Deutsche Bahn gibt gegen Blogger klein bei
Die Deutsche Bahn (DB) will keine weiteren rechtlichen Schritte gegen das Weblog Netzpolitik.org unternehmen, das von dem Unternehmen zuvor wegen der Veröffentlichung eines Dokuments zur Datenaffäre abgemahnt worden war.
"Wir werden gegen Netzpolitik.org nicht weiter juristisch vorgehen", bestätigte ein Sprecher der DB am Freitag gegenüber ORF.at. Bereits zuvor hatte der Wikimedia-Mitarbeiter Mathias Schindler in seinem Weblog eine entsprechende Aussage eines DB-Unternehmenssprechers gemeldet.
Markus Beckedahl von Netzpolitik.org zeigte sich über das Ende der Auseinandersetzung erleichtert: "Es ist erfreulich, dass die Deutsche Bahn erkannt hat, dass sie nicht wirklich rechtliche Gründe für die Abmahnung hatte", sagte er zu ORF.at.
Umstrittenes Memorandum
Die DB hatte am Dienstag von Netzpolitik.org verlangt, ein dem Weblog zugespieltes Dokument aus dem Netz zu nehmen, in dem ein Gespräch zwischen Vertretern des Berliner Datenschutzbeauftragten und Vertretern der Bahn AG protokolliert war, und in dem auch die Vorgehensweise des Konzerns bei der Bespitzelung von Mitarbeitern und des von der Bahn beauftragten Unternehmens Network Deutschland detailliert aufgeführt wurde. Die DB sah in der Publikation des Dokuments eine "Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen".
Beckedahl weigerte sich, das Dokument, das mittlerweile auch über Wikileaks und BitTorrent-Netzwerke abgerufen werden kann, von seiner Site zu entfernen. "Ich bin der Meinung, dass eine aufgeklärte Demokratie das zulassen sollte", schrieb Beckedahl auf Netzpolitik.org. Das Dokument sei für den öffentlichen Diskurs rund um die Überwachungsaffäre der Deutschen Bahn AG relevant.
Das Memorandum diente bereits vor der Veröffentlichung auf Netzpolitik.org als Grundlage für Artikel in deutschen Zeitungen zur Screening-Affäre, beispielsweise im Hamburger Wochenblatt "Die Zeit" und in der "Süddeutschen Zeitung".
Scharfe Kritik in Blogs und Medien
Zahlreiche Weblogs kritisierten den Umgang der DB in der Sache scharf und bekundeten ihre Solidarität mit Netzpolitik.org. Die Berliner Tageszeitung "taz" hievte die Geschichte am Donnerstag unter dem Titel "Blogwart Mehdorn: Bahnchef will kritische Internet-Berichte über den Spitzelskandal verbieten lassen" sogar auf die Titelseite.
Die Fortsetzung des Verfahrens hätte an der Verbreitung des Dokuments nichts geändert, begründete der Unternehmenssprecher den Rückzug der DB.
Beckedahl selbst wurde von der Bahn nicht verständigt. Er will seinerseits von einer Feststellungsklage gegen die DB absehen und gewinnt der Angelegenheit sogar positive Seiten ab. Der Ausgang der Auseinandersetzung sei auch ein "schönes Zeichen dafür, wie hochgradig vernetzt die sozialen Medien in Deutschland sind."