© AP/Michael Felberbaum; Fotolia/Giorgio Gruizza (Montage), Foto eines Gesichts auf einem IPhone

Gesichtsbiometrie mit dem iPhone

BIOMETRIE 2.0
16.02.2009

In den USA arbeitet ein mächtiger Innovationscluster im Auftrag der Militärgeheimdienste an den biometrischen Erkennungssystemen der Zukunft. Darunter befindet sich auch die US-Firma Animetrics, die am Freitag von der US-Armee ihren ersten Auftrag erhielt. Die 3-D-Gesichtserkennungssoftware der Firma läuft auf dem iPhone.

Das erste (halb)öffentliche Event der neuen US-Geheimdienstabteilung IARPA (Intelligence Advanced Research Activity) im Jänner war einem Thema gewidmet, das förmlich dazu einlädt, es mit "Biometrie 2.0" zu betiteln.

Aus dem "Biometrics Exploitation Science and Technology"-Programm der IARPA sollen nämlich "berührungslose" Biometrielösungen hervorgehen, die aus der Distanz einzelne Menschen auch unter ungünstigen Lichtbedingungen identifizieren können.

Keine der in Gebrauch befindlichen Biometrielösungen kann das derzeit auch nur annähernd leisten. Auch scheinbar vielversprechende Ansätze wie Verhaltens- und Bewegungsanalysen mit Hilfe von neuronalen Netzen produzieren immer noch um ein Vielfaches zu hohe Fehlerraten.

Schon bei minimal verschlechterten Lichtverhältnissen werden überproportional viele Individuen entweder falsch zugeordnet oder nicht erkannt.

Das Treffen in McLean

Das will die neu gegründete IARPA, in der je eine Forschungsabteilung der NSA und der CIA aufgegangen sind, mit dem BEST-Programm so schnell wie möglich ändern.

Dazu traf man sich mit Industrie und Wissenschaft am "Proposers' Day", abgehalten in McLean, Virginia im MITRE-1-Gebäude, auf einem Campus, der sehr interessante Nachbarn hat.

IARPA und die NSA

Mehr über die Herkunft der IARPA aus dem "Büro für disruptive Technologien" der NSA und einer CIA-Forschungsabteilung lesen Sie im ersten Teil unserer Serie.

Rang und Namen

Unter den etwa 130 Anwesenden waren Vertreter von Firmen, Universitäten und Forschungsinstituten der Militärs.

Was in den Ingenieurswissenschaften und weit darüber hinaus in den USA akademischen Rang und Namen hat, war da: Caltech, Carnegie Mellon, Johns Hopkins, die Universitäten Notre Dame, Maryland, Houston sowie Forscher der Universität von West Virginia, die seit den 90er Jahren eine auf Biometrie spezialisierte Abteilung unterhält.

Aus dem Lieferantenbereich für das BEST-Programm waren die "üblichen Verdächtigen" vertreten, nämlich Unternehmen, die eigentlich für ganz andere Produkte wie etwa Kampfjets und Raketensysteme stehen.

Boeing, Northrop Grumman

Um die eigenen Forschungslabors abzusichern, hatten Boeing, Raytheon, Lockheed Martin und Northrop Grumman - die direkt auf dem MITRE-Campus eine Niederlassung haben - schon in den frühen 90er Jahren auf Biometrie gesetzt.

Über die Einhaltungen diesbezüglicher Sicherheitsvorschriften wacht seit jeher die NSA, in deren Domäne Biometrie angesiedelt ist.

Akademikerrate 65 Prozent

Anders als der Name suggeriert ist die MITRE Corporation kein kommerziell orientiertes, sondern ein Non-Profit-Unternehmen. Auch wenn die Bedeutung des Akronyms nicht offiziell bekanntgegeben wird, dürfte es doch für "Massachussetts Institute of Technology Research" stehen. Kurz nach der Gründung 1958 übernahm das MITRE jedenfalls Hunderte MIT-Mitarbeiter.

Von den derzeit 6.800 im MITRE angestellten Forschern, Entwicklern und Consultants sind laut eigenen Angaben 65 Prozent Akademiker mit Masters- oder Doktortitel. Die im MITRE versammelte Expertise reicht von Luft- und Raumfahrt bis zu "Homeland Security", "Intelligence, Surveillance, Reconnaissance" bis zu "Emerging Technologies".

Neben den Riesen aus der Rüstungsindustrie waren kleinere und jüngere Firmen wie Cogent Systems und SAGEM Morpho - ein US-Ableger des französischen Rüstungskonzerns SAGEM- vertreten, die beide mit dem US-Ministerium für Heimatschutz und dem FBI mit herkömmlicher Zwei- oder Zehnfingerprint-Biometrie bereits glänzende Geschäfte gemacht hatten.

Gesichtserkennung

Die eigentlich interessanten Teilnehmer aber stellten etwa zwei Dutzend Unternehmen, die über die Biometrieforschung hinaus weitgehend unbekannt sind.

Cognitec Systems etwa ist in der Szene dafür bekannt, sich als eine der ersten Firmen mit Systemen zur automatischen Gesichtserkennung befasst zu haben.

Das von der später verkauften ehemaligen Siemens-Tochter seit 1995 entwickelte Gesichtserkennungssystem FaceVacs kommt der Papierform nach den Vorgaben der IARPA schon recht nahe.

Flughäfen

So können die Cognitec-Systeme Videostreams anhand einer vorgegeben Datenbank gezielt durchsuchen und "Pose und Mimik" in eine Art "Normalgesicht" zurückrechnen, 3-D-Technologie beherrscht man nach eigenen Angaben ebenfalls.

Auf den Flughäfen von Frankfurt und Sydney ist das System bereits im Einsatz. Fraglich ist nur, ob eine Biometrie-Installation, die Personen auf einem Videostream von einem ausgesuchten Platz und guten Lichtverhältnissen mit einem ausreichenden Wirkungsgrad identifizieren kann, ähnliche Ergebnisse bei einem Einsatz auf der Straße oder im Krieg erzielen kann.

Die Heimatschützer-Nachbarschaft

Aus dem offiziellen Anfahrtplan, den der Konferenzveranstalter zur Verfügung stellt, geht zwar hervor, dass Northrop Grumman auf dem MITRE-Gelände ebenfalls Gebäude innehat. Das nichtbenannte Gebäude auf dem Plan aber ist das Hauptquartier des Ministeriums für Heimatschutz, das wie das MITRE am Colshire Drive, McLean, Virginia residiert.

Die nächste Haupstraße, der Dolley Madison Boulevard, führt direkt in des Hauptquartier der CIA in Langley, das gerade einmal fünf Kilometer vom MITRE entfernt ist. Bis zum Hauptquartier der NSA in Fort Meade, Maryland sind es gut 50 Kilometer.

"Disruptive Technologie"

Darauf läuft nämlich das gesamte BEST-Programm der IARPA hinaus: Jene Kombination aus verschiedenen biometrischen Ansätzen, die alle zusammen eine "disruptive Technologie" ergeben, soll gefunden werden.

Gemeint ist also eine eminente qualitative Verbesserung einer Technologie, und zwar nicht durch eine revolutionäre Erfindung, sondern mit bereits vorhandenen Mitteln: "Distanzbiometrie" die um Dimensionen genauer als alle bisher bekannten Systeme funktioniert.

"Taktische Mittelstrecken-Biometrie"

An derlei arbeitet auch die neue Firma L-1 Identity-Solutions, die 2005 erstmals in Erscheinung getreten war. Eine Investorengruppe hatte 2005 erst die Gesichtsbiometriker Viisage gekauft, bis August 2008 kamen dann von Identix (Fingerprint) bis Iridian (Iris) quer durch die Branche insgesamt zehn einschlägig spezialisierte Firmen unter das Dach von L-1.

Kynen LLC wiederum, Teil eines Clusters von Militärzulieferfirmen, ist auf Distanzbiometrie spezialisiert und strebt die Marktführerschaft bei "taktischer Mittel- und Langstrecken-Biometrie" an ("tactical medium and long range biometric devices).

Das iPhone für Agenten

Da präsentiert sich Mitbewerber Animetrics schon weit weniger martialisch, ja nachgerade verspielt. "IFace ist eine native iPhone-Applikation" und habe bei den Militärs "jubelnde Akzeptanz" ("raving reviews") zu verzeichnen, heißt es auf der Website des Unternehmens.

Sowohl das National Institute for Standards and Technology wie auch die DARPA (Defense Adavanced Research Agency) hätten die bekannt einfache Benutzbarkeit und die hohe Qualität der Aufnahmen von Menschen zu Identifikationszwecken gepriesen.

"Entertainment unter Freunden"

Zudem könne man über das iPhone, den Safari-Browser und das Internet auf das "Animetrics Face Identity Management System" zugreifen. Das gilt freilich nicht nur für die Militärs, denn dieses Identitätsmanagementsystem läßt sich auch zu "Entertainment unter Freunden" gebrauchen.

Mit der "iFace Celebrity Edition" könne man sich und seine Freunde mit einer Datenbank von Celebritys abgleichen und feststellen, wer welcher Berühmtheit biometrisch wohl am ähnlichsten sieht.

- L-1 Identity Solutions

- IFace von Animetrics

Ein Auftrag von der Armee

Am Freitag hatte Animetrics jedenfalls den ersten Auftragseingang aus der Armee bekanntgegeben. Animetrics werde 3-D-Gesichtserkennungssysteme für die Biometrics Task Force der US-Armee liefern, der Auftrag kam von SAIC (Science Applications International Corporation), die für die Biometrietruppe der Armee den Generalunternehmer gibt.

Der Generalauftrag ist mit insgesamt 497 Millionen Dollar nicht eben schwach dotiert.

Der Generalunternehmer

Da es so gut wie keine Ausschreibung der Militärs im Hochtechnologiebereich gibt, an der SAIC nicht mitmischt, waren zwei Delegierte des börsennotierten Militärmultis auch am "Proposers' Day" am MITRE-Institut dabei.

Was über zwei weitere Technologieprojekte der IARPA, von denen eines völlig geheim gehalten wird, in Erfahrung gebracht werden konnte, lesen Sie im nächsten Teil der Serie.

(futurezone/Erich Moechel)