Datenaffäre: DB-Chef Mehdorn unter Druck
Massiver Angriff durch Ex-Mitarbeiter
In der Datenaffäre bei der Deutschen Bahn (DB) verlangt Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee die zügige Nennung der Namen der Verantwortlichen. "Wer genau ist wofür verantwortlich?" sei die Frage, die die neuen Ermittler für den Aufsichtsrat beantworten müssten. "Es gibt nicht die Bahn, die Aufträge gibt, es gibt nicht die Bahn, an die berichtet wird, sondern es sind konkrete Personen", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Berlin.
Von Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wurde Bahnchef Hartmut Mehdorn offen der Lüge bezichtigt. "Mehdorns Aussage, er habe nichts gewusst, ist vollständig lachhaft", sagte Sarrazin, der selbst unter Mehdorn Bahnmanager war und kurzzeitig auch die zuständige Konzernrevision geleitet hatte.
Mehdorn: "Habe nichts gewusst"
Mehdorn steht in der Affäre unter erheblichem Druck. Nach Angaben des Unternehmens wurden die Überprüfungen zwischen 1998 und 2007 von der Konzernrevision in Auftrag gegeben, die dem Bahnchef direkt untersteht. Der Leiter der Abteilung, Josef Bähr, wurde inzwischen beurlaubt. Mehdorn selbst sagt, er habe von den Vorgängen nichts gewusst.
Sarrazin, der nach Amtsantritt Mehdorns Ende 1999 für einige Monate die Konzernrevision leitete, sagte der "Berliner Morgenpost" (Online-Ausgabe): "Er war damals mein unmittelbarer Chef, an den ich berichtet habe. Wesentliche Geschäftsvorfälle werden immer dem zuständigen Vorstand berichtet. Mehdorn sagt da nicht die Wahrheit." Sarrazin war 2001 im Streit mit Mehdorn aus dem Unternehmen ausgeschieden und wechselte anschließend auf den Posten des Finanzsenators.
Neues Gremium soll rasch ermitteln
Am Mittwochabend hatte der Bahnaufsichtsrat dem Vorstand die Ermittlungen in der Affäre entzogen, um sie in die eigene Hand zu nehmen. Beauftragt wurden von dem Gremium die Ex-Bundesminister Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin sowie die Wirtschaftsprüfer von KPMG. Tiefensee sagte, die Zukunft der Bahnspitzenmanager werde beantwortet, wenn die Verantwortung von den Ermittlern aufgedeckt sei: "Das werden wir zur Kenntnis nehmen, beurteilen und dann entscheiden."
Unvollständige Informationen
Die Regierung sei zuletzt regelmäßig unvollständig informiert worden, kritisierte der Minister weiter. Daher sei es konsequent, die Ermittlungen dem DB-Vorstand zu entziehen. Wichtig sei nun die Frage, ob es Verstöße gegen das Strafrecht gegeben habe. Der Zwischenbericht des Vorstands lege nahe, dass "das alles andere als auszuschließen ist".
Zudem hätten die Ermittler den Auftrag, Hinweisen nachzugehen, dass sich die Überwachung nicht nur auf Mitarbeiter beziehe, sondern sogar Journalisten oder Politiker getroffen habe. Der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich wirft Mehdorn vor, Mitarbeiter auch mit dem Ziel bespitzeln habe lassen, deren Kontakte zu Politikern und Journalisten aufzudecken.
Verkehrsminister: "Schlechte Unternehmenskultur"
Bereits jetzt habe die Affäre dem Unternehmen massiv geschadet, sagte der Minister: "Wir haben es zu tun mit einer Vertrauenskrise, wir haben es zu tun mit einer schlechten Unternehmenskultur, die daraus erwachsen ist."
Die Ergebnisse der Ermittler sollen bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung Ende März vorliegen. Tiefensee sagte aber, er gehe davon aus, auch von Zwischenergebnissen umgehend informiert zu werden, "um Konsequenzen ziehen zu können". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatten zuletzt angedeutet, dass sie derzeit keinen Wechsel an der Spitze der Bahn wollen.
Verstöße gegen Strafrecht nicht ausgeschlossen
Zuletzt hatte das Unternehmen eingeräumt, dass es Verstöße gegen das Strafrecht nicht mehr ausschließen könne und dass auch Akten vernichtet oder manipuliert worden sein könnten. Das Unternehmen hat drei Massenabgleiche von Daten fast aller Mitarbeiter eingestanden sowie weitere Beobachtungen von Führungskräften. Die Mitarbeiter wurden dabei auch im Nachhinein nicht informiert.
(Reuters)