© APA/DPA/Wolfgang Kumm, Älteres Tastentelefon in der grünen Telekom-Farbe

Schlagabtausch über heimischen Telekommarkt

FESTNETZ
25.03.2009

EU-Kommissarin Viviane Reding kritisiert in einem Interview mit der "Presse" den geringen Wettbewerb auf dem heimischen Telekommarkt. Die Dominanz der Telekom Austria (TA) verhindere etwa, dass sich Breitbandinternet weiter durchsetzt. RTR-Chef Georg Serentschy zeigte sich "persönlich sehr enttäuscht", die TA bezeichnete die Aussagen als "alte Hüte".

"Mit einer Durchdringungsrate von 21,4 Prozent liegt Österreich unter dem EU-Schnitt. Dänemark erreicht 37,3 Prozent. Da könnte sich Österreich wirklich anstrengen", so die EU-Telekomkommissarin gegenüber der "Presse" (Mittwoch-Ausgabe).

"Leider scheint der Wettbewerb in diesem Markt nicht richtig zu funktionieren. Bei der Festnetztelefonie fällt negativ auf, dass der etablierte Betreiber (die TA, Anm.) gut vier Prozent zugelegt hat", sagte Reding.

RTR soll neue Vorschläge machen

Dass es in Österreich einen unvergleichlichen Boom bei mobilem Internet gibt, ist für Reding eine Folge dessen, dass "Marktentwicklung, Preisstruktur und Angebot beim Festnetz nicht den Erwartungen der Bürger entsprechen".

Sie sieht die heimische Telekomregulierungsbehörde RTR gefordert: "Es liegt am nationalen Regulator, noch einmal eine Marktanalyse vorzunehmen und dann der EU-Kommission Regulierungsmaßnahmen vorzustellen. Wir werden mit den österreichischen Regulatoren diskutieren müssen, was zu tun ist, damit die Marktöffnung besser funktioniert."

RTR-Chef "persönlich sehr enttäuscht"

Serentschy erklärte in einer Aussendung Mittwochmittag, es sei schade, dass Reding aus dem Boom des mobilen Breitbands nicht den Schluss gezogen hat, "dass mobiles Breitband von der Bevölkerung offenbar vielfach als zumindest ebenbürtiges, wenn nicht gar besseres Produkt gesehen wird".

Über die Aufforderung an seine Behörde, eine neue Marktanalyse für den Vorleistungsmarkt vorzunehmen, zeigte sich Serentschy überrascht: 2008 habe die Telekom-Control-Kommission (TKK) der EU-Kommission einen Entwurf zur Rücknahme der Regulierung in Ballungsgebieten vorgelegt. Dazu habe es auch keinen Einwand vonseiten der Kommission gegeben.

Serentschy sagte, "persönlich sehr enttäuscht" über den Kommunikationsstil der Telekomkommissarin zu sein. Dass Reding die Ergebnisse des Implementierungsberichts über die Presse ausrichten lässt, ohne den Regulierern den endgültigen Bericht zur Verfügung zu stellen, zeige, dass es ihr nicht um einen ehrlichen, inhaltlichen Diskurs mit den nationalen Behörden gehe. Er kündigte an, den Bericht jedenfalls ganz genau prüfen zu wollen.

TA: Angriffe gegen Festnetz unangebracht

Auch die TA meldete sich in einer Aussendung zu Wort: "Wir können die Aussagen von EU-Kommissarin Viviane Reding nur als alte Hüte bezeichnen, die bereits in den vergangenen Jahren nicht den Tatsachen entsprochen haben. Offenbar werden im neuesten Telekombericht der EU-Kommission in überzeichneter Manier die Fakten verzerrt", erklärt darin der TA-Regulierungsexperte Martin Fröhlich.

Wie Serentschy wies Fröhlich darauf hin, dass Österreich bei mobilem Breitband Spitzenreiter ist und die Durchdringungsrate von 21,4 Prozent im Festnetz-Breitband davon nicht abgekoppelt zu betrachten sei. Betrachte man den Gesamtmarkt, liege Österreich mit 32,8 Prozent unter den besten drei der am besten entwickelten Breitbandmärkte in Europa.

Im Bereich Sprachtelefonie habe die Kommission zudem eine "grob verzerrte Wahnehmung", so Fröhlich, da die TA 18 Prozent aller Sprachminuten in Österreich habe. Auf Nachfrage erklärte TA-Sprecher Martin Bredl, dass es dabei um den gesamten Sprachtelefoniemarkt geht, also Festnetz und Mobilfunk, wobei das Verhältnis eins zu vier ist. Von den 25 Prozent, die noch übers Festnetz abgewickelt werden, gehören demnach 18 Prozent der TA.

Rosen für Nemsic

Dem Noch-TA-Chef Boris Nemsic streute Reding im "Presse"-Interview zum Abschied fast Rosen: "Ich hatte immer viel Spaß an diesen Auseinandersetzungen." Nemsic hinterlasse im mobilen Bereich ein gutes Erbe und sei nun in ein regulierungsfreieres Land (Russland, Anm.) geflüchtet.

Die Entwicklung auf dem österreichischen Handymarkt sei insgesamt positiv. Bei mobilem Breitbandinternet sei Österreich mit 22,8 Prozent EU-Champion.

Niedrige Roaming-Gebühren helfen Tourismus

Einmal mehr verteidigte Reding die Bemühungen der EU, Handyroaming günstiger zu machen. Dem Argument der TA, wodurch Österreich als Tourismusland dadurch hohe Einnahmen entgehen, lässt sie nicht gelten. "In einem Tourismusland ist es viel notwendiger, niedrige Roaming-Gebühren zu haben, als in einem Land, wo es nicht so viel Tourismus gibt. Wenn Urlauber in Österreich den Eindruck gewinnen, sie werden bei der Handynutzung geschröpft, dann ist das nicht gerade ein Verkaufsargument für die schönen österreichischen Berge."

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(APA)