Tesla: Das Beschleunigungsteilchen
Wenn diesen Sommer die ersten Elektroautos der Marke Tesla auf Österreichs Straßen fahren, wird nicht nur die Luft etwas sauberer sein, sondern auch der Lärmpegel sinken. Das Fehlen eines Verbrennungsmotors reduziert die Geräuschkulisse des Roadsters auf das Wesentliche. Sollten Fahrzeuge wie der Tesla die Autos der Zukunft sein, werden wir alle umlernen müssen. Ein Erfahrungsbericht.
Der Wagen beschleunigt. "So muss sich ein Teilchen im Large Hadron Collider fühlen", denkt der Passagier, "vielen Dank, Mr. Newton." Er ist schnell wie der Blitz, der Tesla Roadster, ein Elektroauto, dessen Motor mit 248 PS und einem maximalen Drehmoment von 380 Nm das 1.238 Kilogramm schwere Gefährt in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultiert, das mit voll aufgeladenen Akkus 393 Kilometer Reichweite schafft.
Das Chassis des Roadsters kommt vom britischen Traditionshersteller Lotus. In Kalifornien bauen die Experten von Tesla Motors dann die Elektronik ein - und den "Tank", 6.831 zusammengeschaltete und auf rund 20 Grad temperierte Lithium-Ionen-Akkus, wie sie auch in Notebooks stecken.
Chris Cummins war für fm4 mit dem Tesla unterwegs.
Flüsterleises Statussymbol
Das Konzept scheint aufzugehen. Während angesichts von Wirtschaftskrise, Klimadebatten und instabilen Spritpreisen andere kraftvolle - und spritschluckende - Kraftprotze zunehmend zu Ladenhütern verkommen, ist der Tesla Roadster derzeit ausverkauft.
Aktuelle Wartezeit: mindestens ein Jahr. Und das, obwohl das Gefährt mit einem Basispreis von 109.000 US-Dollar beziehungsweise 99.000 Euro (vor Steuern) nicht gerade zu den günstigen Angeboten gehört.
Tesla arbeitet schon an der nächsten Generation, dem Fünfsitzer- und Viertürer-Model S, der am 26. März offiziell vorgestellt und ab 2011 ausgeliefert werden soll. Zudem soll über eine Kooperation mit Daimler die Tesla-Technologie auch in den smart Einzug halten, wenn auch vorerst nur in rund 1.000 Stück. 2009 sollen 250 Tesla Roadster in Europa ausgeliefert werden, 125 sind bereits reserviert. Am Montag stellt das Portal Oekonews.at den Roadster erstmals in Wien vor.
Klein und schnell
Ab Mai werden die ersten Tesla Roadster, als spezielle "2009 Signature Edition", in Europa ausgeliefert, darunter auch in Österreich, sagte Teslas Marketing-Direktor für Europa, Craig Davis, gegenüber ORF.at.
Er steigt aufs Gaspedal, für das man in Zusammenhang mit dem Tesla vielleicht doch eine andere Bezeichnung verwenden sollte. "Fahrpedal" klingt zu sehr nach Drahtesel. Das britische "Accelerator" passt in diesem Fall viel besser. Schon bei sanfter Berührung zieht die Maschine kraftvoll durch, und die Beschleunigungskraft drückt Fahrer und Passagier in die Polster.
An der nächsten Ampel ruckelt vor uns ein dicker Audi an und stirbt. Der Fahrer rudert wild mit den Armen. Man hört ihn noch durchs Sicherheitsglas fluchen. "Old technology", sagt Davis.
Der erste Eindruck
Elon Musk, durch den Verkauf des Zahlungssystems PayPal an eBay reich gewordener CEO von Tesla Motors, glaubt fest daran, dass sein Unternehmen so revolutionär ist wie die Ideen des Namenspatrons, des serbischstämmigen Elektro-Genies Nikola Tesla. Dabei sieht der Roadster auf den ersten Blick wie ein normales Auto aus, wenn auch wie ein besonders sportliches. Das zeigt sich schon beim Einsteigen, bei dem Fahrer und Passagier einiges an Beweglichkeit abverlangt wird.
Im Inneren deutet auf den ersten Blick nichts darauf hin, dass fürs Vorwärtskommen kein Benzin oder Diesel verbrannt wird.
Erst beim Drehen des Zündschlüssels fällt auf, dass etwas anders ist: Bis auf einen kurzen Signalton gibt es keine weiteren Anzeichen dafür, dass das Auto tatsächlich fahrbereit ist. Keine Vibration des Motors und damit des Autos selbst, keinerlei Geräusch, absolute Stille. Ein ungewohntes, aber sehr angenehmes Gefühl.
Fahrtwind und andere Geräusche
Erst als sich der Zweisitzer in Bewegung setzt, entsteht durch die Abrollgeräusche und den Wind am Chassis eine Fahrakustik, die ebenfalls ungewohnt ist: Während bei herkömmlichen Autos der Motorenlärm die Umgebungsgeräusche übertönt, bekommt man beim Tesla den Fahrtwind hautnah mit.
Das Gefühl, auf einem fliegenden Teppich zu sitzen, wird durch die Roadster-Bauweise und das Stoffdach (die europäische Version wird mit einem Hardtop ausgeliefert) noch begünstigt.
Das Tanken
Der Tesla Roadster kann über eine haushaltsübliche Steckdose mit 220 Volt geladen werden, dann dauert der Ladevorgang 16 bis 18 Stunden. Mit Starkstrom bis 400 Volt und 64 Ampere dauert der Ladevorgang vier Stunden. Die Gesamtspeicherkapazität des Akkupacks beträgt 53 kWh, eine gesamte Ladung kann aber bis zu 70 kWh benötigen.
Herausforderung für Ingenieure und Fußgänger
Die Möglichkeit, flüsterleise Autos zu bauen, stellt Ingenieure, Reifenproduzenten und Verkehrsplaner vor neue Herausforderungen. Auch jene Verkehrsteilnehmer müssen umdenken, die nicht mit einem Elektroauto unterwegs sind.
Immerhin gibt es selbst bei einem Schnellstart an der Ampel keinerlei akustische Anzeichen dafür, dass der Fahrer eines Tesla die immense Beschleunigungskraft des Elektromotors wirklich ausnützt, außer vielleicht dem Quietschen der Reifen.
Fußgänger werden sich darauf einstellen müssen, dass es beim Überqueren der Straße nicht mehr reicht, vielleicht nur zu lauschen, ob ein Auto um die Ecke kommt. Andere Autofahrer sollten zweimal in den Rückspiegel schauen, um sichergehen zu können, dass der Hintermann auch wirklich hinten bleibt.
Keine Zukunftsvision mehr
Die verlockende Beschleunigungskraft hat übrigens ihre Tücken: Alle Dinge, die im Inneren des Autos nicht ordentlich verstaut sind, werden bei einem echten Sprint durch die Gegend geschleudert. Auch hier wird - gerade bei sportlichen Fahrern - ein Umdenken stattfinden müssen.
Zudem ist der Kofferraum durch den hinten angebrachten Akkublock und das Getriebe relativ klein dimensioniert, gerade einmal ein einzelner Koffer findet darin Platz. Auch unter der "Motorhaube" gibt es keinen Stauraum. Denn hier steckt das Kühlsystem für die Akkus.
Ansonsten fährt sich der Tesla Roadster wie ein ganz normales Auto - und genau das ist auch das Faszinierende an ihm: Waren Elektroautos bisher vor allem Machbarkeitsstudien oder unansehliche Demonstrationsobjekte, zeigt der Tesla, dass ein wirklich leistungsfähiger Elektroantrieb für Autos grundsätzlich keine Zukunftsvision mehr ist.
Grenzen der Benutzerfreundlichkeit
Natürlich kann man sagen, dass 400 Kilometer Reichweite und Ladezeiten von vier Stunden nicht für alle Anforderungen einer mobilen Lebensweise ausreichen, für die tägliche Strecke in die Arbeit oder einen Wochenendausflug in die nähere Umgebung reicht es aber locker - wären da nicht der Preis und die gerade für Stadtbewohner und Wohnungsbesitzer unpraktische Bedingung einer Tanksteckdose.
Neue Wege der Autowartung
Expansion nach Europa
Demnächst eröffnet Tesla je eine Niederlassung in London und in München. In anderen europäischen Städten sind Niederlassungen geplant. Auch Wien könnte darunter sein - je nach Nachfrage, so Davis.
In Sachen Wartung ist der Tesla laut Davis ebenfalls zukunftsweisend: Im Inneren des Autos gibt es einen USB-Anschluss, über den der Fahrer den Logfile des Systems herunterziehen und an den Hersteller via Internet schicken kann. Darin enthalten sind Daten wie Ladezeit, Kühltemperatur und Geschwindigkeit, die der Werkstatt Aufschluss über etwaige Probleme des Autos geben können.
Da ein Elektromotor weniger bewegliche und damit verschleißbare Teile habe, werde so auch die Wartung deutlich einfacher, so Davis. So gibt es etwa nur drei Flüssigkeiten im Tesla Roadster: die für die Kühlung der Akkus, die Bremsflüssigkeit und die zum Putzen der Scheiben.
Umweltfreundlichkeit mit Spaßfaktor
Mit seinem Roadster hat der US-Hersteller Tesla etwas geschafft, was die Autobranche lange Zeit für unrealistisch erklärte: ein Elektroauto, das mit 400 Kilometer Reichweite ausreichend fahrerfreundlich ist und Spaß macht. Das liegt einerseits sicher an der immensen Beschleunigungskraft, andererseits auch an der Tatsache, dass man es ohne Verbrennung fossiler Energie nutzen kann und die Energieeffizienz mit 90 Prozent deutlich höher ist als bei klassischen Verbrennungsmotoren.
Sofern man die Energie etwa aus einer Solaranlage oder anderen umweltfreundlichen Quellen bezieht, kann das schlechte Gewissen beim Tesla zumindest zum Teil zu Hause bleiben, und Autofahren wird wieder etwas unbeschwerter. Zumindest beim Fahren setzt das Auto nämlich keine Abgase frei.
Auch wenn der Tesla Roadster mit seinem Preis und seiner eher beschränkten Alltagstauglichkeit derzeit vor allem für finanzstarke Spaßfahrer und Early Adopters interessant ist, zeigt er doch den Weg in eine mögliche Zukunft, die bei entsprechender Weiterentwicklung der notwendigen Technologien auch für alle erschwinglich sein könnte.
2011 will Tesla mit dem Modell S einen weiteren Beweis dafür liefern. Der Fünfsitzer mit vier Türen soll dann nur noch die Hälfte des Roadsters kosten.
Zukunft der Mobilität
Ob Individualverkehr mit Elektroautos die mit der Mobilität verbundenen Umweltprobleme lösen kann, sei dahingestellt. Tesla verhält sich dennoch zur traditionellen Automobilindustrie wie Apple zu den Musikkonzernen. Offenbar muss erst ein Außenseiter mit einem smarten Produkt kommen, damit die starren Strukturen des etablierten Systems wieder beweglich werden - eine Eigenschaft, die gerade im Geschäft mit der Mobilität nicht ganz unwichtig erscheint.
Musk glaubt nicht, dass es Tesla Motors so ergehen wird wie dem Namenspatron der Firma. Der nämlich starb 1943 verarmt in einem New Yorker Hotelzimmer. Kürzlich verkündete Musk, dass Tesla Motors schon im Sommer 2009 in die schwarzen Zahlen kommen soll. Für die Zielgruppe des Roadsters sollte die individuelle Mobilität jedenfalls auch mittelfristig erschwinglich bleiben.
(futurezone/Nadja Igler/Günter Hack)