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D: Gericht stellt Data-Retention infrage

JUSTIZ
16.03.2009

Durch ein Ersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zu einem Agrarsubventionsdatenschutzfall könnte die umstrittene EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wieder vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Das Anti-Terror-Gesetz kollidiert mit den E-Government-Plänen der EU.

In einer Mitteilung vom Montag weist die deutsche Bürgerrechtsorganisation Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 27. Februar hin, in der die EG-Richtlinie zur umfassenden verdachtsunabhängigen Speicherung aller elektronischen Kommunikationsmuster (Vorratsdatenspeicherung) als unverhältnismäßig bezeichnet wird.

Das Gericht hat den Fall ausgesetzt und beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen eingereicht, in dem es unter anderem nach der Gültigkeit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung fragt.

Data-Retention als Nebenbegründung

Damit ist die Vorratsdatenspeicherung alias Data-Retention allerdings nicht automatisch wieder vor dem EuGH gelandet. "Der EuGH kann sich jetzt entscheiden, ob und welche Aspekte des Verfahrens er zur Entscheidung annimmt", sagte Patricia Evers, Sprecherin des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, am Montag gegenüber ORF.at. "Es liegt keine Entscheidung vor, die Rechtskraft entfalten würde."

Die Vorratsdatenspeicherung komme auch nur als Nebenbegründung vor, denn sie führe dazu, dass auch die Grundrechte der Bürger verletzt würden, die über das Internet auf die Subventionsdatenbank zugreifen. "Das ist keine tragende Entscheidung", so Evers.

Der Vorlagebeschluss ist allerdings unanfechtbar. Damit liegt der Ball beim EuGH, der sich nun entscheiden kann, ob er sich nochmals mit der Data-Retention-Richtlinie befassen will. Wenn er das tut, dann muss er sich mit der Frage beschäftigen, ob die Richtlinie gegen die Grundrechte verstößt. Diese Frage hatte bei der kürzlich negativ beschiedenen Klage Irlands gegen die Data-Retention vor dem EuGH keine Rolle gespielt. Da es sich bei dem aktuellen Fall nicht um ein Eilverfahren handle, könne es etwa ein Jahr dauern, bis eine Entscheidung des Höchstgerichts vorliege, ob und wie es sich damit befassen möchte.

Bekanntgabe der Subventionen

Ein landwirtschaftlicher Betrieb hatte dagegen geklagt, dass die deutsche Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bei Empfang von Agrarbeihilfen die Daten der Betriebe auf einer öffentlich zugänglichen Website publiziert. Dadurch, dass dort die Namen und Adressen der Empfänger sowie die Höhe der Jahresbeiträge veröffentlicht würden, könnten Rückschlüsse auf den Betrieb zugelassen werden, so die Kläger.

Das Urteil zeigt, dass die Anti-Terror-Gesetzgebung durchaus mit den E-Government-Plänen der Union und der Nationalstaaten kollidieren kann. In Punkt 14 seiner Erläuterungen schreibt das Gericht: "Diejenigen Bürger, die überhaupt Zugang zum Internet haben und sich informieren wollen, werden gezwungen, sich einer Vorratsdatenspeicherung nach der Richtlinie 2006/24/EG auszusetzen. Das Gericht sieht es als einen Wertungswiderspruch an, einerseits die Telekommunikation verstärkt zu überwachen, aber andererseits Informationen, die der Teilnahme der Bürger an öffentlichen Angelegenheiten dienen sollen, nur elektronisch zugänglich zu machen."

"Verstoß gegen Grundrecht auf Datenschutz"

Weiterhin schreibt es: "Das Gericht sieht in der Datenspeicherung auf Vorrat einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz. Sie ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig. Der Einzelne gibt keine Veranlassung für den Eingriff, kann aber bei seinem legalen Verhalten wegen der Risiken des Missbrauchs und des Gefühls der Überwachung eingeschüchtert werden."

Das Verwaltungsgericht bittet den EuGH unter anderem zu prüfen, ob die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten vereinbar ist. Der nach Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (ERMK) zu wahrende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei durch die Data-Retention-Richtlinie nicht gewahrt, weshalb sie ungültig sei, so das Gericht.

Keine Entscheidung zur Grundrechtskonformität

In seiner jüngsten Entscheidung zur Data-Retention anlässlich einer Klage der Republik Irland hatte der EuGH zwar bestätigt, dass die 2006 verabschiedete Richtlinie auf formal korrektem Weg zustande gekommen sei, allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in seinem Urteil nicht die Frage nach der Konformität der Richtlinie mit den Grundrechten behandelt worden sei.

In Österreich ist derzeit eine Arbeitsgruppe des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte im Auftrag von Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) damit befasst, einen Gesetzesvorschlag für die hiesige Umsetzung des Überwachungsplans zu erstellen. Die Data-Retention geht auf eine Initiative der EU-Innenminister zurück. Sie schreibt vor, dass die Provider verdachtsunabhängig die Telefon-, Mail- und Internet-Verbindungsdaten mindestens sechs Monate lang speichern und den Strafverfolgungsbehörden zur Terror- und Mafia-Bekämpfung zur Verfügung stellen müssen.

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(futurezone/Günter Hack)