Mininova: "Filesharing wird es immer geben"
"Manche Unternehmen beginnen umzudenken und erkennen, dass der Kampf gegen Filesharing aussichtslos ist", sagt Erik Dubbelboer, Präsident der Torrent-Suchmaschine Mininova. ORF.at hat mit ihm und Geschäftsführer Niek van der Maas in den Niederlanden über ihre Pläne mit lizenziertem Filesharing und ihre Beziehung zu The Pirate Bay gesprochen.
Mininova.org betreibt ungeachtet des medial stark beachteten Strafprozesses gegen The Pirate Bay seit vier Jahren eine Torrent-Suchmaschine, mit der nach lizenzierten wie unlizenzierten Downloads gesucht werden kann. Anders als die schwedischen Piraten bietet Mininova zwar keine eigenen "Tracker", um die Downloads zu koordinieren, verlinkt jedoch zu diesen und ist mit täglich acht Millionen Suchanfragen nach eigenen Angaben die meistbenutzte Torrent-Website der Welt.
Vor kurzem bezogen die fünf Mitarbeiter ein neues Büro im holländischen Utrecht und führten auf der Computermesse CeBIT Gespräche mit Herstellern von Set-Top-Boxen wegen Kooperationen und Einführung eines Labels "Powered by Mininova". Ihrem bevorstehenden Zivilrechtsprozess aufgrund von Copyright-Beschwerden der niederländischen Anti-Piraterie-Organisation (BREIN) sehen die Mitarbeiter gelassen entgegen, schließlich entferne man Links zu nicht lizenzierten Inhalten auf Verlangen, und mehr könne man von einer reinen Suchmaschine nicht verlangen.
Erik Dubbelboer (l.), Präsident, und Niek van der Maas (r.), Geschäftsführer, haben zusammen mit drei weiteren Kollegen vor vier Jahren die Suchmaschine Mininova.org gegründet. Alexa.com führt sie unter den Top 100 der meistbesuchten Websites.
ORF.at: Mininova nennt sich selbst die "ultimative BitTorrent-Quelle". Ist es wirklich die größte Suchmaschine für Torrents?
Dubbelboer: Ja. Viele Leute glauben, das wäre The Pirate Bay, auch weil sie derzeit wegen ihres Strafprozesses laufend in den Medien sind. Wir sind aber um einiges größer, mehr Menschen besuchen unsere Website (zumindest laut Alexa.com liegt Mininova.org auf Platz 85 und Thepiratebay.org auf Platz 106 der meistbesuchten Websites, Anm.). Allerdings sollte man das nicht direkt vergleichen, weil wir im Gegensatz zu Pirate Bay keinen eigenen Tracker anbieten. Wir bieten nur die eigentlichen Torrent-Dateien an und verlinken zu den Trackern. Diese von unseren Usern hochgeladenen Torrents enthalten die Metainformationen für Downloads, diverse Tracker übernehmen dann die Koordination. Unser Partner VIPeers.com bietet eine direkte Upload-Möglichkeit, die das Einstellen von neuen Inhalten einfacher macht.
ORF.at: Was ist das Geschäftsmodell von Mininova?
Van der Maas: Unsere Haupteinkommensquelle ist Werbung auf der Website. Wir arbeiten mit verschiedenen Werbedienstleistern und Networks wie Yahoo zusammen. Wir bieten auch eine Browser-Toolbar an, aber anders als etwa Bittorrent Inc. erzielen wir nur wenige Einnahmen damit, es ist mehr ein Service für unsere User.
ORF.at: Sie sind kürzlich zur Computermesse CeBIT gefahren, was haben Sie dort gemacht?
Dubbelboer: Immer mehr Hersteller bieten Set-Top-Boxen für Fernsehgeräte an, mit denen man direkt Torrent-Dateien downloaden kann. Wir bieten eine Liste dieser Geräte auf unserer Website mit Links zum Kauf bei Amazon an. Es sind inzwischen mehrere Hersteller daran interessiert, unser Logo "Powered by Mininova" zu lizensieren. Auf der CeBIT haben wir mit einigen dieser Hersteller Gespräche geführt, wie zum Beispiel mit Hauppauge.
ORF.at: Sie bieten auf Mininova.org "Content Distribution" an, wollen also lizenzierter Vertriebsweg für Medieninhalte werden. Kann das auch ein Geschäftsmodell werden?
Dubbelboer: Dieses kostenlose Angebot richtet sich an kleinere Künstler, die sich die Produktion von CDs nicht leisten können. Wir helfen ihnen bei der Verbreitung ihrer Inhalte und machen sie einem größeren Publikum zugänglich, indem wir sie auf unserer Startseite als "Featured Torrents" listen. Wir planen, dieses Model weiterzuentwickeln und mit größeren Unternehmen zusammenzuarbeiten. Das entwickelt sich momentan sehr gut, da immer mehr Leute am großen Potenzial dieses Distributionskanals interessiert sind.
ORF.at: Wie hat sich Mininova anfangs finanziert?
Van der Maas: Wir wurden zum Start vor vier Jahren auf den Servern von The Pirate Bay und isoHunt gehostet. Mininova wurde schnell so sehr beliebt, so dass wir eigene Server anschaffen und finanzieren mussten. Damals haben wir mit Werbeschaltungen auf unseren Seiten angefangen, inzwischen besitzen wir zwanzig Server in einem Datacenter in Amsterdam.
Dubbelboer: Es war eigentlich nie geplant, Mininova als Unternehmen zu betreiben. Wir wollten einfach eine coole Website machen und mit der spannenden Bittorrent-Technologie experimentieren. Jetzt arbeiten hier fünf Mitarbeiter, die meisten von uns sind um die 24 Jahre alt und studieren Informatik. Es macht einfach Spaß. Wir haben mit Mininova unser Hobby zu einem Beruf gemacht.
ORF.at: Es muss schwierig sein, als Unternehmer gerade zu Zeiten des Pirate-Bay-Prozesses Vertretern der Medienindustrie legale Bittorrent-Dienste anbieten zu wollen.
Dubbelboer: Ähnlich wie isoHunt.com arbeiten wir auch als Profitunternehmen, und nicht wie The Pirate Bay nur aus ideologischen Gründen. Ich glaube nicht, dass dabei etwas nicht in Ordnung sein sollte. Natürlich gibt es Interessensverbände wie die niederländische Anti-Piraterie-Organisation BREIN (Bescherming Rechten Entertainment Industrie Nederland, Anm.), die denken, wir sollten anders agieren. Vor gut einem Jahr haben sie eine Klage eingereicht, nachdem sie die Gespräche mit uns abgebrochen haben. Vor wenigen Tagen haben wir erfahren, dass der Gerichtstermin voraussichtlich im September sein wird. Wir haben uns gut vorbereitet und werden von den Anwälten Christiaan Alberdingk Thijm, der auch einen berühmten Fall mit Kazaa gewonnen hat, und Vita Zwaan verteidigt.
ORF.at: Was möchte BREIN mit der Klage erreichen?
Dubbelboer: BREIN will, dass wir nicht lizenziertes Material wie urheberrechtlich geschützte Filme, Musik und Software selbstständig filtern. Wir haben hingegen eine "Removal Policy" und entfernen entsprechende Torrents nur, wenn es sich um eine korrekt eingegangene Beanstandung eines Rechtinhabers handelt. Wir denken, das sollte den Möglichkeiten einer Suchmaschine entsprechend ausreichen. BREIN ist da anderer Meinung. Dieser erste große Prozess wird entscheiden, ob unsere Art Suchdienst illegal ist oder nicht. Allerdings wird dieses Gerichtsverfahren nicht vergleichbar mit dem derzeit laufenden Prozess gegen The Pirate Bay in Schweden sein, da es ein Zivilverfahren und kein Strafprozess ist.
ORF.at: Stehen Sie in Kontakt mit den Betreibern von The Pirate Bay?
Dubbelboer: Ja, erst letzte Woche habe ich mit Peter Sunde über ihren Prozess gesprochen. Er ist natürlich überzeugt, dass sie den Fall gewinnen werden. Mit Gottfrid Svartholm tauschen wir uns auch immer wieder über technische Details aus, ansonsten gibt es keine spezielle Zusammenarbeit.
ORF.at: Wird der Ausgang des Pirate-Bay-Prozesses die Gesetzeslage in Europa verändern?
Dubbelboer: Er wird nicht die Gesetze selbst ändern, aber womöglich deren Interpretation. Es ist schwer zu sagen, welche Seite gewinnen wird. Der moralische Sieger wird aber auf jeden Fall The Pirate Bay sein, das ist jetzt schon klar. Ich lese mehrmals pro Tag die Nachrichten auf Torrentfreak.com. Allerdings glaube ich nicht, dass der Ausgang des Pirate-Bay-Gerichtsverfahrens uns stark betreffen wird, da wir nach dem holländischen Zivilrecht und nicht nach dem schwedischen Strafrecht verklagt wurden.
ORF.at: Betreiben Sie die Torrent-Suchmaschine auch aus ideologischen Gründen?
Dubbelboer: Wir denken, dass die klassischen Medien wie das Fernsehen nicht mehr funktionieren. Der freie Informationsfluss im Internet ermöglicht viel bessere Distributionswege. Ich selbst sehe kaum noch fern. Ich möchte Inhalte sehen, wenn ich Zeit dafür habe - und nicht dann, wenn sie gerade von einem Sender ausgestrahlt werden. Manche Unternehmen beginnen schon umzudenken und fragen uns etwa, wie sie von unserem "Content Distribution"-Modell profitieren können. Sie erkennen, dass der Kampf gegen Filesharing aussichtslos ist.
ORF.at: Eine kürzlich im Auftrag niederländischer Ministerien durchgeführte Studie beurteilt die ökonomischen und kulturellen Auswirkungen von Filesharing durchaus positiv. Was denken Sie über das Modell einer möglichen "Kultur-Flatrate" für die Vergütung geschützter Inhalte?
Dubbelboer: Es arbeiten mehrere Experten an solchen Modellen. Jamie King, Regisseur der Dokumentation "Steal This Film", hat uns darauf angesprochen. Die grundsätzliche Idee ist, dass man einen bestimmen Betrag an eine Vereinigung zahlt, die den Künstlern je nach Download-Aufkommen oder "Network share" die Vergütung zuteilt. Wir sind sehr interessiert an Zukunftsmodellen wie diesem. Ich glaube, dass Kulturgüter nie kostenlos sein werden, die Distribution muss aber einfacher werden. Die Leute laden nicht deshalb unlizenzierte Dateien herunter, weil es gratis ist, sondern weil es einfach ist.
ORF.at: Würden Sie eine monatliche "Flatrate" oder ein werbefinanziertes Modell bevorzugen?
Dubbelboer: Eine Kombination aus beidem. Manche Leute stört es nicht, Werbungen in TV-Shows zu sehen, andere wollen lieber für werbefreie Inhalte bezahlen. Für Musiker, zum Beispiel, gibt es viel mehr Möglichkeiten zum Geldverdienen, als nur CDs zu verkaufen. Wir haben etwa beim Konzert der niederländischen Band "Silence is Sexy" im Tivoli Utrecht unser Outdoor-Banner montiert, weil wir ihnen durch die Distribution ihres Albums geholfen haben, bekannter zu werden. Künstler können Konzerte geben und Merchandising verkaufen. Natürlich haben auch wir nicht alle Antworten auf die ungelösten Probleme der Medienzukunft. Es gibt noch viel zu erforschen, wir stehen gerade erst am Beginn der Veränderungen.
(Richard Pyrker)