© AP/Martin Meissner, Wahlcomputer der Firma Nedap

Wahlcomputer-Einsatz war verfassungswidrig

DEUTSCHLAND
03.03.2009

Einer Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zufolge war der Einsatz von Wahlcomputern des niederländischen Herstellers Nedap bei der Bundestagswahl 2005 verfassungswidrig. Die Bürger hätten nicht überprüfen können, ob ihre Stimmen richtig erfasst wurden. Wahlmaschinen dürfen nach dem Urteil zwar weiter eingesetzt werden, aber nur, wenn sie eine "Quittung" auf Papier hinterlassen.

Der Einsatz von rund 1.800 Wahlcomputern der niederländischen Firma Nedap bei der Bundestagswahl 2005 war verfassungswidrig, weil die etwa zwei Millionen betroffenen Wähler nicht überprüfen konnten, ob ihre Stimmen richtig erfasst wurden.

Rückkehr zu Papier und Stift

Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil. Die Entscheidung führt jedoch nicht zur Auflösung des Bundestags, weil es laut Gericht keine Hinweise auf Fehler oder Manipulationen an den Wahlgeräten gibt.

Der Bürger müsse ohne Computerkenntnisse die wesentlichen Schritte seiner Wahlhandlung überprüfen können, entschied das Karlsruher Gericht. Bei den Wahlen im laufenden Jahr wird aller Voraussicht nach wieder mit Papier und Kugelschreiber gewählt.

Quittung für den Wähler

Zwar hat der Zweite Senat den Gebrauch von Wahlcomputern nicht vollständig ausgeschlossen. Die Vorschrift des Bundeswahlgesetzes, die "Wahlgeräte" zulässt, bleibt in Kraft. Die darauf beruhende Verordnung wurde jedoch gekippt, weil die in Deutschland üblichen Geräte von Nedap dem Wähler keine zuverlässige Kontrolle seiner Stimmabgabe ermöglichten: Die Stimmen würden ausschließlich elektronisch erfasst und gespeichert. Programmierfehler oder zielgerichtete Manipulationen seien deshalb nur schwer erkennbar, urteilte das Gericht.

Dem Urteil zufolge können bei Bundestagswahlen Wahlmaschinen grundsätzlich eingesetzt werden. Da aber Programmierfehler oder gezielte Manipulation der Software schwer zu erkennen seien, müssten Bürgern bei ihrer Stimmabgabe "zuverlässig" prüfen können, ob die Stimme vom Computer "unverfälscht" erfasst wurde. Als Beispiel dafür hatte das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen zusätzlichen Papierausdruck genannt ("Paper Trail").

Internet-Wahlen nicht ausgeschlossen

"Auch Internet-Wahlen hat das Gericht nicht etwa einen endgültigen Riegel vorgeschoben", sagte der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle, bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.

Voraussetzung sei jedoch, dass dabei der Grundsatz der öffentlichen Wahl gewahrt werde. Ihm messe das Gericht eine zentrale Bedeutung bei der demokratischen Willensbildung zu.

Die Beschwerde

Zwei Wähler hatten gegen den Einsatz von rechnergesteuerten Wahlgeräten des niederländischen Herstellers bei der Bundestagswahl 2005 Wahlprüfungsbeschwerden eingelegt.

Die Computer waren 2005 in Wahlbezirken der Länder Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt eingesetzt gewesen.

Argumente der Beschwerdeführer

Die Beschwerdeführer hatten beanstandet, dass der Einsatz der rechnergesteuerten Wahlgeräte gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz verstoße, da weder die Wählenden noch die Wahlvorstände kontrollieren könnten, ob alle von den Wählern abgegebenen Stimmen unverändert im Speicher des Geräts abgelegt und inhaltlich unverändert bei der Auszählung der Stimmen berücksichtigt werden.

Außerdem liege der Quellcode der Wahlgerätesoftware nicht vor und die Prüfberichte und Prüfunterlagen der mit dem Check der Wahlgeräte beauftragten Physikalisch-Technischen Bundesanstalt seien nicht veröffentlicht worden. Ferner, so die Beschwerdeführer, sei die Öffentlichkeit nicht in die Prüfung der Geräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und das Bundesministerium des Innern eingebunden gewesen. Die Wahlorgane hätten keine Sicherheit, dass die eingesetzten Wahlcomputer mit dem geprüften Modell übereinstimme.

Mechanische Vorgänger

Nedap-Computer wurden in Deutschland erstmals bei der Europawahl 1999 und zuletzt im September 2008 bei der Kommunalwahl in Brandenburg eingesetzt.

Erstmals waren technische "Wahlhelfer" in Deutschland bei der Bundestagswahl 1961 eingesetzt worden. Bei den verschiedenen Wahlgeräten, die vor dem Aufkommen der Nedap-Computer üblich waren, handelte es sich durchweg um mechanische Vorrichtungen, die eher einem Uhrwerk glichen. Per Knopfdruck konnte der Wähler ein Zählwerk betätigen.

Niederlande haben verzichtet

Die Regierung der Niederlande, die ebenfalls Wahlcomputer der Firma Nedap im Einsatz gehabt hatte, hatte im Mail 2008 bekanntgegeben, künftig wieder auf Papier wählen zu lassen.

Zuvor hatte eine gemeinsam vom Chaos Computer Club [CCC] und der Niederländischen Stiftung "Wij vertrouwen stemcomputers niet" ["Wir vertrauen Wahlcomputern nicht"] 2006 durchgeführte Analyse nachgewiesen, dass die in den Niederlanden verwendeten Nedap-Wahlcomputer einfach zu manipulieren sind.

CCC zufrieden

Der Chaos Computer Club (CCC), der sich auch stets gegen den Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland ausgesprochen hat, hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einer Mitteilung vom Dienstag begrüßt. Das "elektronische Wahlroulette" sei beendet worden, so der CCC, Wählerstimmen dürften zu keiner Zeit einzig und allein in elektronischen Speichern abgelegt sei. Der "Kultur des Expertentums", wie sie von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt praktiziert worden sei, habe das Höchstgericht eine klare Absage erteilt.

Obwohl das Gericht prinzipiell die Möglichkeit zum Einsatz von Wahlcomputern und E-Voting-Systemen offenließe, bedeute die Kernaussage des Urteils "de facto ein Verbot", so der CCC. Kein System könne es dem Laien ermöglichen, jederzeit und ohne Fachkenntnisse die Korrektheit der Stimmabgabe zu überprüfen. Der CCC werde sich auch in Zukunft des Themas annehmen.

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In Österreich

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Österreich derzeit keine Pläne zum Einsatz von Wahlcomputern. Es existieren jedoch Pläne zum E-Voting über das Internet, bei dem sich die Wähler mittels Bürgerkartenfunktion identifizieren sollen. Das System soll eine Briefwahl elektronisch abbilden. Ein solches System wird erstmals anlässlich der Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) im kommenden Mai getestet.

Gegner des österreichischen E-Voting-Systems aus ÖH und Datenschutzkreisen führen dagegen weitestgehend dieselben Argumente ins Feld wie die deutschen Beschwerdeführer, technische Laien könnten nicht nachvollziehen, ob die Wahl korrekt abgelaufen sei.

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(AFP/dpa/futurezone)