© APA/DPA/Jochen Lübke, Messestände und Menschengetummel auf der CeBit 2008 in Hannover

Österreichische Projekte auf der CeBIT 2009

COMPUTERMESSE
17.02.2009

Von der interaktiven Musiklandkarte über neue Buchscanner bis hin zum Seniorenhandy mit GPS-Notruf: Viele österreichische Forschungseinrichtungen und Unternehmen zeigen auf der Computermesse CeBIT ihre Neuheiten. Im Business-to-Business-Bereich zeigen sich die Hersteller auch in der Wirtschaftskrise durchaus optimistisch.

Im Futurepark der Computermesse CeBIT, die vom 3. bis 8. März 2009 in Hannover stattfindet, präsentieren sich Forschungsinstitutionen und innovative Firmen verschiedener europäischer Regionen. Österreichische Projekte zur IT-Forschung gibt es heuer zum zweiten Mal am Stand der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) zu sehen.

Für Andreas Rauber, Koordinator des OCG-Standes auf der CeBIT und Professor am Institut für Software-Technik an der TU Wien, ist die Messe für große Forschungsinstitute ebenso wie kleine Firmen mit Nischenlösungen von Bedeutung. Die Wissenschaft publiziere im Normalfall auf Fachpräsentationen, und das zumeist auf einer sehr abstrakten Ebene. "Auf der CeBIT wird die fehlende Brücke geschlagen", so Rauber zu ORF.at.

Auf der Messe können sich Unternehmen über "funktionstüchtige Prototypen informieren und bei Interesse die Technologie in ihre Produkte integrieren", meint Rauber. Der Futurepark auf der CeBIT sei auf neue Technologien fokussiert und werde sehr gut angenommen, was sich an der hohen Besucherquote der Halle feststellen lasse.

Interaktive Musiklandkarte

Jungunternehmer Thomas Lidy, auch als Projektassistent an der TU Wien tätig, demonstriert das Ergebnis eines mehrjährigen Projekts einer Musiklandkarte namens Playsom. Mittels intelligenter Audioanalyse werden die Klangbilder von Musikstücken automatisch analysiert und Ähnlichkeiten festgehalten.

Auf einer "interaktiven Landkarte" werden die verschiedenen Musikbereiche als "Inseln" dargestellt und ermöglichen dem Nutzer, selbst einen Weg auf dieser Landkarte einzuzeichnen und sich somit eine eigene Musik-Playlist zusammenzustellen. Der Prototyp lässt sich auch auf dem Handy einsetzen.

Automatische Videonavigation

Semdav nennt sich das gemeinsame Projekt von P. Solutions und der Universität Wien. Das semantische Dokumenten-Managementsystem analysiert und vernetzt Dateien. Oft gehen in modernen Arbeitsabläufen die Beziehungen von Dokumenten zueinander verloren. Inhalte oder zeitliche Abfolgen von Dokumenten und deren Beziehungen werden in diesem Tool übersichtlich abgebildet.

Mit Next Generation Multimedia Services and Tools befasst sich die Universität Klagenfurt. Eines der drei auf der CeBIT vorgestellten Projekte der Universität ist die automatisierte und inhaltsbasierte Analyse von Videos. Ist auf DVDs das Navigieren von einem Kapitel zum nächsten vorcodiert, so erkennt die Software selbstständig einzelne Szenen in Videos und setzt automatisch Marker an den Schnittpunkten.

Live-TV mit Feedback

Salzburg Research zeigt mit Live eine Möglichkeit, künftig Live-Videoströme auch interaktiv zu gestalten. Zum einen ermöglicht das Tool, auch Zusatzinformationen zu Live-TV-Übertragungen anzuzeigen, wie etwa ergänzende Informationen zu Personen und Bildern. Zum anderen soll selbstständige Auswahl einer weiteren Kameraeinstellung von einem live übertragenen Ereignis möglich sein. Auch das Feedback des Zusehers soll über das Tool laufen. Das System wurde in Zusammenarbeit mit dem ORF realisiert, der die Programminhalte im Rahmen des österreichweiten TV-Experiments "ORF interaktiv" speziell aufbereitet und zur Verfügung gestellt hat.

Digitale Langzeitarchivierung

Um digitale Langzeitarchivierung geht es bei der Webapplikation "Plato" der TU Wien. Das Planungstool unterstützt einen standardisierten Workflow bei der Archivierung von Dokumenten.

So müssen etwa Staats- und Firmenarchive auch nachweisen, dass sie Daten korrekt und vollständig aufbewahren. Bei der Umwandlung der Dokumente in andere Formate gehen üblicherweise Daten verloren, wie beispielsweise jene auf der Makroebene. "Plato" hilft dem User beim Planungs- und Evaluierungsprozess und unterstützt teilweise automatisiert den Migrationsprozess.

Brain-Computer-Interface

Mit einem eigenen Messestand ist das Unternehmen G.Tec auf der CeBIT vertreten. Dessen Produktsortiment ist hauptsächlich für Forschungseinrichtungen interessant. Das Grazer Unternehmen, das mit Biosignalverstärker arbeitet, wird das Smart Home Control vorstellen. Die CeBIT habe für das Unternehmen mehr den "Bekanntmachungsfaktor" und könne dazu beitragen, etwa zu neuen Sponsoren zu führen, erklärt Gunther Krausz, bei G.Tec im Bereich Forschung und Entwicklung tätig.

Mit dem Smart Home Control können Personen, die ihre Muskeln nicht gezielt bewegen können, mit ihrer Umwelt kommunizieren. Schnittstelle ist das Brain Computer Interface (BCI), ein System, das über Elektroden Gehirnaktivitäten misst und Veränderungen in den Gehirnaktivitätsmustern erkennt. So lassen sich mit etwas Übung auf einer Bildschirmtastatur Texte verfassen und andere Elemente auf einem Computermonitor steuern.

Auf der Messe werde dafür auf dem Monitor ein virtueller Raum simuliert. Mittels BCI lassen sich etwa Licht und Musik ein- und ausschalten sowie Türen öffnen und schließen. In der Realität helfe die Technologie schwerstbehinderten Menschen, mit der Umwelt zu kommunizieren. BCI sei für den alltäglichen Gebrauch durch die breite Masse derzeit noch nicht geeignet. "Im Gegensatz zur Spracheingabe funktioniert BCI wesentlich langsamer, und zudem ist nach wie vor die Verkabelung notwendig", so Krausz.

Robotischer Buchscanner I

Wenn auch keine Größen wie AMD und Samsung heuer auf der Messe vertreten sind, für kleinere und mittlere Unternehmen ist sie dennoch von großer Bedeutung. Für Produktmanager Vitus Bösch von Qidenus ist die CeBIT eine der wichtigsten Messen weltweit, den "Einbruch sehe ich eher im Konsumentenbereich, weniger im Fachhandel".

Das Wiener Start-up-Unternehmen Qidenus präsentiert auf der CeBIT eine Weiterentwicklung ihres robotischen Buchscanners, der Bücher zeitsparend vollautomatisch digitalisiert.

Robotischer Buchscanner II

Der Konkurrent Treventus zeigt sein neues Buchscannermodell Scanrobot SR 301, der sich einer Saugtechnologie bedient. Im Gegensatz zum Vorgängermodell, das 1.000 Seiten pro Stunde schaffte, bringt es das neue Modell auf 2.500 und ist zudem auch für besonders kleine Bücher geeignet.

Im Frühjahr 2009 startete das Unternehmen ein e-Libary-Projekt in Deutschland. 20.000 Bücher sollen im Zuge des Projekts digitalisiert werden, nachdem die Copyright-Frage geklärt ist.

Stephan Tratter, Mitbegründer und heute Marketing- und Sales-Manager des Unternehmens, erklärt die Technologie folgendermaßen: "Der Scankopf besteht aus einem Glasprisma mit einem Spalt in der Mitte durch, das Luft angesaugt wird. Der Scankopf fährt auf die Buchmitte zu und verursacht beim Einsaugen einen Unterdruck, was bewirkt, dass der höhere Luftdruck von außen die Buchseiten an den Scankopf presst. Beim Hochfahren wird so die Buchseite ohne Verzerrungen eingescannt."

Intelligente Textilien

Ebenso in Hannover vertreten ist das seit 2004 bestehende Wiener Unternehmen Urban Tool. Das Start-up hat sich auf "intelligente Textilien" spezialisiert, das heißt Textilien mit IT-Funktionen und hohem Design. Geschäftsführerin Anja Herwig betont gegenüber ORF.at die Wichtigkeit der CeBIT, für das Unternehmen sei diese "ein zentraler Punkt, für neue Partner im europäischen Raum".

Auf der Messe wird es neue Laptop- und Gurttaschen zu betrachten geben. Zudem wird es eine Neuauflage der Percushion-Kissen geben, die im zweiten Quartal 2009 auch im Handel erhältlich sein werden. Die "Freisprechkissen" haben Mikrofon und Lautsprecher für ein bequemes Musikhören und Telefonieren im Liegen integriert. Die Übertragung erfolgt via Bluetooth, der integrierte aufladbare Akku verspricht eine Sprech- und Hörzeit von zehn Stunden sowie 300 Stunden Stand-by.

Biometrie-Lösungen

Der in Linz beheimatet Automatenhersteller und Automationsspezialist Keba zeigt neben SB-Terminals (Geldautomaten, die Banknoten sowie Münzen entgegennehmen und auszahlen können) auch drei verschiedene Biometrie-Lösungen für Bankterminals. Diese sollen Sicherheitstrends auf dem Bankautomationsmarkt demonstrieren und zeigen, was in anderen Ländern - wie etwa Japan - schon alltäglich ist.

Das "Finger Vein"-Modul von Hitachi authentifiziert ebenso wie der "Palmsecure" von Fujitsu die Person anhand des Venenverlaufs. Ersteres scannt dafür den Finger ein, zweiteres die Handfläche. Keba erwartet sich von der CeBIT "möglichst viele Kundenkontakte", so Eva Maier-Homolka, Leiterin der Marketingabteilung. Im Bereich Bankautomation sei das die einzige Großmesse in Europa.

GPS-Seniorenhandy

Ein neues GPS-Handy wird es am Stand vom Linzer Unternehmen Emporia, das sich auf seniorengerechte Handys spezialisiert hat, zu sehen geben. Konnte bis dato der auf dem Handy integrierte Notfallknopf nur eine vorher eingegebene Reihe von Telefonnummern automatisch anrufen, sollen demnächst auch gleich automatisch die GPS-Daten mitgeliefert werden.

Geht der Notruf an die Rettungsleitstelle, so schickt das Handy gleich die GPS-Koordinaten des aktuellen Standorts mit. Richte sich der Anruf an eine Privatperson, so werde anstelle der GPS-Daten die genaue Adresse per SMS zugesandt. Das Handy merkt sich die jeweils letzte Position. Sollte sich die betroffene Person beispielsweise in einer Tiefgarage ohne GPS-Empfang befinden, so werden die zuletzt verzeichneten GPS-Koordinaten übermittelt. Das neue Gerät soll bis Ende 2009 im Handel erhältlich sein.

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(futurezone/Claudia Glechner)