© Fotolia/Falko Matte, Schloss auf Tastatur

Quanten-Computing für US-Geheimdienste

HIGHTECH
09.03.2009

Das aktuell wichtigste Projekt der US-Geheimdiensteinheit Intelligence Advance Research Projects Activity (IARPA) ist in der Grundlagenforschung angesiedelt. Erklärtes Ziel ist das Knacken von 2.048 Bit starken Schlüsseln. Warum dabei Materialdefekte ein vorrangiges Problem darstellen, erklärt Christian Monyk vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Seibersdorf.

Neben 3-D-Visualisierung in Echtzeit für den Kampfeinsatz, automatisierter Analyse von Sozialen Netzen und biometrischer Identifikation aus der Distanz beschäftigt sich die IARPA auch mit der Grundlagenforschung im Quantenbereich.

Vor allem die Ursache von Defekten bei supraleitenden Quantenbits (Qubits) sind offenbar von höchstem Interesse. Ziel des Projekts ist es, "neue Materialen, Konstruktions- und Herstellungsmethoden zu entwickeln, um diese Defekte zu eliminieren", heißt es in der Ausschreibung. "Substanziell ausgeweitete Kohärenzzeiten in supraleitenden Qubits" sollen damit erzielt werden.

Antworten aus Seibersdorf

Ein solcher Ansatz wie jener der IARPA diene der Entwicklung eines Quantencomputers, schreibt Monyk, leitender Quantenforscher des AIT in Seibersdorf.

"Bei den supraleitenden Qubits, die für den Quantencomputer notwendig sind, werden bei sehr tiefen Temperaturen supraleitende Qubit-Zustände in eine 'makroskopische' Quantensuperposition übergeführt. Auf diese Weise entstehen Quantum Superconducting Circuits", schreibt Monyk.

Störfaktor Dekohärenz

Die noch ungelösten Probleme dieser Quantenschaltkreise aber heißen "Dekohärenz- und Dissipationsphänomene", so der AIT-Forscher. "Die Quantenzustände, also die supraleitenden Qubits, sind sehr fragil. Und die kohärenten Superpositions- bzw. Verschränkungszustände der Quantum Superconducting Circuits sind sehr empfindlich auf Umgebungseinflüsse. Diese müssen so klein wie möglich gehalten werden."

Da spielten die Reinheit der Materialien und Materialdefekte, die bei der Fabrikation entstehen, eine entscheidende Rolle, und daher sei für alle, die an der Entwicklung von Quantencomputern arbeiteten, die Materialwissenschaft von höchster Wichtigkeit, schreibt Monyk.

Die Projekte der IARPA

Mehr über die Herkunft der IARPA aus dem Büro für disruptive Technologien der NSA und einer CIA-Forschungsabteilung lesen Sie im ersten Teil der Serie.

Das Biometrieprogramm der IARPA soll Systeme hervorbringen, die aus Distanz Menschen auch unter ungünstigen Lichtbedingungen identifizieren.

Das SCIL-Projekt befasst sich mit der Analyse der Kommunikation sozialer Gruppen und versucht, aus dem Sprachgebrauch künftiges Verhalten vorauszusagen.

Das ATHENA-Programm wiederum läuft auf eine Verschmelzung von Kriegsrealität und Computerspiel hinaus.

Mehr zum Thema:

Quanten, Fehler, Korrektur

Ein großer Erfolg der Quanteninformationstheorie sei die Entwicklung der "Quantenfehlerkorrektur", damit auch sehr kleine Kohärenzzeiten der Quantenprozesse die Rechenzeiten des Quantencomputers nicht beschränkten.

"Beim Adiabatic Quanten-Computing werden Festkörper großer Reinheit verwendet. Dabei spielt der sogenannte Josephson-Effekt eine Rolle. Hier werden die Quantenübergänge durch Nichtlinearitäten unterdrückt, um die Zustände rein zu halten. Man erhält nichtlineare und nichtdissipative elektrische Elemente." Dabei handelt es sich um "Verbindungen, Tunnelbarrieren, Brücken usw., also Schaltkreise".

Know-how in Österreich

Mit dem Vordringen dieser Technologie in die Zivilgesellschaft ist in nächster Zukunft noch nicht zu rechnen, meint Monyk, aber in zehn bis zwanzig Jahren werde der Quantencomputer auch wirtschaftlich extrem große Potenziale mit sich bringen.

Dank einiger herausragenden wissenschaftlichen Gruppen sei auf dem Forschungsgebiet des Quantencomputers in Österreich enorm viel Know-how vorhanden, schreibt der Wissenschaftler: "Unsere Forscher spielen hier international im Spitzenfeld mit."

Daher gelte es, in die Weiterführung der Entwicklung zu investieren, um für die österreichische Wirtschaft eine möglichst gute Ausgangssituation schaffen können, sobald die Sache wirtschaftlich interessant wird.

Quantenforschung in Österreich

Anton Zeilinger experimentiert am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit komplexen Quantensystemen auf mikrooptischer Basis. Dazu wird das optische Analogon zu einem Halbleiterchip konstruiert, also ein Chip, der nicht mit Elektronen, sondern mit Photonen funktioniert, also mit Licht.

Das vom AIT koordinierte EU-Projekt SECOQC bündelt die europäische Forschung zur Quantenkryptographie.

Mehr zum Thema:

Quantenkryptographie

Was die Quantenkryptographie betrifft, so habe in den USA nach den Anschlägen vom 11. September ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die öffentliche Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Quantenkryptographie sei in den USA auf ein Minimum reduziert worden, während große Mittel in das Gebiet des Quantencomputers geflossen seien.

"Offensichtlich wollte man eine Technologie in die Hand bekommen, die das ENTschlüsseln von Nachrichten erlaubt und keine, die zum VERschlüsseln geeignet ist", schreibt Monyk abschließend.

Die Forschungsgelder

Ganz offensichtlich ist man trotz dieser Umschichtung der Forschungsgelder in den USA seit gut sieben Jahren in den reichlich mit Geld und Forschern ausgestatteten Labors von US-Army und Navy, von NSA und CIA nicht recht weitergekommen. Ansonsten hätte man ein so zentrales Projekt wohl nicht aus den Hochsicherheitstrakts der erwähnten Institutionen geholt und als Broad Agency Announcement, also einer Ausschreibung, öffentlich gemacht.

Wenn sich auch auf der Website der IARPA sonst nicht viel mehr dazu herausfinden lässt, so hat man bei dem gleichfalls am Quantenprojekt der IARPA beteiligten US Army Research Office (ARO) schon deutlich mehr Glück.

Eine sehr umfangreiche Ausschreibung des ARO bietet Einblick in jene Bereiche der Wissenschaft, auf die sich die Armeeforscher konzentrieren. Auffällig ist, dass sich praktisch alle der zahlreichen, im Abschnitt "Physik" aufgelisteten Projekte um Quantenforschung drehen.

Simultanität als Problem

Im Punkt 6.3.2 heißt es: "Quanten-Computing wird die Kombination und Manipulation von Hunderten Qubits mit sich bringen. Das Ziel ist eine Demonstration von Quantenlogik im Experiment, die auf mehreren Qubits simultan abläuft." Das würde einen "signifikanten Schritt in Richtung des ultimativen Ziels" bedeuten: "eine ungeheure Beschleunigung von Rechnervorgängen".

Wofür das Ganze primär geschieht, liest man wenige Zeilen weiter: "Zusätzlich zum Faktorisierungsalgorithmus" seien auch andere Anwendungen des Quantenrechners gefragt, wie etwa die "Simulation komplexer physikalischer Systeme".

Schlüssel knacken

"Faktorisieren" und "Faktorzerlegung" von kryptographischen Schlüsseln ist das Kerngeschäft des Supergeheimdienstes NSA (National Security Agency), dessen Büro für disruptive Technologien in der IARPA aufgegangen ist.

Im Antrittsvortrag von IARPA-Direktorin Lisa Porter - er ist wie vieles inzwischen wieder von der IARPA-Website verschwunden - wird denn der Quantenrechner auch als erstes Projekt vorgestellt. Frau Porters einziges Anwendungsbeispiel ist ein 2.048 Bit starker RSA-Schlüssel, der mittels eines Quantencomputers - Taktrate (Logical Gate Rate) ein Kilohertz - innerhalb weniger Stunden geknackt ist.

- IARPA-Direktorin Lisa Porter

2.048 Bit, eine Sekunde

2.048 Bit empfiehlt das National Institute of Standards and Technology ab 2011 bis 2030 zu verwenden, um auf der sicheren Seite zu sein. Dabei sind nur herkömmlichen Rechner einkalkuliert.

Gelingt es während dieser Zeitspanne, den Quantenrechner auf ein Megahertz hinaufzutakten, dann braucht er für die 2.048 Bit gerade noch eine Sekunde. Möglich macht das der Quantenalgorithmus, den der US-Mathematiker Peter Shor bereits 1994 entdeckte. Allein, die dafür geeignete "Maschine" dazu gibt es bis heute offenbar nicht.

Fazit zum Quantenrechner

Weder im Vortrag von IARPA-Chefin Porter noch im Forschungskatalog der ARO wird Quantenkryptographie je erwähnt. Die ist ganz offensichtlich wieder in den Forschungslabors der NSA verschwunden, während der Quantenrechner mit allen Mitteln forciert wird.

"Mit allen Mitteln" bedeutet in diesem Fall: ein Projekt, das der eigenen "Nachrichtenaufklärung" die globale Hegemonie im Informationsbereich sichern soll, zumindest in Teilen öffentlich zu machen.

Derlei ist Geheimdienstleuten naturgemäß ein Gräuel und geschieht daher auch nur, wenn es unumgänglich ist, oder ein entscheidender Durchbruch erhofft wird, den man mit den eigenen Forscher-Bataillonen alleine nicht erreichen kann.

(futurezone/Erich Moechel)