© Screenshot facebook.com; ORF.at , Ansicht des Facebook-Portals

Wer mit Facebook & Co. wirklich verdient

BUSINESS
23.03.2009

Der Hoffnungsmarkt Soziale Netzwerke wird von den Analysten hart zurückgestuft. Von Facebook bis Twitter soll die gesamte Branche 2013 weltweit jährlich etwa die Hälfte dessen umsetzen, was Google jetzt schon pro Quartal erreicht. Dabei ist der Suchmaschinenbetreiber das einzige Unternehmen, das vom Boom richtig profitiert.

Die Zahlen geben Anlass zur Euphorie. Marktführer Facebook soll binnen Jahresfrist um 230 Prozent auf 65 Millionen User gewachsen sein, der Microblogging-Dienst Twitter die Zahl seiner Nutzer verzehnfacht haben. Obendrein werden dem Marktsegement Werbung in Sozialen Netzwerken Zuwächse von 25 Prozent für 2009 vorausgesagt.

Angesichts dieser jüngsten Daten der Marktforscher von Nielsen Research und Myers Publishing könnte man meinen, dass wenigstens im Netz wirtschaftlich noch etwas weitergeht. Die letzten Daten, die eine solche Annahme unterstützen, sind die Umsätze im Werbungssektor Soziale Netzwerke von 2008, die Analysten von eMarketer kommen auf Zuwächse von 46,4 Prozent weltweit im vergangenen Jahr.

Übertrieben optimistisch

Damit hat es sich freilich schon mit den guten Nachrichten, denn alle anderen Zahlen sehen finster aus. Zum einen dürften die 25 Prozent Wachstum heuer eine übertrieben optimistische Annahme sein, die auf überholtem Zahlenmaterial basiert.

Im neuesten Report von eMarketer wurden die Umsatzprognosen für Soziale Netzwerke gegenüber der letzten Prognose halbiert, die nunmehr für 2009 vorausgesagten 17 Prozent Plus machen immer noch einen imposanten Eindruck - bis man sich die absoluten Zahlen ansieht.

Umsätze, Diskrepanzen

Alle Sozialen Netzwerke zusammen werden demnach 2009 gerade einmal 2,35 Milliarden US-Dollar umsetzen, heißt es im Bericht. Von 2010 bis 2013 werden für dieses Segment des Online-Werbemarkts jährliche Zuwachsraten um zehn Prozent vorausgesagt.

Mit Hunderten Millionen Usern machen Facebook, MySpace und alle anderen Netzwerke zusammen einen Umsatz von 3,5 Milliarden Dollar im Jahr 2013.

Das zusammen müsste eigentlich reichen, um all jene sehr nachdenklich zu stimmen, die immer noch glauben, Soziale Netzwerke seien das "nächste große Ding" im Netz, sobald nur endlich die richtige Vermarktungsmöglichkeit gefunden werde.

Die Lage der US-Medien

Der aktuelle Jahresbericht zur Lage der US-Medien sei der "düsterste bisher", schrieben die Wissenschaftler des angesehenen PEW-Forschungsinstituts in Washington. 2009 werde für die US-Zeitungsbranche vermutlich zum "schlimmsten Jahr" überhaupt.

Der Versuch, im Web Verluste aufzufangen, die Zeitungen seit Jahren wegen sinkender Auflagen erleiden, sei ein "verzweifeltes Bemühen", da man noch kein Konzept gefunden habe, um das "Geschäftsmodell des vergangenen Jahrhunderts" umzustellen.

Auch Zeitschriften, Radio und lokalen US-Fernsehsender mussten 2008 Einbußen hinnehmen. Neben Internet-Anbietern hatten vor allem Nachrichtensender Zuwächse.

Sechs Jahre, kein Profit

Seit der Gründung von MySpace suchen alle wichtigen Medienkonzerne nach einem validen Geschäftsmodell. Gefunden haben sie es offensichtlich nicht. Von YouTube (Google) und MySpace (Murdoch) gibt es diesbezügliche keine genauen Zahlen, da beide mit ihren Mutterfirmen bilanzieren. Von Facebook bis Twitter schreibt keiner von den großen Betreibern mit Sozialen Netzwerken auch nur annähernd schwarze Zahlen.

Zwerge gegen Google

Ein Vergleich: Alle Sozialen Netzwerke zusammen haben im Jahr 2008 etwa zwei Millarden Dollar umgesetzt, Google hingegen kam auf 5,7 Milliarden Dollar - alleine im Schlussquartal 2008.

Damit sind wir beim offenbar alleinigen Gewinner angelangt. Das einzige Marktsegment, das im Netz in den nächsten Jahren stabil wachsen wird, ist nämlich die suchebezogene Werbung. Wachsen wird also vornehmlich Google, das mehr als drei Viertel des Weltmarkts innehat.

Quer durch die Bank erwarten die Analysten etwa acht Prozent Umsatzplus, drei Viertel davon sind für Google.

Googles Strategie

Dieses ungebrochene Wachstum wiederum ist direkt und vor allem auf die Strategie Googles im Umgang mit Sozialen Netzwerken zurückzuführen.

So hatte der Analyst Ross Sandler von RBC in der vergangenen Woche aufhorchen lassen, als er voraussagte, dass Facebook Google 2011 in puncto Benutzerzahlen überholen werde. Das brachte Sandler in die Schlagzeilen, doch weitaus interessanter an seiner Prognose ist die Analyse, auf der sie basiert.

Wofür Google bezahlt

Gut ein Fünftel des Google-Verkehrs komme inzwischen von Facebook, das sei eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr, schreibt Sandler. Marktforscher ComScore wiederum hatte Ende 2008 den Anteil von YouTube an den Google-Usern auf gut ein Viertel eingeschätzt.

Dazu kommt eine nicht näher genannte Zahl von Benutzern der dritten großen partizipativen Plattform MySpace. Für diese User bezahlt Google sogar.

Rupert Murdoch

Etwa ein Drittel der Umsätze von Fox Interactive Media, einer Tochter von Rupert Murdochs News Corp., deren wichtigstes Projekt das Soziale Netzwerk MySpace ist, stammt von Google.

Der Vertrag zwischen Google und Fox Interactive über etwa 300 Millionen Dollar läuft noch bis 2010 und wird voraussichtlich nicht verlängert, weil Google MySpace dann wohl nicht mehr braucht.

Mit Twitter wächst bereits das "nächste große Ding" heran, dem die Benutzer in Scharen zuströmen. Und: Twitter passt als Soziales Netz für mobile Benutzer perfekt zu Googles Expansionstrategie für mobilen Internet-Zugang.

Die Windmaschinen

Die eigentliche Funktion aber ist genau dieselbe, wie sie MySpace, Facebook und YouTube für Google haben: "ordentlich Wind zu machen", also massenweise neue Benutzer anzuziehen und diese dann weiter zu Google zu schicken.

Von dort kommen sie dann wieder zurück, denn Google schickt weitaus mehr seiner User zu Facebook als umgekehrt. Das hat triftige Gründe: Zum einen landen diese Benutzer ohnehin wieder bei Google, sobald sie im Netz etwas suchen wollen.

Zum anderen verdient Google prächtig an diesem Hin und Her, was man von den Sozialen Netzwerken eben gar nicht behaupten kann.

Die Ergänzung

Einfach die reinen User-Zahlen von Facebook und Google zu vergleichen und dann ein Wettrennen auszurufen, wer von beiden mehr Benutzer hat, ist also völliger Unsinn.

Langsam dämmert nämlich die Erkenntnis, dass mit Sozialen Netzwerken selbst womöglich weder bald noch mittelfristig das große Geld zu machen ist, dass sie aber als Sprungbrett zum Erfolg benutzt werden können.

Diese Netzwerke stünden dem Suchmaschinengeschäft auch nicht als Wettbewerber gegenüber, sondern seien komplementär, also ergänzend dazu, meint beispielsweise Peter Hershberg von Adage.com.

Gegenwind bei Facebook

Dass Facebook gar eine Gefahr für Google darstellen könnte, wie eine erstaunlich große Zahl von Business-Bloggern meint, ist umso lachhafter, zumal Facebook der Wind erstmals heftig entgegenbläst.

Das Neudesign des Sozialen Netzwerks wird von den meisten Facebook-Benutzern förmlich in der Luft zerrissen, die Betreiber werden aufgefordert, zum gewohnten Erscheinungsbild zurückzukehren.

Dabei war das Redesign samt neuen Features als eine Art Entschädigung für das Ungemach gedacht, das die Nutzer im Februar erleiden mussten.

Mehr zum Thema:

- Facebook kehrt zu alten AGB zurück

Wütende Benutzer

Mit einer Änderung der Geschäftsbedingungen hatte Facebook seinen Benutzern ohne Ankündigung die Verfügungsgewalt über ihren Profile entzogen. Nach den neuen Regeln hätten auch alle Daten aus gelöschten Benutzerkonten weiterverwendet werden dürfen, hieß es.

Dieser Versuch, so rasch wie möglich in die Gewinnzone zu kommen, hatte zu so wilden Protesten geführt, dass Facebook-Chef Mark Zuckerberg schnell wieder zurückrudern musste: Seit Mitte Februar sind wieder die alten AGB in Kraft.

(futurezone/Erich Moechel)