© Fotolia/Franz Pfluegl, Silhouette von Wien mit dem Riesenrad

Warten auf .wien

DOMAINS
27.03.2009

2010 sollen neue generische Top-Level-Domains (gTLDs) wie .wien und .ibm für neuen Schwung in der Internet-Landschaft sorgen - so lautet der offizielle Plan der Internet-Adressverwaltung ICANN. Bis dahin gilt es allerdings noch zahlreiche Probleme zu lösen. In Österreich wird bereits über eigene gTLDs nachgedacht, wenn auch noch nicht offiziell. Ein großes Problem könnten dabei die Kosten sein.

Bereits mehrmals wurde der Termin verschoben, im Dezember 2009 sollen nun laut aktuellem ICANN-Zeitplan die ersten Anmeldungen für neue gTLDs eingereicht werden können. Damit könnten, wenn alles glattgeht, 2010 die ersten neuen generischen Domains wie .berlin und .wien an den Start gehen.

Richard Wein, Geschäftsführer der heimischen Domain-Verwaltungsstelle nic.at, glaubt aber nicht, dass der Prozess für die neuen gTLDs im Dezember dieses Jahres bereits so weit fertig ist, dass die Anmeldung starten kann: "Der Termin ist sehr ambitioniert." Es gebe einfach noch zu viele Fragen und ungelöste Probleme, etwa beim Markenrecht, und auch am bisher aufgesetzten Prozess für die Einführung der neuen gTLDs könne sich noch viel ändern.

Den Zuschlag soll laut aktuellen Plänen nach mehrmaligen Evaluierungen und Vermittlungsversuchen der Meistbietende bekommen. Allerdings spießt sich der Plan schon in diesem Bereich mit den Wünschen beziehungsweise Kommentaren des US-Handelsministeriums zum ersten Entwurf des Bewerbungsprozesses.

Das US-Ministerium hätte nämlich gerne, dass jener Bieter den Zuschlag bekommt, der den Kunden den niedrigsten Preis bieten kann. Das setzt aber voraus, dass die Preise bereits im Vorfeld festgesetzt werden, und widerspricht damit den anderen vorgebrachten Argumenten und dem eigentlichen Wunsch des US-Handelsministeriums, mit den neuen gTLDs mehr Wettbewerb zu fördern. "Sie wollen die eierlegende Wollmilchsau", so nic.at-Geschäftsführer Richard Wein, der die Kommentare des Ministeriums als "kräftige Watsche" und "Schuss vor den Bug" tituliert, damit die ICANN mit den gTLDS endlich in die Gänge komme.

Zumindest einen dritten Entwurf für den Bewerbungsprozess wird es noch geben, die aktuelle zweite Version beinhaltet die Kommentare zur ersten Version.

Von Äpfeln und .apple

Um die neuen gTLDs kann sich im Prinzip jede größere Vereinigung, Firma oder Region, Land oder Stadt bewerben - Privat- und Einzelpersonen sind dezidiert ausgeschlossen. Während Community-bezogene Domains wie .wien und .berlin nicht ohne Zustimmung der Stadt Wien beziehungsweise Berlin vergeben werden können, könnten sich um .apple sowohl die Computerfirma Apple als auch die Verwertungsgesellschaft der Beatles und die amerikanische Vereinigung der Apfelzüchter bewerben.

Ob sich zwischen diesen Interessenten eine Einigung erzielen lassen kann, darf heftig bezweifelt werden, der Gang vor Gericht wird sich gerade bei dieser Konstellation kaum vermeiden lassen. Laut Wein haben einige US-Konzerne bereits angekündigt, bei Nichtanerkennung der gewünschten Domain die Zuständigen "in Grund und Boden" klagen zu wollen - in dem Fall wohl die ICANN.

Verwirrte Nutzer

Die ICANN hat mittlerweile Studien in Auftrag gegeben, um diese und andere Probleme, wie etwa die möglichen Auswirkungen auf den Domain-Markt und das Internet allgemein, genauer zu untersuchen. Denn während die Befürworter argumentieren, dass die neuen Domains den Nutzern mehr Freiheit und Innovationen durch mehr Wettbewerb bieten, halten Kritiker dagegen, dass die Nutzer durch die neuen Domain-Endungen eher verwirrt werden.

Ob es, wie von der ICANN propagiert, durch die neuen gTLDs tatsächlich auch mehr Wettbewerb und damit Innovationen und Services durch neue Anbieter geben wird, darf angesichts der technischen Anforderungen für eine Domain-Verwaltung bezweifelt werden. Die ICANN selbst verlangt von den Antragstellern für eine neue gTLD, dass die technische Umsetzung verlässlich und auf längere Zeit gesichert sein muss. Damit würden wohl vor allem bereits bestehende Registrys mit der nötigen Infrastruktur wie etwa nic.at infrage kommen. Wein rechnet damit, dass diese bei den neuen gTLDs die wichtigste Rolle spielen werden.

Nic.at bringt sich in Stellung

Nic.at selbst hat sich Anfang März mit einem "Exchange of Letters" mit der ICANN für die Verwaltung einer weiteren TLD neben .at bereits als mögliche Back-End-Registry in Stellung gebracht. Bisher hat es laut Wein noch keine offizielle Anfrage eines heimischen Interessenten für die gTLDs gegeben. Nach Informationen von ORF.at gibt es in den heimischen Kommunen allerdings bereits Überlegungen, eine eigene TLD zu beantragen - da der Prozess dafür aber noch nicht vollständig fixiert ist, sind diese Pläne auch noch nicht offiziell.

Ein großer Stolperstein könnten für heimische Interessenten die Kosten für die neuen gTLDs sein. Alleine das Stellen eines Antrags kostet 185.000 US-Dollar. Dazu können noch weitere 100.000 Dollar für etwaige Rechtsstreitigkeiten kommen. Ob dieser Betrag so bleibt, ist angesichts der zu erwartenden Markenrechtsprobleme noch nicht fix - schließlich wurden zwischen dem ersten und zweiten Vorschlag für die Regeln der Domain-Vergabe bereits die jährlich an die ICANN zu zahlenden Gebühren von 75.000 auf 25.000 Dollar gesenkt. Dafür müssen ab 50.000 vergebenen Domains je Domain beziehungsweise Domain-Transaktion weitere 25 US-Cent gezahlt werden.

Millionengeschäft gTLD

Die ICANN argumentiert, dass mit dem Geld nur die Kosten für die Einführung gedeckt werden sollen. Kritiker werfen ihr allerdings vor, mit den neuen gTLDs eine "Gelddruckmaschine" anwerfen zu wollen. Interessierte Bewerber müssen dazu noch mit weiteren Kosten etwa für Personal, Lobbying und Technik rechnen, so dass bei einer Bewerbung in Summe zumindest ein einstelliger Millionenbetrag zusammenkommt - damit ist die Domain aber immer noch nicht hundertprozentig gesichert, wie das Beispiel .apple zeigt.

Selbst Firmen, die keine eigene TLD beantragen wollen, rechnen mit Zusatzkosten für noch zu registrierende Domains unter den neuen TLDs mit ihren Markennamen. Procter and Gamble etwa hat einige Millionen Dollar dafür veranschlagt.

Regionen wollen eigene Domains

Wie viele neue gTLDs es angesichts all dieser Probleme und Kosten tatsächlich geben wird, ist ungewiss. Die Schätzungen reichen von 100 bis 2.000 neuer TLDs. Wein rechnet mit ungefähr 200, es sei aber "sehr schwer", eine realistische Schätzung abzugeben. Denn selbst wenn eine TLD zuerkannt wird, muss sich das Geschäftsmodell für die Betreiber auch rechnen: Die Community hinter .berlin, die sich bereits seit einigen Jahren für eine eigene TLD einsetzt, erwartet in den ersten zwei Jahren 150.000 registrierte Domains. Der Preis für eine Domain wird sich an aktuellen Marktangeboten orientieren müssen. Ob damit kostendeckend gearbeitet werden kann, will .berlin allerdings nicht sagen. Derzeit lebt .berlin noch von den Zuwendungen seiner Sponsoren.

Das Einzige, was zurzeit wirklich sicher scheint, ist, dass die neuen gTLDs wirklich kommen: Dazu ist die ICANN durch den im September zu verlängernden Vertrag mit dem US-Handelsministerium verpflichtet. Im ersten Schwung werden es vor allem TLDs von Städten und Regionen sein, wie etwa New York, Barcelona und eben Berlin, die sich schon seit einiger Zeit dafür rüsten. Wann und vor allem mit welchem Prozedere dahinter, ist derzeit allerdings noch völlig unklar.

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(futurezone/Nadja Igler)