RoboCup: Wettstreit der Zweibeiner
Ende Juni 2009 ist es wieder so weit: Die RoboCup-WM steht vor der Tür. Ein neues Wiener Team, die Austrian Kangaroos, will in der ebenfalls neu eingeführten Standard Plattform Liga (SPL) beim Roboterfußball sein Können unter Beweis stellen. Erstmals kommen dabei zweibeinige Standardroboter zum Einsatz.
Das erste humanoide Roboterteam an der Technischen Universität (TU) Wien und der Fachhochschule Technikum Wien formierte sich im Herbst 2008. Es tritt dieses Jahr zum ersten Mal beim RoboCup an, der vom 29. Juni bis 5. Juli in Graz stattfinden wird. Das Team besteht aus drei standardisierten NAO-Robotern, drei Wissenschaftlern sowie acht ihrer Studenten.
Bis Juni müssen sie den Robotern beibringen, autonom zu agieren, den Ball und die Gegner zu erkennen und sich auf dem Fußballfeld zu orientieren, denn in der SP-Liga geht es nicht etwa darum, die beste Hardware zu bauen, sondern die besten Programme zu schreiben. Die Hardware ist für alle Mannschaften gleich.
"Die Roboter müssen, wenn sie im Wettbewerb spielen, autonom sein. Das heißt, sie dürfen nicht ferngesteuert werden, dürfen nicht von außen von einem Computer oder von einem Menschen Kommandos bekommen. Sie müssen sämtliche Entscheidungen selbstständig treffen", erzählt Dietmar Schreiner, einer der drei Teamleiter vom Institut für Computersprachen an der TU Wien und zeigt den ersten NAO, der erst Anfang Jänner 2009 im Testlabor eintraf.
Stromsparender Geode-Prozessor
Die Roboter, die von einer französischen Firma hergestellt werden, sind etwa viereinhalb Kilogramm schwer und laufen mit einem stromsparenden Geode-Prozessor von AMD, der auch im "100-Dollar-Laptop" XO verwendet wird. Sie verfügen über zwei Kameras, die im Kopf eingebaut sind und Mikrophone, um auch Geräusche zu hören. Auch sprechen können Sie, um beispielsweise Systemparameter mitzuteilen, wenn kein Computer angeschlossen ist. Ihre Beweglichkeit ist enorm, sie haben interne Lagesensoren und Drehbeschleunigungssensoren eingebaut. Das Gehen auf zwei Beinen bereitet ihnen keine Schwierigkeiten, allerdings sind sie dabei noch nicht so flink wie ihre Verwandten auf Rädern.
"Gemütliches Gehen" auf dem Spielfeld
Die Geräte ersetzen die früher eingesetzten vierbeinigen Aibo-Roboter, die von deren Erfinder Sony nicht mehr hergestellt werden. In diesem Jahr erwarten sich die Wissenschaftler von den zweibeinigen Robotern noch kein so richtig flüssiges Spiel. "Unsere Roboter gibt es heuer erst zum ersten Mal offiziell in diesem Bewerb, da wird es noch recht gemütlich werden. Schnelligkeit ist allerdings nur eine Frage der Entwicklungsdauer. In drei bis vier Jahren werden auch unsere Roboter schneller laufen können", so Schreiner zu ORF.at
Dreierteams kommunizieren via WLAN
Eine wahre Herausforderung für die Wissenschaftler ist es jetzt, die gesamte Denkleistung des Roboters auf der integrierten Speicherkarte mit einer Kapazität von einem Gigabyte unterzubringen. "Eigentlich ist das für die Aufgaben, die wir zu lösen haben, extrem wenig. Aber es ist ein Teil der Aufgabenstellung, mit diesen beschränkten Ressourcen umgehen zu können", so Schreiner. Der Roboter wird mit einer Vielzahl an Programmen vollgepackt, die alle Teilaufgaben erledigen, etwa die Bilderkennung, die Bewegungssteuerung, die Spielplanung und die Kommunikation untereinander. Auf dem Spielfeld selbst kommunizieren die Dreierteams, die aus zwei Feldspielern und einem Tor-Roboter bestehen, via WLAN.
"Die akustische Kommunikation ist bei so einer WM leicht gestört, da ja auch viele Zuschauer da sind, die applaudieren. Daher kommunizieren die Roboter per Wireless LAN. Allerdings dürfen nur ganz schmale Bandbreiten benutzt werden, damit sichergestellt wird, dass nicht geschummelt wird", erklärt uns Schreiner im Gespräch. Die Roboterspieler müssen mit ihrer eigenen künstlichen Intelligenz entscheiden, welches Verhalten am ehesten Erfolg hat. Sie müssen sogar während des Spiels durch Beobachtung lernen.
Biomimetik: Verhalten aus der Natur
Das Wiener Team hat sich neben eher herkömmlicheren Methoden auch einige Tricks aus der Natur abgeschaut. "Biomimetic Artificial Intelligence" heißt dieser Forschungszweig. Dabei werden etwa Algorithmen verwendet, die Wissenschaftler den Bewegungsmustern von Ameisen abgeschaut haben oder das Konzept der Schwarmintelligenz herangezogen.
"Tausende kleine Ameisen finden einen Weg dadurch, dass sie Duftspuren hinterlassen. Je nachdem, ob sie Nahrung gefunden haben oder nicht, riecht es anders. Die Ameise folgt von ihrer Auffassung her immer dem Geruch nach Essen und geht einen Weg nach, wo eine andere Ameise schon Futter gefunden hat, und wenn sie wieder etwas findet, markiert sie den Weg erneut. Die zielführenden Wege sind daher sehr stark markiert. Wir verwenden ein ähnliches Konzept bei unseren Robotern", erzählt Schreiner.
Mit der Integration solcher Konzepte versucht das Team, sich von den anderen 23 antretenden Mannschaften abzuheben. "Es bringt immer ein gewisses Risiko mit sich. Mit innovativen Konzepten gewinnt man selten beim ersten Mal, aber wir versuchen hier, einen Spagat zu finden zwischen der Wettbewerbsfähigkeit in einer Weltmeisterschaft und der wissenschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Wenn sich das Konzept bewährt, kann man davon ausgehen, dass es im nächsten Jahr überall drin ist", so Schreiner.
Evolutionäres Design: Züchten von Nachfahren
Neben der Biomimetik kommt auch noch das Konzept des evolutionären Designs, passend zum Charles-Darwin-Jahr, ins Spiel. Teamleiter Schreiner erklärt das ORF.at folgendermaßen: "Wir versuchen, Teile der Software so zu bauen, dass sie eine Aufgabe lösen. Dann kreuzen und kombinieren wir verschiedene Implementierungen und züchten einen Nachfahren, der die Aufgabe wieder löst. Wenn die Lösung besser ist, sterben die Eltern. Für die nächste Phase der Reproduktion kommt der bessere Algorithmus dran. Wenn er schlechter ist, stirbt quasi das Kind, weil es nicht lebensfähig war. Wir simulieren auch gewisse Nachdenkphasen und Spielzüge und selektieren das evolutionär aus. Nur das Gute wird weitervererbt. Über Nacht werden da hundert Millionen Generationen gezüchtet, und man schaut dann, ob sich das in eine Richtung entwickelt, wo der Roboter dann besser gehen kann. Da sind etwa Knie, Knöchel und Hüftgelenk jeweils eigene Parameter."
Zwei mal zehn Minuten auf dem Spielfeld
Der Vorgang des Gehens ist bei den Robotern nicht selbstverständlich, außerdem sind auch Fouls von anderen Spielern möglich. So kann es passieren, dass ein Roboter während des Spiels stürzt. Er hat dann lediglich 30 Sekunden Zeit, um völlig selbstständig wieder aufzustehen. Dazu muss das innere Gleichgewichtsorgan so gut programmiert werden, so dass es der Roboter schafft, in dieser kurzen Zeitspanne wieder auf die Beine zu kommen, damit ihm nicht ein Aufenthalt auf der Strafbank bevorsteht.
Beim RoboCup wird in der SP-Liga jeweils zwei mal zehn Minuten lang gespielt, die Roboter dürfen sich während des Spiels zweimal eine Auszeit nehmen, um etwa ihre Akkus wieder aufzuladen, erfahren wir von Markus Bader, der zweite Teamleiter von der TU Wien, der für die Automatisierungsprozesse zuständig ist. Bader tüftelt gerade daran, dass der Roboter die markanten Punkte auf dem Spielfeld, wie Tore, Ball und Linien, richtig erkennt.
"Man muss dabei Methoden verwenden, die trotz unterschiedlicher Lichtbedingungen gute Ergebnisse erzielen. Der Roboter muss sich vorstellen, wo er sich gerade befindet", so Bader. Wir werden sehen, wie sich die Wiener Roboter auf dem Spielfeld im Juni 2009 schlagen.
Ergebnisse sind industriell verwertbar
Die fußballspielenden Roboter sind vor allem eine öffentlichkeitswirksame Plattform, um zu zeigen, woran die Forscher arbeiten. Viele durch den Roboterfußball gewonnene Erkenntnisse lassen sich auch in der Industrie nützen. "Fußball ist nur der Aufhänger. Faktisch geht es uns um die Forschungsarbeit. Die Ergebnisse, die man da spielerisch erzielt, werden in anderer Form auch industriell verwertbar eingesetzt.
Als Beispiel: Der Roboter muss den Gegner erkennen. Wenn er dahinmarschiert, darf er den Gegner nicht einfach über den Haufen werfen. Diese 'Obstacle Avoidance' habe ich natürlich genauso in einem Lkw, der vollautomatisch die Spur wechselt. In einem Hochregallager, in das Menschen nicht rein dürfen, wenn das Programm aktiv ist, weil der Roboter keine Rücksicht auf den Menschen nimmt. In Zukunft wäre es durchaus möglich, dass die Roboter den Menschen wahrnehmen und dann anhalten", erzählt Schreiner ORF.at.
Entwicklungsboom in der Robotik
Seit der RoboCup 1997 ins Leben gerufen wurde, hat sich in der Robotik viel getan. "Die neue Standard-Plattform-Liga bietet auf jeden Fall den direktesten Vergleich der Teams", sagt Bader.
(futurezone / Barbara Wimmer)