E-Books: Der stille Vorbote
Sonys E-Book-Reader PRS-505 ist eines der ersten Lesegeräte mit reflektivem E-Ink-Display, die im großen Stil den österreichischen Markt erreichen. Trotz seiner Kinderkrankheiten lässt das Gerät erahnen, dass auf die Buchverlagsbranche schon bald ähnliche Probleme zukommen werden wie auf die Musikindustrie.
Ab 3. April gibt es in zahlreichen österreichischen Buchhandlungen den E-Book-Reader PRS-505 von Sony zu kaufen. Das Gerät ist einer der ersten Reader mit E-Ink-Display, die in Österreich auf den Markt kommen. Mit einem Preis von 299 Euro bewegt sich der PRS-505 derzeit im unteren Segment für E-Book-Lesegeräte mit dieser Bildschirmtechnologie. Ein vergleichbares Gerät, der von Hixbooks angebotene Bookeen von Cybook, ist 20 Euro günstiger.
Auf den ersten Blick macht der Sony einen hochwertigen Eindruck. Er steckt in einem Einband aus Kunstleder, in den an den Ecken kleine Magneten eingearbeitet sind, die den E-Book-Deckel im geschlossenen Zustand sauber in Position halten. Das Gerät wiegt 260 Gramm und misst 175 mal 122 mal 8 mm. Damit ist es schwerer und etwas sperriger als ein Taschenbuch, aber auch kompakter als ein ausgewachsener Hardcover-Band. Mit 192 MB internem Speicher soll es rund 160 E-Books speichern können.
Langläufer-Akku
An der oberen Gehäusekante finden sich der "Power"-Schalter sowie die beiden Steckplätze für Speicherkarten in den Formaten Memory Stick Pro (Duo) und SD(HC). An der unteren Kante gibt es einen fünfpoligen Mini-USB-Anschluss, eine 3,5-mm-Kopfhörerbuchse und eine Wippe zur Regelung der Lautstärke - der Reader hat auch eine Abspielsoftware für MP3- und WAV-Dateien an Bord.
Weiterhin findet sich dort auch eine Buchse zum Anschluss des Netzgeräts. Es ist nicht mitgeliefert und muss für rund 30 Euro nachgekauft werden; der User lädt das Lesegerät über den USB-Anschluss. Der nicht vom Benutzer wechselbare Lithium-Ionen-Akku soll für 6.800 Umblättervorgänge gut sein. Da Geräte mit E-Ink-Display nur dann Energie verbrauchen, wenn sich auf dem Bildschirm etwas ändert, ist es sinnlos, die Akkulaufzeit, wie bei Notebooks gewohnt, in Stunden anzugeben.
Die Benutzerschnittstelle des Readers ist aufgeräumt, aber durchaus komplex. Links unten gibt es eine Bedienfläche, mit der sich in den E-Books vor- und zurückblättern lässt, flankiert von einem Knopf, über den der User drei verschiedene Zoom-Voreinstellungen abrufen kann, und einem weiteren, mit dem sich Bookmarks setzen lassen.
Auf der rechten Seite des Gehäuses folgen zehn schmale Knöpfe, die zum schnellen Anwählen von Menüpunkten und zur Eingabe von Seitenzahlen dienen. Seitlich von ihnen gibt es noch zwei Taster zum Vor- und Zurückblättern. Rechtshänder werden diesen gegenüber dem Pendant auf der linken unteren Seite den Vorzug geben, für Linkshänder liegen sie dagegen ungünstig.
Unter den Zifferntasten gibt es noch ein Bedienelement mit Bestätigungstaste in der Mitte, das zur Navigation in den Menüs dient. Rechts von ihm sitzt ein Knopf, mit dem der Leser die Menüs der Bücher und der Reader-Systemsoftware aufrufen kann. Der PRS-505 verfügt, anders als teurere Konkurrenzmodelle des Herstellers iRex, nicht über einen Digitizer oder einen Touchscreen. Auf der Rückseite weist das Metallgehäuse ein kleines Loch auf, hinter dem ein Reset-Taster steckt, der sich mit einem Stift eindrücken lässt.
Die Bedienelemente des Readers erklären sich selbst. Nicht alle Taster haben allerdings einen knackigen Druckpunkt. Für sich genommen wäre das kein großer Nachteil, allerdings verbindet sich diese negative Eigenschaft mit der allgemeinen Trägheit des Systems zu einem schweren Bedienungsproblem. Das System reagiert auf Eingaben des Nutzers nur sehr langsam. Es dauert eine bis zwei Sekunden, bis sich der Bildschirminhalt ändert. Ein schnelles Springen durch die Menüs ist damit nicht möglich. Der User muss allzu oft glauben, dass das System seine Eingabe nicht registriert hat. Schnell ist da ein Knopf zwei- oder dreimal gedrückt, wo einmal gereicht hätte - und man landet nicht dort, wo man eigentlich hinwollte.
Zucken beim Umblättern
Beim "Umblättern", also der Neuausrichtung der Farbelemente des E-Ink-Displays, wird der Bildschirminhalt für eine kurze Zeit negativ gestellt. Dieses "Blitzen" irritiert beim Lesen sehr stark und wirft den Benutzer gleichsam aus dem Text. Schade, denn das Display an sich funktioniert sehr gut, auch kleine Schriftgrößen vermag das Gerät mit seiner Auflösung von 600 mal 800 Bildpunkten präzise darzustellen. Das Display ist zwar matt, störende Lichtreflexe können trotzdem auftreten. Insgesamt lässt sich aber auch in öffentlichen Verkehrsmitteln bei schnell wechselnden Lichtverhältnissen konzentriert auf dem Gerät lesen.
Das gilt allerdings vorrangig für Dateien im XML-basierten Epub-Format. Sie werden vom System schnell je nach gewählter Zoom-Stufe umbrochen und sehen auch immer ansprechend aus. Mit PDF-Dateien, die freilich nicht für den E-Book-Reader erfunden worden sind, geht das System weniger pfleglich um. Das beginnt schon bei der Dateiübertragung. Als Testdatei diente die PDF-Variante einer Empfehlung des EU-Parlaments zum Telekompaket. Bei der Aufnahme der Datei in die Library-Anwendung von Sony, die auf dem PC für die Verbindung zwischen Reader und Rechner sorgt, übernahm die Software nicht den eigentlichen Titel oder den Dateinamen des Dokuments, sondern holte sich die Informationen aus den PDF-Metadaten und nannte es schlicht "Microsoft Word - 2009-421119.MSWORD", als Autor wurde "eici-batchjob" eingetragen, vermutlich die Konvertierungssoftware des EU-Parlaments.
Eigensinnige E-Bibliothek
Die Library-Software ist sehr einfach gehalten. So einfach, dass sie es nicht erlaubt, Titel und Autor der selbst hochgeladenen Datei zu verändern. Die Menüs des Readers selbst sind so aufgebaut, dass sich die E-Book-Bestände nach Titel, Autor und Datum der Integration in seine virtuelle Bibliothek durchsuchen lassen. Um das EU-Dokument bei Bedarf schnell wiederfinden zu können, bleibt dem Nutzer in diesem Fall nur die Option, eine eigene Sammlung anzulegen, in der sich ein Subset der Bibliothek übersichtlich zusammenstellen lässt.
Auch der Einkauf von E-Books im Netz läuft über die Library-Software. Die Anbieter sind voreingestellt. Seit vergangener Woche bietet Sony über eine Kooperation mit Google eine umfangreiche Bibliothek gemeinfreier kostenloser Titel im Epub-Format an. Um diese über die Library-Software direkt nutzen zu können, muss sich der User allerdings erst bei Sony registrieren. Zur Nutzung von DRM-bewehrten Epub-Dateien aus dem Online-Buchhandel muss der User noch eine Rechteverwaltungssoftware von Adobe installieren.
Audio-Funktionen
Durchsuchen lassen sich die elektronischen Dokumente auf dem Reader übrigens nicht. Der Nutzer kann allenfalls Bookmarks setzen. Beim Einschalten macht der Reader exakt an der Stelle weiter, wo der Nutzer sich zuletzt befunden hat. Das gilt nicht nur für die E-Books, sondern auch für Audiodateien, was Hörbuchfreunde freuen dürfte, die den Konsum jederzeit unterbrechen und an der letzten Stelle wieder aufnehmen können. Der Player merkt sich sogar die letzte Position innerhalb der zuletzt gehörten Audiodatei, wenn der Nutzer zwischendurch andere Funktionen des Readers genutzt hat.
Die Abspiel-Anwendung selbst ist ansonsten sehr einfach gehalten. Außerdem kommt die Display-Technologie beim "Spulen" innerhalb der Audiodatei nicht so schnell mit wie von iPod oder PC gewohnt. Während der Lektüre eines E-Books spielt der Audio-Player im Hintergrund weiter. Allerdings muss man das E-Book über die Menütaste verlassen, um ihn bedienen zu können - an der Oberfläche steht nur der Lautstärkeregler zur Verfügung. A propos Lautstärke: Der Reader arbeitet vollkommen lautlos und erwärmt sich im Betrieb nicht.
Frugale Menüs
Die restlichen Einstellungsmöglichkeiten des Readers sind schnell aufgezählt. Der User kann einstellen, ob er die Bücher im Hoch- oder Querformat lesen möchte. Es gibt auch eine Systemuhr und einen Slideshow-Modus für Bilder. Nicht mehr benötigte Dateien lassen sich löschen, auch die üblichen Speicherformatierungs- und Reset-Befehle stehen dem Nutzer zur Verfügung.
Der Ladezustand der Batterie wird ständig mittels vier Balkensegmenten links unten auf der Oberfläche angezeigt. Während des einwöchigen Tests des Readers ging sie nur um ein einziges Segment zurück - bezeichnenderweise beim Test der Audio-Funktion, bei der außer dem Bordprozessor auch die Anzeige stärker bemüht werden muss als beim Lesen.
Fazit
Als E-Book-Reader ohne Verbindung zum Netz und ohne eingebauten Digitizer, über den sich Notizen zu den elektronischen Dokumenten machen lassen, ist der Sony PRS-505 schon heute nicht mehr technisch aktuell. Amazon lässt sich aber mit der Einführung seines Kindle in Europa Zeit, und die iRex-Reader iLiad und 1000, die größer sind und WLAN-Fähigkeit und Digitizer mitbringen, kosten beim Hersteller selbst 599 beziehungsweise 699 Euro.
Mag der Sony-Reader noch die typischen Probleme eines Gadgets der ersten Generation haben: Die Display-Technologie von E-Ink ist bereits gut genug und bietet schon jetzt ein wesentlich angenehmeres Leseerlebnis als E-Book-Lesesoftware auf Computern - bisher freilich nur in Schwarz-Weiß. E-Book-Reader werden herkömmliche Bücher nicht ersetzen, aber sie sind nach unendlich lang scheinender Entwicklungszeit nun kein Hirngespinst im Oberstübchen von MIT-Geeks mehr, sondern ein ernstzunehmendes Mainstream-Produkt.
Das Knarzen im Geschäftsmodell
Bleibt das übliche Problem mit dem Kopierschutz. Rechtzeitig zur Einführung des Sony-Readers in Deutschland hat sich der Börsenverband des deutschen Buchhandels mit der Forderung nach Internet-Sperren für E-Book-Piraten aus dem Fenster gelehnt. Die Forderung nach Netzüberwachung und Zensur steht speziell dieser Branche, die eigentlich zum Rückgrat der Aufklärung und Zivilisation zählen sollte, außerordentlich schlecht zu Gesicht. Dagegen ist Amazons Ansatz, die E-Books für den Kindle nur innerhalb eines geschlossenen Systems auszuliefern und das Internet dabei in Ruhe zu lassen, schon beinahe sympathisch.
Man kann nicht gleichzeitig die Rationalisierungsvorteile der Digitalisierung in Anspruch und dabei nicht das offensichtliche Risiko der Piraterie in Kauf nehmen wollen. Man kann auch nicht für ein E-Book mit DRM denselben Preis fordern wie für ein Hardcover-Buch. Das Urteil des Markts ist da einfach vorherzusehen. Es knarzt im Geschäftsmodell - wie bei allen Holzmedien. Bei der Präsentation des Sony-Readers in Wien sprachen die Unternehmensvertreter von "Gutenberg 2.0". Ein großes Wort. Angesichts des still daliegenden E-Book-Displays kommt der netzerfahrene Leser allerdings nicht umhin, sich an die Tatsache zu erinnern, dass schon Gutenberg mit seiner Erfindung pleitegegangen ist.
(futurezone/Günter Hack)