen Quellen das Coltan stammt." Daher sei es auch schwierig, die Situation in den Griff zu bekommen.

"Das Problem ist komplex und widersprüchlich", sagte Wright: "Der Mobiltelefonabsatz im Kongo boomt. Viele Leute besitzen mehrere Mobiltelefone und telefonieren die ganz Zeit. Die Leute unterstützen also eine Industrie, die dazu beiträgt, dass der blutige Konflikt weiter angeheizt wird", so der Medienkünstler.

"Telefontrottoir"

Der britisch-japanischen Künstlergruppe geht es mit ihrer Installation auch darum, Aufmerksamkeit auf die globalen Zusammenhänge des Konflikts zu lenken. "In den Medien werden die Kriege allzu gerne auf ethnische Rivalitäten reduziert", kritisierte Harwood. Die dahinterliegende sozioökonomische Dynamik werde nicht thematisiert. Um Informationen zu den Hintergründen des Konflikts zu verbreiten, benutzen Harwood, Wright und Yokokoji als Teil ihres "Tantalum Memorials" auch Telefone.

Antiquierte Schaltwählapparate, die durch einen Computer aktiviert werden, wählen automatisiert Telefonnummern von Mitgliedern der kongolesischen Migranten-Community in Großbritannien. Die Angerufenen werden von einer Tonbandstimme über den Zusammenhang von Mobiltelefonen und Krieg informiert und können die Nachricht weiterleiten und kommentieren.

Das von der Künstlergruppe im Rahmen eines Projektes mit kongolesischen Migranten in London entwickelte "Trottoir-Radio" lehnt sich an die im Kongo verbreitete Kommunikation über "Gehsteigradios" an, bei der Informationen an der Straßenecke weitergegeben werden, um staatliche Kontrolle zu umgehen.

"Deep North"

Die transmediale, die von 28. Jänner bis 1. Februar in Berlin stattfand, widmete sich heuer unter dem Titel "Deep North" den kulturellen Auswirkungen des Klimawandels. Auf der von Wiener Medienkünstlern betriebenen Plattform Tagr.tv finden sich Videointerviews mit transmediale-Künstlern und Berichte vom Festival.

Aktionstag im Juli

Auch der Medienaktivist Jaromil will den Verstrickungen der Hightech-Industrie in den "Coltankrieg" mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Gemeinsam mit der afrikanischen Bürgerrechtsbewegung Yole Africa plant er am 2. Juli einen Aktionstag. Die Initiatoren fordern alle Mobilfunk- und Computernutzer auf, an diesem Tag ihre Geräte auszuschalten und auf die Zusammenhänge des Coltanabbaus in Zentralafrika hinzuweisen. "Wir glauben, dass dies ein guter Weg ist, um auf die blutigen Konflikte aufmerksam zu machen", sagte Jaromil.

Die Protestaktion soll sich jedoch nicht auf die Konsumverweigerung beschränken, sondern schlägt auch nachhaltige Lösungen vor. Jaromil und seine Mitstreiter wollen Hardware-Hersteller dazu drängen, ihre Produkte zu öffnen und so das Recyceln zu vereinfachen und neue Anwendungen zu ermöglichen. "Die Geräte, die für die Kriege in Zentralafrika mitverantwortlich sind, können so zur Lösung des Problems beitragen", ist Jaromil überzeugt.

"Lokale Ökonomien"

Unternehmen aus der "Ersten Welt" dürften jedoch nicht bestimmen, wie diese Geräte genutzt werden können. So sei beispielsweise eine ausgemusterte Spielekonsole noch immer ein Computer und könne für viele nützliche Dinge verwendet werden. Es müsse möglich sein, in die Architektur der Geräte einzugreifen, um auf ihnen aufbauend Anwendungen zu entwickeln.

Daraus würden letztlich lokale Ökonomien entstehen, so Jaromil: "Die afrikanische Bevölkerung hat mit ihrem Blut zum Aufbau einer florierenden Hightech-Ökonomie beigetragen. Es ist an der Zeit, dass sie auch davon profitiert."

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(futurezone/Patrick Dax)