ETech 2009: Die Zukunft der Zeitung
Liegt die Zukunft der Printmedien in personalisierten Zeitungen auf elektronischem Papier, in Barcodes für iPhones oder doch in der guten, alten Druckausgabe? Auf der derzeit im kalifornischen San Jose stattfindenden Emerging-Technology-Konferenz gingen die Meinungen dazu auseinander.
"Die Zeitung wird nicht einfach so verschwinden", sagte Nick Bilton von der "New York Times" am Dienstag dem Publikum der Emerging-Technology-Konferenz (ETech). Sein Arbeitgeber werde noch für Jahrzehnte ganz klassisch Nachrichten auf Papier verbreiten. Gleichzeitig bemüht man sich bei der "NYT" jedoch, einer neuen Generation von Medienkonsumenten Möglichkeiten zu bieten, die mit Druckerschwärze so nicht machbar sind.
Die New Yorker Medieninstitution besitzt dazu ein Research-and-Development-Team, das unter anderem mit Geräten wie dem iPhone und Amazons Kindle experimentiert. "Wir fragen uns, wie wir auf diesen Geräten Geschichten erzählen können", so Bilton, der Teil des Teams ist. Ein Ansatz sei, möglichst flexibel auf die Möglichkeiten und Beschränkungen des jeweiligen Bildschirms zu reagieren.
Bald 2-D-Barcodes in der "NYT"
Sein Team hat dazu Prototypen entwickelt, die je nach Browser- und Bildschirmgröße Grafiken weglassen und Fonts größer darstellen. Nicht all diese Entwicklungen werden tatsächlich einmal den Markt erreichen. Eher experimenteller Natur ist beispielsweise ein von Biltons Team entwickelter Sensor, der den Abstand eines Lesers von seinem Fernseher mit Internet-Zugang misst.
Dafür wird die Zeitung ihre Leser in den nächsten Monaten mit einer anderen Entwicklung des R-und-D-Teams vertraut machen. 2-D-Barcodes sollen Mobiltelefonnutzern ermöglichen, zusätzliche Informationen zu einem Artikel auf der Website der "New York Times" nachzuschlagen. Die Integration solcher grafischer Links in die Papierausgabe einer Zeitung ist jedoch nicht ganz unkompliziert, so Bilton. "Einige Leute glauben, dass es sich dabei um Kreuzworträtsel ohne Lösungshinweise handelt", wusste er von internen Tests zu berichten.
Am HP Surfaces Lab werden papierähnliche Displays entwickelt.
Schluss mit dem Papiermüll
Wenn es nach dem Hewlett-Packard-Forscher Carl Taussig geht, dann werden auf Papier gedruckte Barcodes dagegen schon bald wieder veraltet sein. Taussig arbeitet in den HP Labs an papierähnlichen Displays, die auch als E-Paper bekannt sind. Zu seiner Spezialität gehören Displays, die ähnlich wie klassisches Papier in einer Art Druckprozess auf großen Rollen verarbeitet werden.
Der HP-Forscher ließ seine Zuhörer am Dienstag wissen, dass ihm der Übergang vom klassischen zum elektronischen Papier gar nicht schnell genug gehen kann. Der typische Zeitungsabonnent verursache pro Jahr bis zu 200 Kilogramm Papiermüll. "Dem würde ich gerne ein Ende setzen", so Taussig.
Gleichzeitig sei E-Paper einfach billiger. "Das Teuerste am Produzieren einer Zeitung ist der Druckprozess", erklärte er.
Letztlich gehe es ihm darum, mit E-Paper die Welt der Zeitungen zu erhalten. So ließe sich eine elektronische Zeitungsausgabe besser über zielgruppengerechte Anzeigen finanzieren. Taussig dazu: "Wir müssen dafür sorgen, dass das Zeitungsgeschäft profitabel bleibt." Ohne Zeitungen gehe der Gesellschaft eine wichtige Kontrollinstanz verloren.
Redaktionen schrumpfen weiter
Das Verschwinden dieser Kontrollinstanz ist in den USA längst keine finstere Zukunftsvision mehr. Ende Februar druckte die in Denver erscheinende Zeitung "Rocky Mountain News" ihre letzte Ausgabe. Letzte Woche erfuhren die Leser des "Seattle Post Intelligencer", dass ihre Zeitung bald nur noch im Web erscheint. Und in San Francisco bangen derzeit die Mitarbeiter des lokalen "Chronicle" um ihren Job. Experten gehen davon aus, dass bis zum Ende des Jahres bis zu 20 US-Zeitungen schließen könnten.
"New York Times"-Mitarbeiter Bilton glaubt jedoch, dass diese Krise für einige Publikationen ein Anlass sein könnte, sich auf ihre Stärken zu besinnen. Lokale Redaktionen müssten nicht jeden Tag eine komplette Tageszeitung produzieren, um relevant zu sein, so Bilton.
Aktuelle Nachrichten im Web, ergänzt um eine wöchentliche Druckausgabe, reichten in vielen Fällen aus. Dazu brauche es dann eben auch keine Redaktionen mit mehreren hundert Mitarbeitern. "Ich glaube, dass viele der heute existierenden Redaktionen zu groß sind", so Bilton.
(Janko Röttgers)