Frankreich debattiert "Three Strikes Out"
Die französische Nationalversammlung debattiert über das von der konservativen Regierung eingebrachte Gesetz zur Installation einer Behörde, die bei wiederholten Verstößen gegen das Urheberrecht den beschuldigten Usern den Internet-Zugang sperren kann. Diese Behörde hat weitreichende Befugnisse, die tief in die Privatsphäre auch unbeteiligter Nutzer eingreifen. Am Dienstag wurde bekannt, dass sich die Debatte bis Anfang April hinziehen kann.
Von Dienstag bis Donnerstag debattiert die französische Nationalversammlung in erster Lesung das im Juni 2008 von der konservativen Regierung eingebrachte "Gesetz zur Verbreitung und zum Schutz kreativer Inhalte im Internet". Dieses Vorhaben der französischen Kulturministerin Christine Albanel, die der Partei UMP von Präsident Nicolas Sarkozy angehört, ist in Frankreich stark umstritten.
Bürgerrechtsorganisationen wie La Quadrature du Net, die Konsumentenschutzorganisation UFC/Que choisir und die französische Sektion der Internet Society haben sich - unter zahlreichen anderen gegen das Gesetz ausgesprochen, da es tief in die Bürgerrechte eingreift. Die französische Regierung hat das Projekt jedoch auf hohe Priorität gesetzt und will es möglichst schnell verabschieden.
Lesung verzögert
Wie die Online-Ausgabe der Pariser Tageszeitung "Libération" am Dienstag gemeldet hat, wird die Nationalversammlung erst am Mittwoch gegen 17:00 Uhr mit der Debatte über das HADOPI-Gesetz beginnen. Dies sei notwendig geworden, weil die Debatte über ein anderes Gesetz länger geführt worden sei als ursprünglich angekündigt. Voraussichtlich werde sich die Lesung in zwei Teile gliedern, von denen der erste von Mittwoch bis Freitag Abend laufe und der zweite erst am 30. März beginne.
Dieses Gesetz ist das weltweit erste, das die Forderungen der Musik- und Filmindustrie nach Internet-Sperren bei wiederholtem Verstoß gegen das Urheberrecht durch Internet-Nutzer alias "Three Strikes Out" in nationales Recht umsetzt. Da die Medienindustrie versucht, diese Maßnahmen auch EU-weit im Rahmen des Telekompakets zu legalisieren, das im April zur zweiten Lesung im EU-Parlament erwartet wird, ist es sinnvoll, sich das Gesetz im Detail anzusehen.
Als Grundlage für diesen Artikel dienen die aktuellste Version des Gesetzes vom 20. November 2008 sowie die 178 Seiten umfassende Liste der Änderungsanträge vom 19. Februar 2009. In welcher Form das Gesetz beschlossen wird, ist aufgrund der zahlreichen Änderungsanträge nicht endgültig abzusehen. Damit Präsident Sarkozy das Gesetz unterzeichnen kann, müssen die beiden Kammern des französischen Parlaments, der Senat und die Nationalversammlung, sich erst auf einen gemeinsamen Text geeinigt haben.
Internationale Strategie
In Frankreich kursiert dieses Gesetz unter dem Namen "Loi HADOPI", da es dazu führen wird, dass der Staat eine zentrale Behörde namens "Haute Autorite pour la diffusion des oeuvres et la protection des droits sur Internet" (HADOPI) einrichtet. Die HADOPI soll auf Zuruf der Medienindustrie mutmaßliche Verstöße gegen das Urheberrecht - etwa den unlizenzierten Download von Musikstücken und Filmen - registrieren und über die Provider Warnungen an die Nutzer verschicken und beim dritten registrierten Verstoß Netzsperren verhängen.
Das "Loi HADOPI" ist dabei im Kontext mit anderen Maßnahmen zu sehen. So beinhaltet das Paket auch eine Änderung des französischen Urheberrechtsgesetzes, welche die Provider für Urheberrechtsverstöße haftbar macht (Artikel 336-3). Das ist einer der wichtigsten Punkte der weltumfassenden Strategie der Medienindustrielobby gegen Piraterie.
Die Provider sollen sich nicht mehr auf ihren Status als neutrale Datentransporteure zurückziehen können - und zum Ziel von Klagen der Medienindustrie werden. So ist die Einführung der Providerhaftung eines der wenigen von der EU-Kommission offiziell bekanntgegebenen Verhandlungsziele des Anti-Piraterie-Abkommens ACTA, das derzeit von der Kommission unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit den USA und anderen Industriestaaten ausgehandelt wird.
Aufgaben der HADOPI
Laut Artikel 2 des Gesetzes ist die einzurichtende HADOPI eine "unabhängige Verwaltungsbehörde und juristische Person". Ihr Auftrag ist es, "die Entwicklung legaler kommerzieller Medienangebote in öffentlichen Netzwerken zu fördern und die nichtlegitime Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zu beobachten". Weiters soll die HADOPI für den Schutz besagter Medienobjekte sorgen und den Einsatz technischer Schutzmaßnahmen regulieren und überwachen. Sie kann auch von der Regierung bei Gesetzesänderungen im Bereich des Urheberrechts beratend hinzugezogen werden und soll auch bei entsprechenden Vorhaben auf internationaler Ebene aktiv werden.
Die HADOPI ist verpflichtet, einen jährlichen Bericht über ihre Aktivitäten an Regierung und Parlament zu schicken. Dieser Bericht ist der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Struktur der HADOPI
Die HADOPI verfügt über zwei Führungsgremien: das Kollegium und die Kommission für den Schutz der Urheberrechte. Die Leitung hat formal die Kommission, die sich aus neun Mitgliedern zusammensetzt, die per Dekret bestimmt werden. Das operative Geschäft wie das Verhängen der Netzsperren ist allerdings Sache der Kommission.
Das Kollegium besteht aus drei Mitgliedern, die je vom Staatsrat, vom Kassationsgerichtshof (dem französischen Höchstgericht) und vom Rechnungshof entsandt werden. Nur diese drei Mitglieder dürfen zum Präsidenten des Kollegiums gewählt werden. Der Präsident entscheidet im Fall eines Patts bei Abstimmungen.
Ein weiteres Mitglied wird vom Präsidenten der Akademie für Technologie entsandt, es soll für die notwendige technische Kompetenz im Gremium sorgen. Mitglied Nummer fünf kommt aus dem CSPLA, dem obersten Beratungsgremium für "geistiges Eigentum". Vier weitere Mitglieder sind von den Ministerien zu entsenden, die für elektronische Kommunikation, Verbraucherschutz und Kultur zuständig sind.
Kein Datenschutzvertreter
Die Amtszeit des Präsidenten beträgt sechs Jahre. Unter den anderen Mitgliedern wird die Amtsdauer ausgelost: Vier dürften sechs Jahre, die vier restlichen nur drei Jahre bleiben, bis sie ausgetauscht werden. Im Abänderungsvorschlag Nr. 2 schlägt die UMP-Abgeordnete Muriel Marland-Militello - eine starke Verfechterin des "Loi HADOPI" - vor, ein Mitglied des Datenschutzrats (CNIL) ins Kollegium zu holen, da die HADOPI zur automatisierten Verarbeitung persönlicher Daten befugt sei.
Die Kommission für den Schutz der Urheberrechte besteht nur aus drei Mitgliedern, die per Dekret für sechs Jahre ernannt werden. Sie werden vom Staatsrat, vom Kassationsgerichtshof und vom Rechnungshof entsandt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass diese Personen zwar nicht weisungsgebunden sind, nicht zurückgezogen werden können und über umfangreiche Rechtskenntnisse verfügen mögen, aber in ihrer Eigenschaft als HADOPI-Mitglieder keineswegs im Sinne der Gewaltenteilung die Judikative vertreten.
Die Mitglieder der HADOPI dürfen drei Jahre lang nicht für ein Unternehmen der Medienindustrie gearbeitet haben und auch keine Anteile an einem solchen Unternehmen besitzen.
Alle Daten für private Fahnder
Das Alltagsgeschäft der HADOPI, also das Abstrafen von Internet-Nutzern, geht folgendermaßen vor sich. Der Präsident akkreditiert Fahnder, die Fälle bei der Behörde einreichen dürfen. Diese Fahnder sollen sich einerseits aus privaten "professionellen Agenturen" rekrutieren, wie sie die Medienindustrie bei der Jagd auf Filesharer einsetzt. Andererseits sollen auch die Verwertungsgesellschaften und das Nationale Filmzentrum (Centre national de la cinematographie) sowie - bezeichnenderweise als Letzte in der Liste aufgeführt - auch die Staatsanwaltschaft mutmaßliche Rechteverletzer bei der HADOPI anzeigen. Die gemeldeten Verstöße müssen allerdings im Lauf der vergangenen sechs Monate geschehen sein.
Die Kommission prüft dann die Anschuldigungen. Dazu erhält sie vollen Zugriff auf die beim Provider gespeicherten Kunden- und Verkehrsdaten. Hier fällt auf, dass auch die Mindestdauer der auf Drängen des EU-Ministerrats eingeführten Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten exakt sechs Monate beträgt.
Auch die privaten Fahnder der Medienindustrie bekommen gemäß Artikel 331-20 vollen Zugriff auf die beim Provider gespeicherten Verkehrs- und Kundendaten. Ob die Person, die die inkriminierten Verstöße begangen hat, dann auch tatsächlich vor dem Computer gessessen ist, werden freilich auch sie nicht feststellen können.
Keine Möglichkeit zum Einspruch
Hat die Kommission aus ihrer Sicht eine Urheberrechtsverletzung festgestellt, kann sie dem Provider, bei dem der mutmaßliche Delinquent seinen Account hat, befehlen, eine Warn-Mail an diesen zu schicken. Diese erste Warnung soll auch eine Belehrung darüber enthalten, wie wichtig der Urheberrechtsschutz für die Künstler ist.
Von der Medienindustrie selbst ist hier übrigens nicht die Rede - eine Unterlassung, die selbst den UMP-Abgeordneten Lionel Tardy und Marc Le Fur zu bigott zu sein scheint. Sie fordern in Änderungsvorschlag 133, dass zuvorderst der Schaden für die Medienindustrie in den Warnungen angesprochen werden soll. Schließlich seien illegitime Downloads "in allererster Linie ein Problem für die Medienindustrie, nicht für die Künstler", so Tardy und Le Fur wörtlich.
Sollten Fahnder und Kommission bei einem mutmaßlichen Urheberrechtsverletzer innerhalb von sechs Monaten einen weiteren Verstoß feststellen, kann sie den Provider eine weitere Warn-Mail schicken lassen. Zu diesem Zeitpunkt kann sie die Warnung auch als Einschreiben zustellen lassen. Die Mails könnten ja den mutmaßlichen Urheberrechtsverletzer nicht erreichen.
Beschuldigte werden nicht informiert
Das Gesetz enthält an dieser Stelle zwei für einen demokratischen Rechtsstaat außerordentlich problematische Regeln. Und zwar ist in Artikel 331-24 ausdrücklich festgehalten, dass der Inhaber des inkriminierten Anschlusses in beiden Anschreiben nicht darüber informiert wird, welche urheberrechtlich geschützten Dateien er der Meinung der Fahnder zufolge heruntergeladen oder zur Verfügung gestellt haben soll. Weiters verweigert der Gesetzgeber dem Beschuldigten bei Empfang der beiden Warnungen auch ausdrücklich die Einspruchsmöglichkeit (Artikel 331-24, Abschnitt 73).
Der Beschuldigte weiß also nicht, wessen er beschuldigt wird, und er kann auch nicht Einspruch dagegen erheben. Das finden auch einige Abgeordnete von UMP und Opposition merkwürdig. Es gibt vier Abänderungsanträge, in denen die Abgeordneten fordern, dass die Beschuldigten erfahren, was sie nun eigentlich verbrochen haben sollen.
Das darf er erst dann, wenn die Kommission dem Provider den Befehl gibt, ihn bei der dritten festgestellten Verfehlung vom Netz abzuhängen. Wenigstens diese Entscheidung muss dem Beschuldigten per Einschreiben zugestellt werden. Sie muss innerhalb eines Jahres ab Zeitpunkt der zweiten Warnung erfolgen.
Die Sperre
Je nach Schwere des unterstellten Vergehens kann die Kommission den Provider anweisen, den Internet-Zugang des Beschuldigten von einem Monat bis zu einem Jahr zu sperren. Der Beschuldigte wird in eine zentrale Datenbank eingetragen, die von der HADOPI betrieben wird (Artikel 331-31) und darf auch bei keinem anderen Provider einen Vertrag abschließen.
Die Provider müssen sich bei der Kundenakquise darüber informieren, ob ein potenzieller Neukunde in der Sperrliste aufgeführt ist. Tun sie das nicht, können sie mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 5.000 Euro belegt werden. Der Beschuldigte muss auch die Kosten für eine vorzeitige Auflösung seines Vertrags mit dem Provider tragen.
Beschuldigte am Pranger
Die Kommission kann laut Artikel 331-25 auch verlangen, dass der Beschuldigte öffentlich, etwa in einer Zeitung, bekanntgibt, Maßnahmen getroffen zu haben, die einen künftigen Verstoß gegen das Urheberrecht verhindern sollen. Die Kosten dafür hat der Beschuldigte zu tragen. Diese Bestimmung ist sogar der UMP-Berichterstatterin Marland-Militello zu viel. Mit Unterstützung einiger Sozialdemokraten, Linker und Liberaler schlägt sie in Änderungsantrag 14 vor, den Paragrafen ersatzlos zu streichen. Er sei "nutzlos, gefährlich und diskriminierend", so die Abgeordneten.
Das Gesetz lässt den Beschuldigten aber auch die Möglichkeit, sich schuldig zu bekennen und freiwillig bis zu drei Monate auf den Internet-Zugang zu verzichten. Es besteht auch die Möglichkeit, den Internet-Zugang dergestalt einschränken zu lassen, dass der Urheberrechtsschutz intakt bleibt - beispielsweise durch eine Blockade von P2P-Protokollen seitens des Providers.
Strafen für die Provider
Hat der Beschuldigte bei seinem Provider ein Kombipaket geordert, darf ihm bei einer Netzsperre das Telefon nicht abgestellt werden. Der Provider wiederum muss nach erfolgter Anweisung durch die HADOPI den Forderungen der Behörde innerhalb von 15 Tagen nachkommen. Tut er das nicht, muss er pro Verstoß ein Bußgeld in Höhe von maximal 5.000 Euro bezahlen.
Die HADOPI steht umgekehrt in der Pflicht, jene Maßnahmen publik zu machen, die sie für geeignet hält, Urheberrechtsverstöße zu verhindern. Beispielsweise müssen die Verwender von WLAN-Zugangsgeräten ihre Systeme mit Passwort schützen, damit nicht Dritte ihre Zugänge missbrauchen können. Die Provider wiederum müssen die möglichen Maßnahmen gegen ihre Kunden in ihre AGB aufnehmen. Sie müssen außerdem regelmäßig Mails an alle ihre Kunden verschicken, in denen sie diese "vor den Gefahren unlizenzierter Down- und Uploads für das künstlerische Schaffen warnen".
Indoktrination an Schulen
Auch hier ist von Medienkonzernen nicht die Rede, Konzepte wie Creative Commons und Open Source kommen im ganzen Gesetzestext nicht vor - auch dann nicht, wenn es um die Erziehung der User geht.
Denn das Gesetzespaket sieht auch eine Änderung der Lehrpläne an Schulen vor, welche die Lehrer dazu verpflichtet, die Sicht der Medienindustrie in Fragen des Urheberrechts sowie die zu erwartenden Strafen bei Verstößen an die Schüler weiterzugeben - im Rahmen des Informatikunterrichts. Auch die Lehrer selbst seien entsprechend zu "sensibilisieren" (Kapitel III bis).
Entwicklung "legaler" Angebote
Im Gegensatz zu den umfangreichen Bestimmungen zu Kontrollen und Strafen für Kunden und Provider nehmen sich die Verpflichtungen, die das Gesetz der Medienindustrie auferlegt, minimal aus. So sollte diese sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes sicherstellen, dass sich die Dateien aus ihren Angeboten auf allen Geräten abspielen lassen (Interoperabilität) und sie muss Angebote mit Musik ohne Kopierschutz (DRM) machen.
Davon, dass alle Angebote DRM-frei sein sollen, ist nicht die Rede, ebenso wenig von Sanktionen für den Fall, dass die Industrie der Bestimmung nicht nachkommen sollte.
Der Passus über den DRM-Verzicht stammt noch aus den Vorschlägen des Berichts, der unter Denis Olivennes, dem Chef der Medienhandelskette fnac, 2008 präsentiert worden war und auf den das HADOPI-Gesetz zurückgeht. Mittlerweile verzichtet die Musikindustrie in wichtigen Angeboten wie iTunes Music Store und auf Amazon.com ohnehin auf DRM.
Internet-Filter erwünscht
Auch die Verpflichtungen für die Filmindustrie, im Rahmen ihrer eigenen Standesorganisationen zu Modalitäten zu finden, wie und wann in Zukunft Filme online angeboten werden sollen, sind nicht mit Sanktionen bewehrt. Schlimmstenfalls kann das Kulturministerium die Standesorganisationen per Dekret zur Einhaltung der selbst getroffenen Abmachungen zwingen.
Kulturministerin Christine Albanel hat eine Frist von vier Monaten ins Gespräch gebracht, nach der neue Kinofilme auf DVD erscheinen sollen. Ab 31. März soll per Dekret festgelegt werden, ab wann neue Filme online zum lizenzierten Download oder zum Streaming on Demand angeboten werden. Das soll dazu führen, dass die Medienkonzerne ihre Produkte online anbieten.
Das HADOPI-Gesetz enthält auch eine Bestimmung, nach der die Behörde ein Label zu entwickeln hat, mit dem sich lizenzierte Download-Dienste schmücken können. Sie hat auch eine Liste mit lizenzierten Diensten zu unterhalten und öffentlich zu machen. Sehr konkret ist auch die Anweisung, nach der die HADOPI sich über Technologien auf dem Laufenden zu halten hat, mit denen sich nichtlizenzierte Inhalte im Netz erkennen und gegebenenfalls ausfiltern lassen sollen.
Das Centre national de la cinematographie wiederum ist über einen neuen Artikel im Urheberrechtsgesetz dazu verpflichtet, bis zum 30. Juni ein Software-gestütztes System zu entwickeln, das zur Entwicklung legaler Online-Filmangebote beitragen soll.
Vom Recht auf Internet-Zugang
Dass Internet-Sperren sinnvoll sind, glauben unterdessen nicht einmal alle Abgeordneten der UMP. In Abänderungsantrag 122 schlagen die Sarkozy-Parteifreunde Tardy, Le Fur und Alain Suguenot vor, die Internet-Sperren durch eine Geldstrafe zu ersetzen, die per Staatsdekret festgelegt werde.
"Die Trennung des Internet-Zugangs bringt unüberwindbare technische Schwierigkeiten mit sich", schreiben sie, "Sie ist auch kaum mit dem Ziel der Regierung vereinbar, die digitale Wirtschaft zu fördern. Der Zugang zum Internet wird zunehmend lebensnotwendig, da viele öffentliche Dienstleistungen nur noch online angeboten werden. Es scheint offensichtlich, dass es ein allgemeines Recht auf einen Zugang zum Internet geben sollte."
Nach dem Rechtsstaat
Albanel hat das Vorhaben der Internet-Sperren wiederholt damit verteidigt, dass es die Urheberrechtsverletzer nicht kriminalisiere. Allerdings soll nach dem vorliegenden Gesetzestext, der auch mit Stimmen der Sozialdemokraten den Senat passiert hat, der registrierte Nutzer eines Internet-Anschlusses zunächst überhaupt nicht erfahren, weswegen er eigentlich beschuldigt wird.
Weiters werden durch dieses Gesetz die eigentlichen Probleme der Medienindustrie nicht gelöst. So wird auch die HADOPI mit all ihren Privatagenten und Vollmachten kaum letztgültig nachweisen können, wer nun eigentlich vor dem Computer gesessen ist, von dem aus ein mutmaßlicher Urheberrechtsverstoß begangen wurde. Dass die Beschuldigten erst bei der letzten Maßnahme Gelegenheit erhalten sollen, überhaupt Einspruch einlegen zu können, lässt diese Bestimmung wie einen Schutz für die Fahnder der Medienindustrie erscheinen, die sich in der Vergangenheit auch gerne geirrt haben. Dass es bis zu diesem Punkt auch nicht möglich sein soll, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen, und die HADOPI als Ankläger und Richter in Personalunion auftritt, rundet das unschöne Bild noch ab.
Gut fürs Geschäft
In diesem Kontext mag es wie ein Scherz anmuten, dass es ausgerechnet ein französischer Multi ist, der es als einer der wenigen Medienkonzerne weltweit versteht, mit dem Internet tatsächlich Geld zu machen. Der Umsatz der Vivendi-Tochter Activision Blizzard hat sich laut aktueller Jahresbilanz dank Mega-Hits wie dem Online-Spiel "World of Warcraft" auf 2,1 Milliarden Euro verdoppelt.
Auch das operative Geschäft der Musiksparte Universal Music Group konnte 2008 um zehn Prozent auf 686 Millionen Euro zulegen, die Umsätze mit dem Internet-Musikgeschäft stiegen um 31 Prozent. Ob es für die Medienkonzerne also günstig ist, wenn die Internet-Nutzer just in dem Moment systematisch verunsichert werden, in dem ihre eigenen Angebote im Netz endlich beginnen, für die Kundschaft attraktiv zu werden, darf zumindest bezweifelt werden.
Vergebliche Liebesmüh
Sicher ist, dass zuerst einmal die Provider und ihre Kunden zahlen müssen. Laut einer Umfrage des französischen Wirtschaftsmagazins "Les Echos" vom 26. Februar schätzt allein Orange die Kosten für die Umsetzung der Gesetzesvorgaben auf rund 13 Millionen Euro jährlich.
Scheitern könnte das "Loi HADOPI" letztlich an der EU, nämlich am Telekompaket, das im April zur zweiten Lesung im EU-Parlament erwartet wird. Wird der von der französischen Sozialdemokratin Cathérine Trautmann eingebrachte Änderungsantrag 138 (in der zweiten Lesung: Nummer 46) zur Universaldienstrichtlinie vom Parlament angenommen, wird es in der ganzen EU illegal, ohne richterliche Verfügung den Zugang zum Internet zu kappen.
(futurezone/Günter Hack)