E-Voting: ÖH-Vertreter orten Datenmissbrauch
Laut kritischen ÖH-Vertretern gibt es bei der Durchführung des E-Votings bei der nächsten Wahl zur Österreichischen HochschülerInnenschaft ein rechtliches Problem. Die vom Wissenschaftsministerium bestellten Vorsitzenden der Wahlkommissionen seien nicht dazu befugt, die Daten der Studenten an das Bundesrechenzentrum weiterzugeben. ARGE-Daten-Chef Hans Zeger äußerte grundlegende Kritik am E-Voting.
Bei einer Pressekonferenz am Freitag in Wien haben ÖH-Vertreter, die der Einführung von E-Voting bei der Wahl Anfang Mai kritisch gegenüberstehen, nochmals ihre Position bekräftigt.
Florian Ortner, Vorsitzender der ÖH der Universität Graz (Fraktion: Fachschaft) und Sprecher der Vorsitzendenkonferenz der Universitätsvertretungen, verwies auf ein rechtliches Gutachten, laut dem die vom Wissenschaftsministerium bestellten Vorsitzenden der Wahlkommissionen nicht dazu berechtigt seien, das Bundesrechenzentrum (BRZ) mit der Abwicklung der ÖH-Wahl zu beauftragen. Die Vorsitzenden hätten eine Vereinbarung nach Paragraf 10 Datenschutzgesetz unterzeichnet, die die Weitergabe der Daten der Studierenden an das BRZ erlaube.
Datenweitergabe nicht gedeckt
Nur die Vorsitzenden der jeweiligen Universitätsvertretungen seien befugt, Vereinbarungen dieser Art rechtskräftig zu unterzeichnen. Die Weitergabe der Daten der Studierenden an das BRZ und die spanische Firma Scytl, welche die E-Voting-Software zuliefert, sei damit nicht vom geltenden Recht gedeckt.
Das von Johannes Hahn (ÖVP) geführte Wissenschaftsministerium habe das vorausgeahnt, indem es in einem Schreiben an die Vorsitzenden der Wahlkommissionen diese bei etwaigen rechtlichen Gegenmaßnahmen schad- und klaglos halten werde. Ortner kündigte seinerseits juristische Gegenmaßnahmen an. Man habe bereits zwei Anwaltskanzleien kontaktiert, die dabei helfen würden, die Interessen der E-Voting-Kritiker zu vertreten.
Kritik an Vergabeverfahren
Ortner kritisierte auch das Vergabeverfahren. Dieses sei erst gescheitert, da sich die beiden Mitbewerber von Scytl darüber beschwert hatten, dass das spanische Unternehmen zu billig angeboten habe. Nach Informationen, die Ortner vorlägen, habe Scytl lediglich 158.569 Euro für das E-Voting-System verlangt.
Nach diesen Beschwerden habe das Wissenschaftsministerium die Ausschreibung zurückgezogen und den Auftrag im Rahmen eines internen Vergabeverfahrens an das Bundesrechenzentrum übergeben, das wiederum die Software bei Scytl geordert habe. Da es keine neue Ausschreibung gegeben habe, vermutet Ortner, dass Scytl die Software kostenlos zur Verfügung stelle.
"Verfassungsrechtliches Problem"
Zeger, Obmann der ARGE Daten und Mitglied des Datenschutzrats, sieht E-Voting als ein "verfassungsrechtliches Problem, das dazu geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in demokratische Prozesse zu gefährden". Es gebe derzeit kein technisches System, das dazu in der Lage sei, freie, geheime und persönliche Wahlen zu gewährleisten.
"Wahlen werden nur dann akzeptiert, wenn sie nachvollziehbar und transparent sind", so Zeger, "Wenn ein E-Voting-System aber nachvollziehbar ist, dann ist es unsicher. Wenn es sicher ist, dann ist es automatisch auch intransparent." Bei E-Voting könnten Laien nicht mehr den Wahlprozess beobachten. Außerdem würde ein Wahlgang, bei dem E-Voting möglich sei, auch die Stimmen jener Wähler entwerten, die auf Papier wählten, da diese sich aufgrund der mangelnden Transparenz des technischen Systems nicht sicher sein könnten, ob es bei den Wahlen mit rechten Dingen zugegangen sei. Zeger: "Aus einem Vertrauensprozess wird ein Glaubensprozess."
Vorwurf der mangelnden Kontrolle
Harsche Kritik übte Zeger auch an den Kontroll- und Zertifizierungsprozessen beim E-Voting: "Das Bundesrechenzentrum ist im Einflussbereich des Finanzministeriums. Geprüft werden soll es durch A-SIT, das ist ein Verein, in dem Mitglieder des Finanzministeriums und der Uni Graz sitzen - und Reinhard Posch, CIO der Bundesregierung."
Zeger wirft Posch vor, mittels E-Voting das Bürgerkartenkonzept voranbringen zu wollen, das aufgrund von Akzeptanzschwierigkeiten in der Bevölkerung gescheitert sei. E-Voting via Internet ist nach den derzeitigen österreichischen Konzepten nur unter Verwendung der Bürgerkartenfunktion möglich.
Zeger schätzt, dass es nicht mehr als 5.000 Teilnehmer am E-Voting bei der ÖH-Wahl geben werde. Das entspreche auch in etwa der Anzahl der Bürgerkarten, die im Rahmen der aktuellen Aktion des Wissenschaftsministeriums kostenlos aktiviert worden seien. "Nach meinen Schätzungen wird die Wahl pro E-Voter 500 Euro kosten. Das wird aber im Vergleich zu den Gesamtausgaben für das gescheiterte Bürgerkartenprojekt immer noch wenig sein", sagte Zeger.
Ablehnung des Datenschutzrats
Auch den Vergleich von E-Voting via Internet mit den Briefwahlen ließ Zeger nicht gelten. "Bei den letzten Nationalratswahlen wurden sieben Prozent der abgegebenen Briefwahlstimmen aus formalen Gründen nicht gezählt", sagte Zeger, der auch Briefwahlen skeptisch gegenübersteht.
Abschließend warnte Zeger davor, dass das E-Voting auch bei Nationaratswahlen eingesetzt werden solle. Auch der mit Vertretern aus allen im Nationalrat vertretenen Parteien besetzte Datenschutzrat habe sich einhellig gegen die Einführung von E-Voting ausgesprochen. "Es gibt da keine Nachvollziehbarkeit", so Zeger, "da heißt es nur: Friss oder stirb."
(futurezone/Günter Hack)