EU-Telekomregulator beschlossen
In der Nacht auf heute haben sich EU-Parlamentarier, Kommission und Ratsdelegierte gegen Widerstand aus Deutschland und Spanien auf die Einrichtung einer EU-Regulierungsbehörde geeinigt. Sie wird aus Vertretern der 27 nationalen Telekomregulatoren bestehen und ein Vetorecht gegen nationale Regelungen erhalten.
Am Montagabend traf in Brüssel der Trilog zusammen, eine Art Schlichtungsausschuss, dem Kommissionsmitglieder, Ratsvertreter und Parlamentarier angehören.
Dieser Ausschuss tritt immer dann in Kraft, wenn es gilt, ein wichtiges Vorhaben zeitgerecht zum Abschluss zu bringen. In diesem Fall ist es das Telekompaket, das seit einem Jahr im Werden ist.
Dienstagfrüh wurde bekannt, dass es eine Einigung über den Status einer EU-Regulierungsbehörde gibt. Das war der strittigste offene Punkt.
BEREC kommt
Die neue Behörde namens BEREC (Body of European Regulators for Electronic Communications) besteht, wie der Name sagt, aus Vertretern der 27 nationalen Regulierungsbehörden.
Sie wird bei der EU-Kommission angesiedelt sein, was einige wichtige Staaten bis zuletzt verhindern wollten. Vor allem Deutschland und Spanien wollten BEREC nicht mehr als den Status eines "privaten Vereins" zubilligen.
Das Vetorecht
Das bis zuletzt umstrittene Vetorecht gegen protektionistische nationale Regelungen wurde BEREC zwar zugesprochen, zusätzlich gebraucht wird dafür aber eine Mehrheit unter den 27 Mitgliedern, also den nationalen Behörden selbst.
Die restlichen, weniger umstrittenen offenen Punkte des Telekompakets werden nach Informationen, die ORF.at vorliegen, in einer weiteren Trilog-Sitzung noch in dieser Woche geklärt.
Wie es weitergeht
Damit diese Großnovelle, die ein ganzes Bündel von veralteten Richtlinien auf den neuesten Stand bringt, noch in dieser Legislaturperiode (vor der EU-Wahl im Juni) verabschiedet werden kann, wird sie nach einer Einigung im Trilog den federführenden Industrieausschuss (ITRE) passieren. Nächster Termin ist dessen Sitzung am 21. April.
Davor hatte es im Trilog noch Dissens über die Themen Netzneutralität und eben die europäische Regulierungsbehörde gegeben. Im ersten Fall hatte die internationale Telekomlobby, angeführt vom US-Riesen AT&T und unterstützt von den Briten, wieder einmal ihre Forderung aus dem Jahr 1995 nach einem Zweiklasseninternet exhumiert.
Frankreich
Am Montag hatte die französische Nationalversammlung in Paris ihre Debatte über das umstrittene Internet-Sperrgesetz "Loi HADOPI" wieder aufgenommen.
Das Gesetz zur Einrichtung der Internet-Überwachungsbehörde HADOPI sieht vor, dass eine Zentralbehörde installiert wird, die Internet-Nutzern bei wiederholtem mutmaßlichen Verstoß gegen das Urheberrecht auf Zuruf der Rechteinhaber den Internet-Anschluss für bis zu ein Jahr kappen kann ("Three Strikes Out").
Der Durchgriff
In puncto Regulierungsbehörde hatte der Ministerrat im Telekompaket wiederum nichts unversucht gelassen, um den kommenden Regulator (der EU-Kommission zugeordnet, also dem "EU-Management") mit so wenigen Durchgriffsmöglichkeiten wie möglich auszustatten.
Bekanntlich fahren dieselben nationalen Minister in ihrem jeweiligen Herkunftsland eine mehr oder weniger protektionistische Linie gegenüber den nationalen "Incumbents", also den Telekoms, und lassen sich dabei ungern "etwas dreinreden aus Brüssel".
Die Sperrpläne
Die Internet-Sperrpläne, ausgehend von der französischen Ratspräsidentschaft, aber waren das größte anfängliche Hindernis für die Verabschiedung des Telekompakets.
Eine vergleichsweise winzige Gruppe von Lobbyisten für die Unterhaltungsindustrie unter den Parlamentariern hatte wirklich alles versucht, um ihren Standpunkt in den Richtlinien durchzusetzen.
Während des Prozesses der Novellierung der verschiedenen Richtlinien wurden von dieser Seite ingesamt mehrere Dutzend Änderungsanträge eingereicht, die - entweder versteckt oder ganz offen - dasselbe Ziel verfolgten.
Die "Kooperation"
Die Internet-Provider sollten zur "Kooperation" mit der Medien- und Unterhaltungsindustrie verpflichtet werden, um eine Welle von Abmahnungen zu ermöglichen, an deren Ende die Sperre des Internet-Anschlusses vorgesehen ist.
All das ohne Einschaltung eines Richters, der zu beurteilen hätte, ob ein gravierendes Delikt vorliegt, das rechtfertigen könnte, dass ein Bürger vom Grundrecht auf Informationsfreiheit ausgeschlossen wird.
Die Stimmungslage
Wie die Stimmungslage der EU-Parlamentarier in dieser Angelegenheit ist, hat der am Donnerstag mit großer Mehrheit (481 zu 25 Stimmen) verabschiedete Bericht des Abgeordneten Stavros Lambrinides (SPE) zur Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet gezeigt.
Der Lambrinides-Bericht hat zwar keine gesetzgebende Wirkung, die Mehrheit ist aber ein deutliches Signal dafür, dass die Volksvertretung der EU für den Schutz der Privatsphäre der Bürger im Internet eintritt.
Der Ministerrat
Das sind schon andere Signale als jene des Ministerrats, aus dem bisher noch jede Initiative gekommen war, die totale Überwachung der jeweiligen Kommunikationsnetze implizierte. Doch auch hier gibt es Überraschungen, wie die Entscheidung des Ministerrats vom Freitag zeigt.
Nach ORF.at vorliegenden Informationen von Montagabend scheiterte die eigentlich schon beschlossene Verlängerung des EU-Copyrights von 50 auf 95 Jahre im Koordinierungskomitee des Ministerrats (COREPER) an einer "signifikanten" Gruppe von Staaten. Nach bisher noch unbestätigten Angaben, soll auch Österreich unter diesen Staaten sein.
Im Ministerrat herrscht bekanntlich das Gebot der Einstimmigkeit.
(futurezone/Erich Moechel)