© Bild: The Pirate Bay, Pirates

Auftakt im Pirate-Bay-Prozess

JUSTIZ
16.02.2009

Am Montag beginnt in Schweden der Prozess gegen die drei Betreiber der bekannten Bittorrent-Website The Pirate Bay. Eine Verurteilung könnte ernsthafte Folgen für die gesamte Tauschbörsen-Szene haben.

In den nächsten zweieinhalb Wochen werden Filesharer und ihre Gegner gleichermaßen gebannt nach Stockholm schauen, wo am Montag ein Strafprozess gegen Hans Fredrik Neij, Gottfrid Svartholm Warg und Peter Sunde beginnt.

Die drei sind im Netz auch unter den Pseudonymen Anakata, Tiamo und Brokep bekannt, und ihre Website ist in den letzten Jahren zum Synonym für Bittorrent-Dateientausch geworden: The Pirate Bay wird rund um die Uhr von bis zu 25 Millionen Nutzern gleichzeitig genutzt, um nach Filmen, TV-Shows, Musik und Software zu suchen.

Gefängnisstrafe möglich

Rechteinhaber werfen den dreien deshalb vor, mit ihrem Angebot das Brechen von Urheberrechten zu unterstützen. So erklärte der US-Filmindustrieverband MPAA am Freitag in einer Presseerklärung, die Betreiber von Pirate Bay hätten jahrelang den illegalen Austausch von Filmwerken ermöglicht.

Die Stockholmer Staatsanwaltschaft will deshalb eine Geldstrafe von rund 110.000 Euro gegen die drei sowie einen ehemaligen Partner erwirken. Auch eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren wäre nach schwedischem Recht möglich.

Possen und Positionen

Die drei angeklagten Pirate-Bay-Betreiber glauben jedoch, dass ihre Website in Schweden legal ist, da sie keinen direkten Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Inhalte biete. Stattdessen biete man nur Torrent-Dateien an, die nicht verwerflicher seien als Links bei Google. "Dieser Prozess ist in unseren Augen reines Theater", sagte Sunde dazu am Sonntag während einer Pressekonferenz in Stockholm. Allerdings habe man gar nichts gegen Theater und wolle deshalb gerne selbst dazu beitragen, dass es eine gute Show werde.

Tatsächlich haben die Angeklagten und ihre Unterstützer für die 13 Prozesstage eine ganze Reihe von Aktionen geplant. So wird es am Montag anlässlich des Prozessauftakts eine Demonstration mit Ansprachen von Vertretern der schwedischen Piratenpartei und des Piratenbüros (Piratbyran) geben. Dazu wird man jeden Tag mit einem zum Pressezentrum umfunktionierten Bus vor dem Gericht Präsenz zeigen.

Neue Piraten-Site

Pünktlich zum Prozessbeginn startete zudem eine neue Website des Pirate-Bay-Teams, die täglich über die aktuellen Geschehnisse berichten will. Dazu setzt man auch auf Mithilfe von Freiwilligen aus dem In- und Ausland, um Nachrichten zu übersetzen und über Twitter und Blogs zu verbreiten.

Streit über Werbeeinnahmen

Einer der Hauptstreitpunkte des Prozesses ist die Frage, wie viel Geld die Website den Angeklagten einbringt. "Die Beweismittel in diesem Prozess werden zeigen, dass The Pirate Bay ein kommerzielles Unternehmen ist", meint dazu IFPI-Chef John Kennedy. "Seine Betreiber verdienen damit beträchtliche Summen, obwohl sie gerne behaupten, dass es ihnen nur um freie Kultur geht." Der Musikindustrieverband tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf und will für seine Mitglieder 1,6 Millionen Euro Schadenersatz erreichen.

Der federführende Staatsanwalt geht davon aus, dass die Website mehr als zwei Millionen Euro im Jahr mit Online-Werbung verdient. Die Pirate-Bay-Betreiber bestreiten diese Summen, haben selbst aber öffentlich noch keine Angaben zu ihren Umsätzen gemacht. Stattdessen verwiesen sie während ihrer Presseerklärung lieber auf die laufenden Kosten. Laut Sunde gibt man pro Jahr allein rund 80.000 Euro für Hardware aus. Pirate Bay nutzt derzeit mehr als 30 Server.

Bittorrent-Welt zunehmend zentralisiert

Doch was passiert, wenn sich die Ankläger durchsetzen? Während der Pressekonferenz zeigte man sich zuversichtlich, dass eine Verurteilung nicht das Ende für Pirate Bay bedeuten wird. Einerseits könne ein solches Verfahren sehr lange dauern, andererseits könne Pirate Bay auch ohne die drei derzeit im Rampenlicht stehenden Administratoren weiterbestehen.

Nicht jeder teilt diese Einschätzung. Der wachsende weltweite juristische Druck hat in den vergangenen Jahren zu einer immer größeren Zentralisierung der Bittorrent-Szene geführt. So gab Sunde am Sonntag zu, dass rund 50 Prozent des weltweiten Bittorrent-Datenverkehrs in Zusammenhang mit Pirate Bay stehen.

Überlastete Tracker

Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei den Tracker-Servern von Pirate Bay zu, die Bittorrent-Clients dabei helfen, Nutzer mit den für sie relevanten Fragmenten eines Films oder einer Musikdatei zu finden. Zahlreiche Bittorrent-Websites sind von diesen Trackern abhängig.

Pirate-Bay-Administrator Gottfrid Svartholm Warg sagte dazu am Sonntag, dass die Server derzeit rund 600 MBit pro Sekunde an Datenverkehr verursachen. Eine Abschaltung dieser Server könnte zu einem Dominoeffekt führen und alle anderen großen Tracker wegen Überlastung in die Knie zwingen.

Das Online-Magazin Torrentfreak veröffentlichte Ende letzter Woche eine Warnung holländischer Wissenschaftler vor einem möglichen Bittorrent-Zusammenbruch.

Zukunft ohne Piraten

Bittorrent-Nutzer bekamen einen ersten Vorgeschmack auf einen solchen Filesharing-Super-GAU, als die niederländische Torrent-Website Mininova im vergangenen Sommer wegen Hardware-Problemen vom Netz genommen werden musste. Der Ansturm der plötzlich heimatlosen Bittorrent-Nutzer auf andere Torrent-Sites war so groß, dass einige wegen Überlastung ebenfalls kaum noch erreichbar waren.

Bittorrent-Entwickler haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, das Protokoll für derartige Situationen zu optimieren. So unterstützen die meisten Bittorent-Clients mittlerweile verschiedene Formen dezentraler Vernetzung, um auch ohne Tracker-Server weiter Daten austauschen zu können. Experten zweifeln jedoch daran, dass diese DHT-Netze Tracker komplett ersetzen können.

Sunde ließ am Sonntag erkennen, dass er sich dieser Schwachstellen durchaus bewusst ist. Er hoffe, dass die Technologie weiterentwickelt werde. "Dann wird es für uns in der Zukunft keinen Bedarf mehr geben", so Sunde.

(Janko Röttgers)