EU lockert Wettbewerbsregeln für Telekoms
Unter anderem wegen starken Drucks aus Deutschland hat die EU anlässlich des laufenden Gipfeltreffens in Brüssel die Wettbewerbsregeln auf dem Telekommarkt gelockert. Die neue Regelung soll Investitionen in den Ausbau von Internet-Anschlüssen in ländlichen Gebieten fördern. Die Entscheidung stärkt tendenziell die Position von Großkonzernen und Ex-Monopolisten.
Deutschland habe eine Lockerung der EU-Wettbewerbsregeln auf dem Telekommarkt erreicht, sagte Merkel nach dem EU-Gipfel. So sollen Investitionen zur besseren Versorgung von ländlichen Gebieten mit schnellen Internet-Anschlüssen angekurbelt werden.
Damit wird auch eine langjährige Forderung der börsennotierten Telekom Austria erfüllt. Der österreichische Marktführer sieht sich durch die Regulierung gegenüber den Mitbewerbern benachteiligt. Eine Folge davon sei, dass das Geld für den Infrastrukturausbau fehle. Die Konkurrenz hingegen sieht weiterhin eine strenge Regulierung als erforderlich an, um den Startvorteil des Ex-Monopolisten und Inhabers eines Großteils der Infrastruktur auszugleichen.
ISPA: Kein gutes Signal
Der österreichische Internet-Provider-Verband ISPA sieht in der Lockerung "kein gutes Signal". "Wir brauchen einen wettbewerbs- und technologieneutraler Ausbau, der allen ermöglicht, zu investierten", so ISPA-Generalsekretär Andreas Wildberger gegenüber ORF.at. Die neue Regelung stärke vor allem die Monopolisten.
Wildberger sieht einen wichtigen ersten Schritt in der Sicherstellung von "Duct Access", den Zugang zu Leerverrohrung, in Österreich. Diese sei einer der größten Kostenpunkte für die Anbieter. "Ein Großteil der Kosten liegt im Aufgraben", so Wildberger. In Ländern wie Deutschland oder Frankreich gebe es diese Sicherstellung bereits.
Investitionsrisiko teilen
Die EU-Staaten wollen den großen Telekommunikationsunternehmen die milliardenschweren Investitionen in den Ausbau schneller Datenleitungen erleichtern. Die Investoren könnten mit den künftigen Nutzern Kooperationen eingehen, um das Investitionsrisiko zu teilen, heißt es dazu am Freitag im Entwurf der Abschlusserklärung zum EU-Gipfel.
Konkret geht es um die Risikoteilung. Am Beispiel Deutschlands: Ein Unternehmen - etwa die Deutsche Telekom - soll vor einer Investition in neue Breitbandnetze einen Wettbewerber - etwa Vodafone - am Risiko beteiligen können. Dieser Mechanismus ist wettbewerbsrechtlich aber umstritten.
Verhandlungen über neuen Rechtsrahmen
Derzeit verhandeln die EU-Mitgliedsstaaten über einen neuen Rechtsrahmen für den europäischen Telekomsektor. Der Direktor des europäischen Branchenverbands ETNO, Michael Bartholomew, begrüßte den Beschluss der EU-Chefs und forderte, ihn in die laufenden Verhandlungen über das EU-Telekompaket aufzunehmen.
Industrievertreter fordern auch, dass Unternehmen, die in neue Netze investieren, diese eine Zeit lang nicht für andere Diensteanbieter öffnen müssen. Die EU-Kommission sieht darin aber den freien Wettbewerb besonders behindert.
Keine Wettbewerbsverzerrung
Von den EU-Ländern festgehalten wurde, dass der Wettbewerb im Telekomsektor nicht verzerrt werden dürften und Diskriminierung von Marktteilnehmern verhindert werden müsse. Der Sprecher von EU-Telekommunikationskommissarin Viviane Reding betonte, es könne keine Investitionen ohne Wettbewerb geben.
Die EU-Kommission wurde außerdem beauftragt, bis Ende dieses Jahres eine Breitbandstrategie zu entwickeln.
56,4 Millionen Euro für Österreich
Die EU-Staats- und -Regierungschefs einigten sich in Brüssel auch auf ein insgesamt fünf Milliarden Euro umfassendes Konjunkturpaket. Der österreichische Anteil aus den Mitteln für den ländlichen Raum beträgt 56,4 Millionen Euro.
Diese sollen für die Breitbandinfrastruktur im ländlichen Raum und für die im "Health-Check" definierten "neuen Herausforderungen" Klimawandel, erneuerbare Energien, Wasserwirtschaft, biologische Vielfalt, die Umstrukturierung der Milchwirtschaft und Innovation verwendet werden.
"Wie hoch der Anteil für den Breitbandausbau sein wird, ist noch nicht fix", sagte Doris Ostermann, Pressesprecherin von Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP), gegenüber ORF.at. Das Ministerium werde vorerst das Geld für Österreich entgegennehmen. "Natürlich werden wir die Verteilung des Geldes gemeinsam mit dem Koalitionspartner beschließen", so Ostermann.
Flexiklausel hält alles offen
Wie viel Geld tatsächlich in das Breitband fließt und wie viel der Landwirtschaft zu Gute kommt, bleibt den nationalen Regierungen überlassen. "Diese Flexiklausel ist in dem EU-Papier enthalten", so Alfred Ruzicka, zuständig für Breitband im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, im Gespräch ORF.at.
"Den Anteil für den Breitbandausbau werden wir in der Koalition besprechen", betont auch Ruzicka. Investieren werde das Ministerium das Geld "technologieneutral in nahezu alle ländliche Gebiete". Vorrang haben jene Regionen, wo derzeit noch eine Downloadgeschwindigkeit von weniger als 1 MBit/s möglich ist. "Das ist in etwa 20 bis 30 Prozent von Österreich der Fall", so Ruzicka. Diese Regionen würden sich punktuell über ganz Österreich verstreuen.
(Reuters/APA/dpa/futurezone)