Die vielen Gesichter des Internet Explorer 8
Die öffentliche Freigabe des neuen Microsoft-Browsers Internet Explorer 8 steht kurz bevor. Redmond möchte damit die "Browser-Kriege" der 1990er Jahre beenden und sich durch strikte Einhaltung von Standards bei der Entwicklergemeinde beliebt machen. Nun sorgt eine von Microsoft verwaltete Liste für Streit, die den Browser automatisch in verschiedene Kompatibilitätsmodi schalten kann.
Der neue Internet Explorer 8 (IE 8) markiert einen wichtigen Punkt in der Entwicklungsgeschichte des Microsoft-Browsers, unterstützt er doch erstmals vollständig Webstandards wie CSS 2.1. Microsoft will damit einen Schlussstrich unter die "Browser-Kriege" der 1990er Jahre ziehen, in denen sich der Platzhirsch aus Redmond und Herausforderer Netscape unter anderem damit befehdeten, dass sie bestehende Webstandards mit proprietären Erweiterungen versahen. Diese Versuche, eigenes Terrain im Web zu markieren, gingen allerdings zu Lasten der Webdesigner und der Nutzerschaft.
Dass Microsofts eigene Spezifikationen mit dem IE8 zugunsten offener Standards in den Hintergrund treten sollen, hat allerdings auch seinen Preis. Zeigte die erste öffentliche Beta des Browsers jede Website noch im Kompatibilitätsmodus, in dem sich das Programm weitgehend wie der derzeit gebräuchliche Internet Explorer 7 (IE7) verhielt, entschied sich Microsoft dazu, bei Auslieferung auf den neuen standardkonformen Modus zu setzen.
Zwei verschiedene Modi
Als Kompatibiltiätsmodus bezeichnet Microsoft den Rückgriff auf die ältere Rendering-Engine des IE7 und deren Eigenheiten in Sachen Browser-Verhalten und Website-Darstellung. Öffnet nun allerdings ein Nutzer eine Seite mit dem IE8, so nimmt der Server an, der User-Agent ist Internet Explorer, und schickt das für IE7 optimierte Layout. Und hier fangen die Probleme an.
Da der IE8 per Voreinstellung allerdings Webstandards und keine proprietären Internet-Explorer-Standards unterstützt, kann es folglich zu Problemen mit der
Seitendarstellung kommen. Um diesem Problem Herr zu werden, gibt es mehrere Lösungswege. Einerseits werden Webentwickler von Microsoft dazu angehalten, spezielle Tags in ihre Seiten einzubetten, die dem Internet Explorer den "richtigen" Betrachtungsmodus vorschlagen.
Eingriff durch den User
Andererseits gibt es für Nutzer die Möglichkeit, mittels des
Kompatibilitätsbuttons auf die IE7-kompatible Rendering Engine zu wechseln. Da weder Entwickler noch Nutzer sonderlichen Enthusiasmus für diesen Extraschritt zeigten, wartete Microsoft mit einer dritten Lösung auf: Eine bei Microsoft gehostete spezielle Liste von Websites und den dazugehörigen optimalen Betrachtungsmodi ("Compatibility View List").
Basis hierfür sind Informationen aus Support-Kanälen und Kundenfeedback - auch aus dem Betaprogramm des IE8. Die Liste lässt sich im IE8 über die Eingabe von res:iecompat.dll/iecompatdata.xml in die Adresszeile aufrufen. Startet der Nutzer den IE8 zum ersten Mal, kann er sich für oder gegen die Nutzung dieser Liste entscheiden. Falls nein, muss dieser gegebenfalls manuell zwischen Kompatibilitäts- und Standardmodus wechseln.
Kritik an der Liste
Kritiker wie der britische Webentwickler Bruce Lawson, der auch in der Accessibility Task Force des Web Standards Project sitzt und für den norwegischen Browser-Hersteller Opera arbeitet, werfen Microsoft vor, mit der Kompatibilitätsliste abermals gegen Webstandards zu verstoßen, da die User sich explizit für das Rendering im Kompatibilitätsmodus entscheiden müssten.
Mike Davies, leitender Webentwickler bei Yahoo Großbritannien, kritisiert, dass Microsoft den Entwicklern über die Liste die Möglichkeit aus der Hand nehme, selbst definieren zu können, in welchem Modus der IE8 ihre Websites darstelle. Hundert Leute würden genügen, eine Website über entsprechendes Feedback an Microsoft in den Kompatibilitätsmodus zu zwingen. Da dieser Modus die Websites darüber hinaus nicht exakt so darstelle wie der IE7, seien die Entwickler nun gezwungen, nicht nur einen, sondern zwei zusätzliche Browser-Engines zu testen. Davis weist außerdem darauf hin, dass die Liste keine Subdomains wie etwa bei Weblog-Hosting-Diensten unterstütze.
Kompatibilität erzwingen
Microsoft verteidigt den Einsatz der Liste. Der manuelle Wechsel zwischen den Modi sei für "weniger versierte Nutzer" schwerer zu begreifen. Gerhard Göschl, Sicherheitssprecher von Microsoft Österreich, sagte auf Anfrage von ORF.at, dass Designer und Administratoren nach wie vor die "volle Kontrolle" darüber hätten, wie ihre Websites dargestellt werden. Fänden sich entsprechende Tags im Seitencode, werde die Empfehlung der Liste laut Göschl als untergeordnet eingestuft.
In einem Posting vom 16. Februar schrieb Scott Dickens, Manager des IE8-Programms bei Microsoft, dass die Entwickler die Möglichkeit haben, den IE8 über den Befehl "X-UA-Compatible" dazu zu zwingen, sich entweder standardkonform oder wie ein älterer Microsoft-Browser zu verhalten. Diese Einstellung ließe sich auch in den Konfigurationsfiles der Webserver vornehmen und setze die Einstellungen in der Kompatibilitätsliste außer Kraft.
Für Webentwickler, die ganz sichergehen wollen, dass der IE8 ihre Site so darstellt wie von ihnen beabsichtigt, ist der Einsatz dieser Option wohl die beste Lösung.
(Michael Maurer)