Play.fm will im sozialen Netz mitspielen
Das Wiener Online-Musikprojekt Play.fm steht vor einer großen Umstellung. Es will sich von einem nichtkommerziellen Internet-Radio für DJ- und Clubkultur zu einer gewinnorientierten weltweiten Musikdatenbank entwickeln. ORF.at hat mit Play.fm-Gründer Georg Hitzenberger über seine Pläne und die Herausforderungen auf dem europäischen Online-Musikmarkt gesprochen.
Im April 2004 als Wiener Internet-Radio für elektronische Musik gegründet, hat sich Play.fm mittlerweile zu einer umfangreichen Audiodatenbank entwickelt, die mit über 12.000 DJ-Sets, Radiosendungen und Live-Mitschnitten bestückt ist, die in 128-kbps-MP3-Qualität per Streaming auf dem PC angehört werden können.
Derzeit verwaltet Play.fm etwa 1,8 Terabyte an Daten, die auf drei verschiedenen Servern liegen, damit das System effizient und ausfallsicher läuft, erzählt Georg Hitzenberger, Geschäftsführer von Play.fm. Die Datenbank wächst ständig, die Anfragen von DJs, die ihre Sets präsentieren wollen, sind zahlreich. Der Andrang ist so groß, dass Play.fm Mitte März einen Relaunch vollzogen und das System für DJs und Benutzer der Website rundum erneuert hat. Im Lauf des 24. März soll die neue Site ans Netz gehen.
Musikstücke im Mix identifizieren
DJs können ihre Studiosets jetzt selbst hochladen und die dazugehörigen Tracklists eingeben. Nutzern ist es möglich, die Tracklists, falls diese unvollständig sind, zu ergänzen und selbst zu bearbeiten. "Das funktioniert so wie bei einem Wiki", erklärt Hitzenberger, während er das neue System vorführt. Angst vor zu vielen Falscheinträgen hat der Play.fm-Chef nicht. Außerdem könne die Redaktion im Bedarfsfall sofort eingreifen und einzelne Einträge entfernen oder Nutzer sperren.
Künstler haben die Möglichkeit, das Audiofile ihres Mixes mit genauen Zeitmarkierungen zu versehen, damit ersichtlich wird, wann ein neuer Track im Mix beginnt. Damit können die Hörer schnell und einfach identifizieren, welches Musikstück gerade läuft. Mit einem Metashop-System bietet Play.fm seinen Nutzern dann die Möglichkeit, den gerade gehörten Musiktitel in einem Partnershop des Unternehmens zu kaufen. Das sind nur Auszüge aus dem neuen Konzept, das Play.fm beim Relaunch umgesetzt hat - oder noch umsetzen wird, denn die Firma wird noch bis Mai damit beschäftigt sein, weitere geplante Features vollständig einzubinden.
Departure-Förderung
Mit neuen Ideen, einem starken Fokus auf Web-2.0-Anwendungen und einer strategischen Umsetzung der gesetzten Ziele will das Projekt den Sprung von einem nichtkommerziellen Verein zu einem gewinnbringenden Unternehmen schaffen. Die Ende 2007 erlangte, rund 178.000 Euro umfassende Fördersumme der städtischen Wiener Kreativagentur departure ist für das fünfköpfige Kernteam von Play.fm wichtig. Das Geld macht rund 57 Prozent des auf zwei Jahre geplanten Gesamtbudgets aus. Spätestens mit Jahresende wird es aufgebraucht sein.
Bis dahin muss absehbar sein, ob das neue Konzept wirtschaftlich tragfähig ist. Aus den 60.000 Benutzern pro Monat sollen wesentlich mehr werden. "Wir hoffen, dass sich die Benutzerzahlen rasch steigern. Dadurch können wir dann größere Werbekampagnen verkaufen. Auch das Metashop-System ist eine Einnahmequelle", sagte Hitzenberger gegenüber ORF.at.
Globale Vernetzung von Städten
Geplant ist etwa noch die Einführung eines eigenen "Cities"-Navigationspunkts, die das Projekt auf eine globale Ebene heben soll. Dazu werden Partnerschaften mit Clubs aus dem Ausland abgeschlossen, die ihre Events in den Kalender eintragen und regelmäßig Mitschnitte ihrer Clubabende abliefern.
Konkret laufen Verhandlungen mit Clubs in einigen deutschen Städten wie Berlin, Frankfurt, München und Köln. Da das Geld für große Werbekampagnen fehlt, setzt Play.fm bei der raschen Verbreitung des Portals vor allem auf virales Marketing. Nutzer können ihre Lieblingssets künftig auf ihren Facebook- und MySpace-Profilen als Audio einbinden. Derzeit ist bereits das einfache Verlinken in Sozialen Netzwerken möglich.
Musiklabels einzeln kontaktieren
Das größte Problem der in Wien beheimateten Audiodatenbank ist allerdings nicht die dauerhafte Finanzierung, sondern die nach wie vor unsichere rechtliche Situation rund um Lizenzvergaben von Audiomaterial. Da Play.fm Musik auf zwei unterschiedliche Arten anbietet, nämlich Radiosendungen als Live-Streams und DJ-Sets als On-Demand-Content, müssen Verträge mit unterschiedlichen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen werden.
Die Unterscheidung zwischen Livestream und On-Demand-Service verursacht etwa auf Labelseite größere Probleme: Die österreichische LSG, die weltweit Musiklabels vertritt, vergibt Lizenzen nur für Livestreams, nicht aber für On-Demand-Services. Play.fm wäre somit dazu gezwungen, sich von allen Labels, die in den über 12.000 DJ-Sets vorkommen, einzeln die Genehmigung einzuholen. "Wir sind zwar mit vielen Labels in Kontakt, aber wir können nicht mit allen Labels der Welt sprechen. Ich hoffe, dass es bald eine gesetzliche Regelung geben wird. Das wird auf jeden Fall noch eine große Herausforderung für uns", so der Play.fm-Chef.
Vergleiche mit YouTube & Co.
Auch Vergleiche mit Musikportalen wie Last.fm und YouTube werden im Gespräch rasch gezogen. "Die müssen sich mit den gleichen Problemen herumschlagen, auch die sind am Verzweifeln", meint Hitzenberger. Doch er sieht auch einen Unterschied zu den auf den Massenmarkt abzielenden Musikportalen. "Der Großteil der Labels versteht uns. Wir spielen ja beispielsweise auch nicht Tracks vom Anfang bis zum Ende, sondern die Musik ist in DJ-Sets ja jeweils mit anderen Stücken vermischt. Somit besteht keine Gefahr, dass die Leute die Musikstücke nicht mehr kaufen würden. Außerdem ist unser neues Metashop-System sehr verkaufsförderlich konzipiert", sagt Hitzenberger.
Metashop-System für Nutzer
Das neu eingeführte Metashop-System bringt Nutzer, sofern sie sich für ein in einer Tracklist aufscheinendes Musikstück interessieren, direkt zu einer Auswahl an Shops, die dieses Stück in ihrem Online-Store als MP3 oder WAV-Audiofile anbieten - ohne Kopierschutz. Derzeit sind Kooperationen mit vier Shops und Dienstleistern abgeschlossen: Discogs, SoulSeduction, DJTunes und Finetunes.
Deals mit den Szenestores Beatport und Juno Downloads stehen kurz vor dem Abschluss. Die wichtigsten digitalen Lieferanten für Clubmusik werden mit diesen Portalen abgedeckt. Warum Play.fm in Zeiten wie diesen, in denen immer weniger Geld für Musik ausgegeben wird, überhaupt noch auf ein musikverkaufbasiertes System setzt, erklärt Hitzenberger so: "Unsere Zielgruppe sind vorwiegend DJs - und die werden immer Tracks kaufen, da bin ich mir sicher."
WLAN-Radioangebot für die Zukunft
Wenn das Konzept des neuen Play.fm aufgeht, möchte der Unternehmenschef freilich weiter investieren: Eine mobile Version von Play.fm fürs iPhone ist in Diskussion, aber auch die Integration des Datenarchivs in gängige WLAN-Radiosoftware-Archive. "Der User soll seine Playlists etwa per Knopfdruck in das WLAN-Radioverzeichnis exportieren und somit seine Lieblingssets auch in der Küche hören können", schwärmt Hitzenberger. Mit den jeweiligen Firmen stehe man jedenfalls schon in Kontakt.
(futurezone/Barbara Wimmer)