© Fotolia/Galina Barskaya, Foto eines vollen U-Bahn-Waggons, in dem nur ein Mann scharf dargestellt ist.

3-D-Biometrie von der NSA

BIOMETRIE 2.0
13.02.2009

Hinter der neuen Forschungsabteilung IARPA des Pentagon steht unter anderem das vormalige "Büro für disruptive Technologien" der NSA. Das Projekt BEST soll die biometrische Identifikation von "nichtkonditionierten und nichtkooperativen Individuen" aus der Ferne ermöglichen. Dazu werden 3-D-Bilder mit Augen- und Sprachbiometrie kombiniert.

"Biometrische Technologien, die für BEST nicht interessant sind", seien solche, die direkten Kontakt voraussetzten, wie etwa Fingerabdrücke, heißt es in der Ausschreibung zum "Biometrics Exploitation Science and Technology"-Programm (BEST). Die Ausschreibung fand kurz vor Weihnachten statt, Mitte Jänner war dann der Präsentationstermin.

Ebenso wenig interessiert sei man an Ideen zur Entwicklung von Produkten, die in erster Linie bestehende Anwendungen nur "schrittweise, evolutionär verbessern".

Die Direktoren

Ein Ableger der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) ist diese neue "Aktivität" trotz aller Namensähnlichkeit nicht, sie untersteht direkt dem obersten US-Geheimdienstkoordinator. Seit 30. Jänner ist das Dennis C. Blair, der Nachfolger von John Negroponte.

Neben der NSA-Abteilung wurden seit 2006 auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der National Geospatial-Intelligence Agency und des Intelligence Technology Innovation Center der CIA in dem neuen Kompetenzzentrum zusammengelegt.

IARPA-Direktorin Lisa Porter hat einen steilen Aufstieg von der DARPA über die NASA bis hin zur IARPA hinter sich. Davor hatte Porter am MIT Nukleartechnik studiert und an der Universität Stanford in Angewandter Physik promoviert.

3-D, hochauflösend

Ziel des Programms der neuen Abteilung des US-Militärgeheimdiensts Intelligence Advanced Research Projects Activity (IARPA) sei vielmehr, die momentan verwendeten Technologien in puncto Treffsicherheit "um den Faktor drei zu übertreffen".

Dabei geht es um "hochauflösende 3-D-Gesichtsbilder mit Kopfform und Hauttextur", kombiniert aus herkömmlicher Gesichts- und Augenbiometrie.

"Konditionierte Individuen"

All das soll dezidiert nicht nur unter Studiobedingungen funktionieren und eben nicht "hautnah", sondern aus Distanz unter "nichtkontrollierten" Bedingungen. Dabei sollten bessere Ergebnisse erzielt werden, als sie mit derzeitigen Systemen gegenüber "kooperativen oder konditionierten Individuen" unter "kontrollierten Akquistionsbedingungen" erreicht würden.

Aus dem Militärjargon übersetzt bedeutet all das: 3-D-Gesichtserkennung von Menschen in nicht kontrollierter Umgebung, also in Bewegung bei schlechten Lichtverhältnissen und aus einer bestimmten Entfernung.

Das Gesicht in der Menge

Das lässt eine Reihe von Interpretationen offen, die allesamt nicht eben freundlich klingen: vernetzte Kamerasysteme in urbanen Räumen, die entweder feindselige oder gleichgültige Menschenansammlungen bzw. -bewegungen beobachten und einzelne Teilnehmer nach den genannten biometrischen Kriterien erfassen.

3-D-Gesichtsmodelle werden dann mit vorhandenen Datenbankeinträgen abgeglichen, dazu kommen die Vergleichsergebnisse von Hauttextur und Augenbiometrie, Scans von Iris und/oder Retina. Man will also das sprichwörtliche "Gesicht in der Menge" ausfinding machen und letztlich auch identifizieren.

"Büro für disruptive Technologien"

Als drittes Instrument zur Fernidentifikation von Menschen wird denn auch "Speaker-Recognition" in der Ausschreibung der IARPA angeführt.

Spracherkennung interessiert diese neu gegründete "Aktivität" ebenfalls besonders, zumal eine ganze NSA-Abteilung in der IARPA aufgegangen ist und Stimmbiometrie schon immer die Domäne dieses Supergeheimdienstes war.

Bei dieser NSA-Abteilung handelt es sich um das Disruptive Technology Office ("Büro für disruptive Technologien"), das davor unter dem Titel Advanced Research and Development Activity (ARDA) gelaufen war.

Das Disruptive am Beispiel Radio

"Disruptive Technologien" sind irgendwo zwischen "evolutionär-inkrementellen" und "revolutionären" Technologien definiert. Es ist immer dann von "disruptiv" die Rede, wenn eine ursprünglich "revolutionäre" Erfindung und in ihrer Entwicklung linear verlaufene Entwicklung plötzlich eine neue Qualität gewinnt. Die Braun'sche Triode, von der sich bis heute sämtliche Funk- und Radiotechnologie herleitet, war beispielsweise revolutionär und wurde von 1915 an im Auftrag der Militärs aller Kriegsparteien entwickelt. Ab 1916 ging sie überall in Massenproduktion, was zusammen mit dem darauffolgenden Kriegsende einen disruptiven Schub bewirkte. Die Kombination einer so großen Zahl an arbeitslosen, ausgebildeten Funkern und ebenso viel Hardware, die nicht mehr gebraucht wurde, hatte ein neues, anfangs rein ziviles Medium namens Radio entstehen lassen. Alle davor bekannten Anwendungen derselben Technologie waren unter staatlicher Hoheit gestanden und hatten ausschließlich als Instrument zur Befehlsübermittlung gedient.

Das Auge in der Pyramide

Obwohl das offiziell natürlich nicht bestätigt wird, gehen die Ursprünge wenigsten von großen Teilen des Projekts IARPA auf das berüchtigte "Total Information Awareness"-Forschungsprogramm (TIA) des Information Awareness Office der DARPA unter Admiral John Poindexter zurück, das im Februar 2003 gestartet worden war.

Allein das TIA-Logo - ein Auge in der Pyramide - war schon dazu angetan, neben rationalen Befürchtungen auch neue Verschwörungstheorien über Illuminaten anzuheizen, für die das Symbol nun einmal steht. Die martialischen Erklärungen des Admirals taten dann das Übrige, um die Proteste von allen Seiten anzufachen.

Einmal NSA und zurück

Das Akronym TIA wurde neu als "Terrorism Information Awareness Program" definiert und verschwand schließlich von der Bildfläche beziehungsweise im "Büro für disruptive Technologien", um nun in der IARPA wieder aufzutauchen.

Ganz offenbar erwartet man sich vom BEST-Programm einen Schub durch die Kombination mehrerer Biometrie-Anwendungen, mittels derer Individuen auch unter Gefechtsbedingungen aus der Entfernung identifiziert werden können. Hier sind die Fehlerraten noch so immens, dass ein Einsatz nur unter Studiobedingungen sinnvoll ist.

Wie es weitergeht

Am "Proposer's Day" für das BEST-Programm der IARPA am MITRE Institute haben jedenfalls gut 130 Vertreter aus Industrie und Forschung teilgenommen.

Welche Produkte dabei auf der Tagesordnung standen und welche Projekte die IARPA noch verfolgt, lesen Sie im nächsten Teil der Serie.

Links:

(futurezone/Erich Moechel)