Der Untertakter
Thomas Hinterberger baut PCs, die in jeder Hinsicht cool sind, obwohl sie in umgedrehten Ikea-Blumenkisten stecken. Er ist Teil einer Netzgemeinde, deren Mitglieder alles daransetzen, möglichst leise und energieeffiziente Computer herzustellen.
Auf dem Tisch im Wiener net.culture.lab steht eine kleine Kiste aus Holz mit einem Schlitz an der Vorderseite. Sie ist vielleicht halb so groß wie eine Schuhschachtel. Nur die Kabel, die von der Kiste zu Tastatur, Maus und Bildschirm führen, verraten, dass es sich bei ihr um einen Computer handeln könnte. Der wiederum sieht aus, als hätte jemand versucht, einen Mac Mini stilgerecht für den Einbau in eine finnische Sauna einzukleiden.
"Das Gehäuse ist ein Ikea-Blumentopfuntersatz", sagt Hinterberger. "Der kostet 6,99 Euro." Der Hardware-Hacker aus Linz bezeichnet seine Kreation als LLL-PC. "Lesswatts - Lesscosts - Lesspollution" steht auf der Projekt-Website, auf der er seit eineinhalb Jahren Tipps zum Selbstbau von Computern gibt, die gleichzeitig billig, leise und stromsparend sind. Das Ziel: Die Rechner sollen im Leerlauf unter einer Leistungsaufnahme von 20 Watt liegen und nach Möglichkeit nicht teurer sein als 300 Euro.
Detaillierte Anleitungen und Tipps zum Bau eines eigenen LLL-PC finden sich auf der Website von Hinterberger. Dort gibt es auch Links zu Foren, in denen sich die Lowcost-PC-Szene trifft.
Ruhe in der Schachtel
Für Hinterberger ist die Jagd nach günstigen und stromsparenden Komponenten mittlerweile zu einer Art Sport geworden. Seine Arbeit an den kleinen Rechnern hat jedoch einen pragmatischen Hintergrund. "Ich bin eigentlich Regisseur und Schauspieler und mache Audioprojekte", sagt Hinterberger. "Aus diesem Grund bin ich auf lautlose Hardware angewiesen." Leise sind die drei von Hinterberger mitgebrachten Prototypen alle. Als Massenspeicher dienen Notebook-Festplatten, CompactFlash-Karten und USB-Speichersticks.
Optische Laufwerke können viel Lärm machen. Für seinen neuesten Prototyp mit Intel-Atom-Prozessor wählte Hinterberger ein Slim-Laufwerk von Samsung, das ohne Schalldämpfung im Betrieb auch im stillen Zimmer kaum hörbar ist. Das kommt auch daher, dass das System gerade noch mit passiver Kühlung auskommt, also ohne lärmende Ventilatoren im Gehäuse. Um die Luftzirkulation zu verbessern, bohrte Hinterberger Öffnungen in die Gehäuseseiten.
Eigentlich sind die ATX-Mainboards ja so aufgebaut, dass der Luftstrom aus dem Kühlerventilator der eingebauten Netzgeräte durch das ganze Computergehäuse zieht und dabei auch etwas Hitze von den restlichen Komponenten mitnimmt. Dieser Effekt fällt bei Gehäusen ohne solche Netzteile natürlich weg. Mit ein Grund, weswegen die größeren LLL-Rechner mit Dual-Core-Prozessoren nicht ohne CPU-Lüfter auskommen. Die wiederum mag Hinterberger nicht besonders, auch deshalb, weil in zahlreichen Modellen viel Kupfer verbaut ist. "Da gibt es Werkstoffe, die umweltfreundlicher sind", sagt er.
Schlanke Betriebssysteme
Der sparsamste LLL-PC ist ein System, das auf der Stromspar-CPU Geode LX800 von AMD auf dem Motherboard Alix.1c basiert. "Der Geode 500 steckt übrigens im XO von OLPC", sagt Hinterberger. Inklusive Ikea-Blumentopfgehäuse und optischem Laufwerk kostet die Maschine um die 230 Euro. Als Betriebssystem empfiehlt Hinterberger die minimalistischen Linux-Varianten VectorLinux light und DeLiLinux sowie PCLinuxOS mit dem Desktop-Manager OpenBox. "Diese Boliden wie Gnome und KDE brauchen ja fast schon so viel Platz wie Windows", sagt Hinterberger. Die Rechenleistung reicht für einfache Bürojobs und zum Abspielen von DVDs aus.
Im Leerlauf hat das System eine Leistungsaufnahme von 6,4 Watt. Im Betrieb zieht es 8,6 Watt, beim Brennen einer CD 15 Watt. "Herkömmliche PCs brauchen um die 60 bis 80 Watt, bessere Geräte mit Energy-Star-Label um die 30 Watt", so Hinterberger. Beim Stromsparen hilft ihm der Daemon cpupowerd, den der steirische Entwickler Markus Strobl geschrieben und unter die GPL gestellt hat. "Derzeit unterstützt das Programm nur AMD-Prozessoren, aber demnächst sollen auch Intel-CPUs damit gesteuert werden können", sagt Hinterberger und demonstriert an der Kommandozeile, wie sich die Leistungsaufnahme des Prozessors schnell und einfach durch Aufruf vordefinierter Anforderungsprofile verändern lässt.
Hinterberger will damit vor allem den Energieverbrauch im Leerlauf senken. "Computer verbringen 90 Prozent ihrer Zeit im Leerlauf", sagt er. "Wenn der Rechner was hackelt, kann er ruhig Strom verbrauchen." Das Flaggschiff seiner LLL-PCs, das um eine AMD-X2-CPU vom Typ 4050e herumgebaut ist, benutzt Hinterberger auch zum Rendern von Videos. Die Maschine hat im Normalbetrieb eine Leistungsaufnahme von 22 Watt.
Die Jagd nach dem Netzteil
Neben dem Prozessor sind auch Mainboard und Netzteil für den gelungenen Aufbau eines LLL-PCs wichtig. Auf seiner Website führt Hinterberger einige Beispiele auf. "Tendenziell sind Gigabyte-Mainboards recht sparsam. Die von Asus brauchen viel Energie", sagt er bedauernd. In seinem Atom-Rechner steckt ein Micro-ATX-Board für Industriecomputer, das er wegen des guten AV-Ausgangs gewählt hat. "Deswegen ist dieses Modell mit rund 450 Euro Hardware-Kosten relativ teuer", sagt Hinterberger.
Auf die aus herkömmlichen Desktop-PCs bekannten eingebauten Netzteile verzichtet Hinterberger. Er kauft sich Notebook-Netzteile mit hohem Wirkungsgrad auf Online-Handeslplattformen. Hier sind archaische Jagd- und Sammelinstinkte gefragt. "Das Schwierigste ist, effiziente 12-V-Netzteile im Handel zu finden", sagt Hinterberger. "Es gibt sie zwar, aber als normaler User kommt man da kaum ran." So behilft er sich mit originalen Netzteilen für ältere IBM- oder Toshiba-Notebooks, die zuweilen günstig bei Händlern im Netz zu haben sind. Fünf bis zwölf Euro zahlt Hinterberger für diese Geräte.
Geschickter Wandler
Ein weiteres wichtiges Bauteil ist ein winziges Gerät namens PicoPSU, ein DC/DC-Wandler mit ATX-Anschluss und einer Leistung von 120 Watt, der die Verbindung zwischen Netzteil und Computerkomponenten herstellt. "Auch darauf könnte man verzichten, wenn die Hersteller Mainboards mit 12-24-Volt-Eingang bauen würden. Eigentlich ist der ATX-Anschluss in der Zwischenzeit für Bürocomputer obsolet geworden", sagt Hinterberger.
LLL-PCs sind fürs Surfen im Web und für Büroaufgaben gut geeignet. Nur zum Spielen eignen sie sich nicht. "Man muss eine sparsame Onboard-Grafik nehmen. Zusätzliche Grafikkarten verbrauchen zu viel Energie", sagt Hinterberger, der sich auch darüber ärgert, dass Intel auf seiner Atom-270-Plattform zwar einen Stromsparprozessor anbietet, diesem aber einen vergleichsweise gierigen Chipsatz zur Seite stellt.
Hinterberger verfolgt natürlich auch die Bemühungen der großen PC-Hersteller, stromsparende Rechner auf den Markt zu bringen. Doch an den meisten Geräten findet er zu viele technische Kompromisse. "In dieser Zeitschrift schreiben sie über einen Stromspar-PC. Der braucht dann im Leerlauf 36 Watt. Aber nur deshalb, weil die Hersteller schlechte Netzteile verwenden", sagt Hinterberger. Also baut er seine Rechner lieber selbst. Macht ja schließlich auch mehr Spaß, als einfach einen fertigen Computer aus dem Regal zu kaufen.
(futurezone/Günter Hack)