Lexikon zur Games-Geschichte

BUCHTIPP
09.02.2009

Der Fachjournalist Winnie Forster hat sein umfangreiches Lexikon der Computer- und Videospielmacher vorgelegt. Anatol Locker hat sich das 400-Seiten-Werk angesehen.

Anfang der 1980er, als Microprose bedeutender war als Microsoft, waren Informationen über die Computerspielszene ein vergleichsweise knappes Gut. Interessierte suchten sich ihre Infobits über Mundpropaganda, finstere Raubkopiererfreunde und Fachzeitschriften zusammen. Heute gibt es zu viele Informationen zu diesem Thema, findet Winnie Forster: "Je mehr zu einem Menschen, Spiel oder einer Firma publiziert wurde, desto kniffliger wird es, das Relevante und Korrekte herauszufiltern."

Der Autor

Winnie Forster ist Videospiele-Journalist der ersten Stunde. 1990 arbeitete er als Redakteur bei der deutschen Fachzeitschrift "Powerplay", gründete 1991 mit Kollegen "Video Games" und leitete ab 1993 mit Martin Gaksch das Magazin "Maniac" (heute "M-Games"). Seit 2002 schreibt Forster, der in Utting am Ammersee lebt, Bücher über Spiele. Erschienen sind bisher "Joysticks" sowie "Spielkonsolen und Heim-Computer" im Gameplan-Verlag.

Vergessene Schwergewichte

Forsters drittes Buch ist ein Nachschlagewerk. In "Computer- und Videospielmacher" porträtiert er 200 Spieledesigner, 1.300 Firmen sowie 4.500 Spiele. Die Zeitspanne reicht von den frühen 1970er Jahren bis heute; viele der porträtierten Personen traf der Autor persönlich.

Die Beiträge sind alphabetisch sortiert; der Stil ist lexikalisch, nüchtern, wertfrei. Auf den ersten Blick nicht unbedingt ein Buch, das man in die Hand nimmt, um zu schmökern. Doch dem Rezensenten fiel es schwer, es aus der Hand zu legen. Nach wenigen Minuten brechen Erinnerungen und Neugier durch. Wer gründete noch schnell "Oddworld Inhabitants"? Wann sperrte US Gold zu? Was trieb den Adventure-Pionier Infocom in den Ruin? Wann starb Dan Bunten? Man blättert: Sega, Sensible Software, Sierra On-Line, Sir-Tech, Spectrum Holobyte, System 3 ... zwei, drei Stunden verfliegen beim Erstkontakt mit dem 400-Seiten-Nachschlagewerk wie im Flug.

Winnie Forster: Lexikon der Computer- und Videospielmacher. Gameplan 2009, 27,80 Euro.

ISBN: 978-3-00-021584-1

Einzelkämpfer und Industriebetriebe

Schon beim ersten Überfliegen der Beiträge lässt sich die Industrialisierung der Spielebranche gut nachvollziehen. Waren zu Heimcomputer-Zeiten noch die individuellen Programmierer die Helden, wurden sie in den 1990ern von den Firmen- und Markennamen überstrahlt. Da Forster auch die wirtschaftlichen Aspekte der Firmengeschichte behandelt, lesen sich die Einträge streckenweise wie ein Wirtschaftskrimi - nur dass statt Personen Games die Hauptrolle spielen. Werdegang, Erfolge, Scheitern: Solche "biografischen Details" zu vermitteln gelingt Forster auch bei Firmenporträts sehr gut.

Perfekt ist das Werk jedoch nicht - was der Autor selbst auch zugesteht. Das Lexikon ist nicht komplett, es fehlen Firmen und Personen, die laut Autor sonst den Rahmen des Buchs gesprengt hätten. Weiters vermisst der Wikipedia-verwöhnte Leser zuweilen schmerzlich die Maus, um sich von einem Querverweis zum nächsten hangeln zu können.

Offline-Lexikon im Wikipedia-Zeitalter

Perfekt wäre das Lexikon der Computer- und Videospielmacher wohl als E-Book. Dann wäre es wohl auch möglich und wirtschaftlich vertretbar, die Abbildungen und Firmenlogos im Inneren des Buchs in Farbe darzustellen, nicht nur in Schwarz-Weiß.

An dieser Stelle kommt der Gedanke, dass es heute vielleicht anachronistisch sein mag, ein Lexikon zum Thema Games noch als Buch zu veröffentlichen. Doch Forsters Recherchen sind solide, seine Arbeit ist ein Standardwerk, das als Ausgangspunkt für neue Recherchen dienen kann.

(Anatol Locker)