Proteste gegen Internet-Sperren in Frankreich
Während sich die Internet Society (ISOC) und Bürgerrechtler auf die Lesung des französischen Netzsperrengesetzes vorbereiten, verzeichnen die französischen Kinos Besucherrekorde - trotz angeblicher Schäden durch Piraterie.
Das von der konservativen französischen Regierung auf den Weg gebrachte Gesetz zur Sperrung von Internet-Anschlüssen bei Urheberrechtsverstößen ohne richterliche Kontrolle ("Loi HADOPI") hat eine neue Protestwelle im französischen Netz generiert. Das Gesetz soll voraussichtlich vom 4. bis zum 10. März in der Nationalversammlung verhandelt werden.
Es sieht die Installation einer zentralen Behörde (HADOPI) vor, die auf Zuruf der Rechteinhaber aus der Medienindustrie Warnungen an mutmaßliche Filesharer verschickt und diesen beim dritten Mal schlicht den Internet-Anschluss bis zu einem Jahr lang sperrt. Die Pläne der UMP, der Partei des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, strahlen dabei bis in die Gestaltung der Richtlinien des EU-Telekompakets aus, das kommende Woche zur zweiten Lesung im EU-Parlament erwartet wird. Die französische Ratspräsidentschaft hat Änderungsvorschläge des Parlaments, die die europäischen Internet-Nutzer vor solcherlei Sperren schützen sollen, im EU-Ministerrat streichen lassen.
"Eine Zeitbombe"
Der französische Ableger der ISOC sprach sich am Dienstag zum dritten Mal gegen das Gesetz aus. Die Netzsperren seien nutzlos, da sich die systematischen Urheberrechtsverletzer auf andere technische Lösungen verlagern würden, beispielsweise auf Filesharing über gesicherte Verbindungen. Das müsse zu einem Rüstungswettlauf führen, an dessen Ende jedes Datenpaket im französischen Netz von den Providern auf dessen Legitimität geprüft werden müsse. Das Gesetz sei "eine Zeitbombe", so die ISOC, da es auch verhindere, dass neue innovative Geschäftsideen im Netz entstehen könnten. Die ISOC verfasste auch eine grimmige Satire, in der sie die Entwicklungen der kommenden Monate vorwegnimmt.
Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net rief die französischen Internet-User zur Online-Demo auf. Sie weisen darauf hin, dass eine Massenmobilisierung der User dazu geführt habe, dass die Regierung Neuseelands ein ähnliches Sperrprojekt aufgegeben habe. Die Bürger sollten außerdem an ihre Abgeordneten schreiben und sie darüber in Kenntnis setzen, dass sie Netzüberwachung und Netzsperren ablehnen.
Rekord bei den Kinobesuchen
"Ecrans", das Medienweblog der Pariser Tageszeitung "Liberation", meldete am Mittwoch, dass die französischen Kinos trotz angeblicher Piraterieschäden florieren. 2008 hätten die Kinobesuche in Frankreich laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens Mediametrie um 6,8 Prozent zugenommen. Insgesamt seien 188,8 Millionen Kinokarten verkauft worden. Die Franzosen gingen von allen EU-Bürgern demnach am häufigsten ins Kino - weit vor den Briten und den Deutschen. Laut Mediametrie seien 36 Millionen Franzosen im vergangenen Jahr mindestens einmal ins Kino gegangen. Das sei ein Rekordwert seit Start des Mediametrie-Panels im Jahr 1995 und ein solider Trend, der sowohl die jüngsten als auch die älteren Gruppen erfasst habe.
Gerade bei den 20- bis 24-Jährigen habe es gegenüber dem Vorjahr starke Steigerungen gegeben. 83,2 Prozent der Franzosen in dieser Altersgruppe seien 2008 mindestens einmal ins Kino gegangen. Gerade in der Krise würden viele Franzosen im Kino Zerstreuung suchen. Insgesamt konterkariere die Studie die wiederholt vorgetragenen Beschwerden der französischen Medienindustrie über die negativen Auswirkungen des Filesharings auf ihre Umsätze, so "Liberation".