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Mobilfunk "in der Wolke"

HANDY-MESSE
18.02.2009

Auf dem Mobile World Congress in Barcelona hat eine Reihe Hersteller eigene Download-Plattformen und Online-Services vorgestellt, mit denen sie der Krise trotzen wollen. Die Mobilfunker sehen es gelassen und wollen mit Datentarifen ihr Geld machen. Der Trend geht nun endgültig in Richtung Verschmelzung von Internet und Handy.

Ob Nokia, Samsung oder Microsoft - sie alle wollen mit eigenen Software-Download-Stores und webbasierten Services "in der Wolke" ihre Smartphones für die Kunden attraktiver machen und damit möglichst gut verdienen, um den bereits spürbaren Umsatzrückgang bei der Hardware ausgleichen zu können. Bisher war das zu einem guten Teil das Geschäft der Mobilfunker.

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Die Handyhersteller zeigten sich bei der Vorstellung ihrer Angebote sehr optimistisch: ""Der Mobilfunkmarkt wird zurückgehen, doch wir werden gegensteuern", sagte etwa Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo, und auch Microsoft-Chef Steve Ballmer erklärte, dass der technologische Fortschritt nicht aufzuhalten sei, nicht einmal von der Wirtschaftskrise. Gleiches war von Samsung und Sony Ericsson zu hören.

Ovi Store will Nutzer kennenlernen

Nokia verspricht sich besonders viel von seinem Ovi Store, obwohl die bisherige Angebote des weltgrößten Handyherstellers nicht gerade gestürmt wurden: Man habe aus den bisherigen Erfahrungen etwa mit der Tausch-Plattform Mosh viel gelernt, sagte der bei Nokia für die Entwicklung des Ovi Store zuständige George Linardos gegenüber ORF.at.

Der Store werde sich dem Nutzer anpassen und den jeweiligen Interessen oder jenen von Freunden entsprechend Vorschläge für neue Anwendungen oder Angebote machen, statt die bestverkauften Anwendungen aufzulisten. Bei Reisen etwa sollen umgehend Informationen wie eine Straßenkarte des Ankunftsorts auf das Handy geliefert werden.

Nokia glaubt an großes Potenzial

Zig Millionen Nutzer der S40- und S60-Handys sollen beim Start im Mai auf den Ovi Store Zugriff haben, das sei auch für die vier Millionen registrierten Nokia-Entwickler eine große Chance, so Linardos. Sie sollen 70 Prozent vom Verkaufserlös nach Steuern und Abzug der Verrechnungskosten erhalten.

Den Vergleich mit Apple will Linardos nicht gelten lassen, auch wenn Apple "viel Positives" für die Industrie getan habe: "Der Ovi Store ist eine Weiterentwicklung vieler Dinge, die wir bereits seit Jahren im Angebot hatten - wir reagieren nicht auf einen Trend." Allerdings vereinfache Nokia nun den Einstieg, damit die Nutzer den Store und die laut Linardos Hunderttausenden Programme auch finden könnten.

Microsoft setzt auf Services

Nicht alle der neuen Services sind kostenpflichtig: Microsoft etwa will seinen mobilen Back-up-Dienst My Phone, mit dem unter anderem Kontaktdaten vom Handy über Mobilfunk auf eine Website hochgeladen werden können, gratis anbieten. Ganz uneigennützig ist Microsoft dabei nicht: Der Anbieter setzt auf Umwegrentabilität, denn für viele der künftigen Anwender, die vor allem aus dem Privatkundenbereich kommen sollen, sind Smartphones mit ihren zahlreichen Funktionen und Möglichkeiten Neuland.

Auch mancher Geschäftskunde werde sich über den Back-up-dienst freuen, ist sich Scott Rockfeld, Director Mobile Communications Business bei Microsoft sicher, etwa wenn das Handy verloren gehe oder gestohlen werde. Mit My Phone könne der Nutzer seine Daten dann jederzeit wiederherstellen.

"Services und Software treiben den Markt"

"Services und Software werden den Markt in Zukunft treiben", so Rockfeld zu ORF.at. Er meint damit nicht nur den kommenden Marketplace für Windows-Mobile-Anwendungen, sondern auch die nächste Windows-Mobile-Generation 6.5, die mit dem Marketplace im Herbst starten soll. Er kündigte für die kommenden zwei Jahre weitere Microsoft-Services für Windows Mobile an.

Microsofts und Nokias Ansatz ist nicht neu, nach Apples iPhone und dem Android-Handy G1 setzen immer mehr Anbieter auf konstante Internet-Anbindung für verschiedene Zwecke. Der Palm Pre mit seinem Web OS setzt von vornherein auf das Arbeiten "in der Wolke": Dabei werden online gespeicherte Informationen von verschiedenen Quellen auf einem Gerät zusammengeführt und miteinander verknüpft. Auch für den Palm Pre wird es wie für das iPhone und die Android-Plattform einen Software-Download-Store geben. Für die Nutzung all dieser Geräte und Dienste ist ein Datenpaket somit unverzichtbar.

Mobilfunker sehen Chance und Risiko

Im Gegensatz zu 2008 sind die Mobilfunker angesichts der jüngsten Pläne der neuen Mitbewerber deutlich entspannter als noch 2008. Damals sagte T-Mobile-Chef Hamid Akhavan, Nokias Ovi-Portal gefalle ihm nicht, denn es konkurriere mit eigenen Angeboten: Am Dienstag kündigte Akhavan in Barcelona an, dass der am Montag vorgestellte Ovi Store im zweiten Halbjahr 2009 auf T-Mobile-Handys Einzug halten wird. Linardos sagte dazu, dass Nokia auf die Zusammenarbeit mit den Mobilfunkern setze, da man ja auch die Handys über die Mobilfunker verkaufe.

Bei einer Diskussionrunde zum Thema offene Mobilfunk-Ökosysteme mit Microsoft-Chef Steve Ballmer und Nokia-Chef Kallasvuo sagte Ralph de la Vega, Chef des US-Mobilfunkers AT&T, in seinem Eingangsstatement, dass die zahlreichen neuen Download-Plattformen einerseits eine große Chance darstellen würden, der Markt andererseits aber auch Gefahr laufe, sich in viele "Innovationsinseln" zu zerteilen. Es brauche mehr Interoperabilität zwischen den mobilen Betriebssystemen und den Geräten, forderte De la Vega unter Berufung auf das Feedback seiner Kunden.

"Vernünftig und gut""

Für Boris Nemsic, Chef des größten österreichischen Mobilfunkers mobilkom austria und Mitglied des Boards der Mobilfunkervereinigung GSMA, sind die mittlerweile zahlreich angekündigten Stores "vernünftig und gut - für den Mobilfunker und die Kunden".

Die Mobilfunker könnten mehr Datenpakete verkaufen und so möglichen Umsatzschwund ausgleichen, die Kunden bekämen dafür mehr Auswahl und neue Möglichkeiten, Geräte mit Zusatzanwendungen an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Zudem sei der Mobilfunker als Mittelsmann etwa für die Bezahlung unverzichtbar, zeigt sich Nemsic sicher, dass die Mobilfunker nicht zu reinen Zugangsanbietern degradiert werden.

Service-Offensive der Mobilfunker

Nemsic und T-Mobile-Austria-Chef Robert Chvatal sehen den besten Weg für die heimischen Mobilfunker darin, ihrerseits mehr Service etwa für die Einrichtung der Handys anzubieten, wobei Chvatal es vorzieht, Teil des gesamten Geschäftsmodells zu sein, etwa mit eigenen Gesamtangeboten. "Was wir machen können, ist, uns die Benutzerfreundlichkeit eines Systems anzusehen und Neukunden Empfehlungen zu machen", so Chvatal, der seinerseits ein webbasiertes Telefonbuch nach Art von My Phone für T-Mobile-Kunden in Aussicht stellte.

Nemsic und Chvatal teilen zudem De la Vegas' Ansicht, dass es zu viele Betriebssysteme gebe: Die Diskussion über die Stores sei eigentlich eine Diskussion darüber, welche Betriebssysteme überleben werden, so Nemsic: "Am Ende werden sich jene durchsetzen, die die beste Bedienung haben und am offensten sind, bei denen der Kunde also möglichst frei wählen kann, welchen Store er nutzen kann." Chavatal rechnet damit, dass im Privatkundenbereich zwei bis drei Betriebssysteme überleben. "Im Moment gibt es viel Wettbewerb und das ist gut" - auch wenn die Interoperabilität darunter leide.

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(futurezone/Nadja Igler)