Österreich gegen Copyright-Verlängerung
In einer Koalition mit neun weiteren EU-Staaten hat Österreich die geplante Verlängerung der Schutzfristen der Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen von 50 auf 95 Jahre im EU-Ministerrat gestoppt und will auch dabei bleiben. "50 Jahre sind genug", heißt es aus dem ÖVP-nahen Justizministerium, das dabei federführend ist. Grüne und Sozialdemokraten hatten schon zuvor Kritik und Ablehnung geäußert.
"Elvis Presley starb im August 1977. Das ist jetzt 32 Jahre her, und seine Aufnahmen wären unter der bestehenden europäischen Schutzfrist auch weiterhin jahrzehntelang geschützt", sagte Paul Hefelle, Sprecher von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, am Mittwochnachmittag zu ORF.at.
Gesetzt den Fall natürlich, dass Presley ein europäischer Künstler wäre. Für Urheber selbst - in dem Fall Songs, die Presley selbst komponiert bzw. getextet hat - gilt nach bestehendem Recht EU-weit ohnehin eine Schutzfrist von 70 Jahren nach ihrem Tod.
Österreich gehört einer Gruppe von zehn EU-Mitgliedsstaaten an, die sich am Mittwoch gegen die Schutzfristverlängerung neu aufgestellt und ihre Position verfestigt hat.
Verschiedene Schutzfristen
Die bestehende europaweite Regelung schützt die Rechte der Urheber - also Autoren, Komponisten usw. - während ihres gesamten Lebens bis 70 Jahre nach ihrem Tod.
Beim derzeitigen Konflikt geht es aber um die Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen, die die Künstler kaum tangieren - die Medienkonzerne aber umso stärker. Diese Rechte erlöschen nach derzeit geltendem Recht 50 Jahre nach Aufführung, Einspielung oder Ausstrahlung.
Sie betreffen die Distributoren urheberrechtsgeschützter Werke, also Musiklabels und Filmstudios, Medienhäuser sowie Institutionen der reproduzierenden Kunst, das heißt Schauspielern, Sänger und Orchester.
Von Künstlern und Konzernen
Schon die bestehende Frist für Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen von 50 Jahren würde in Wirklichkeit nur jenen Künstlern helfen, deren Werke nach dieser langen Zeit noch gefragt seien, so Hefelle. Das sei ohnehin eine sehr lange Zeit, und deshalb lehne Österreich eine Verlängerung der Schutzfrist auf 95 Jahre grundsätzlich ab.
Das Thema hatte im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten (COREPER), der die Ministertreffen koordiniert, am vergangenen Donnerstag einen Knalleffekt ausgelöst. Ein Gruppe von zehn Staaten, der auch Österreich angehört, hatte den angeblich bereits fixierten Beschluss, die Copyright-Schutzfristen in Europa von 50 auf 95 Jahre zu verlängern, zu Fall gebracht.
Federführend in Österreich ist in dieser Angelegenheit das Bundesministerium für Justiz.
Die zehn Staaten
Neben Österreich hatten sich ursprünglich Belgien, die Niederlande, Finnland, Schweden, Dänemark, Slowenien, die Slowakei, Portugal und Ungarn ablehnend gezeigt. Die Vertreter Ungarns hatten sich in den letzten Tagen zwar - von wem auch immer - zum Absprung bewegen lassen, dafür kam Rumänien dazu, womit die Gruppe wieder aus zehn Staaten besteht. So viele braucht es im COREPER, um einen Ministerratsbeschluss wie jenen zur Verlängerung der Schutzfristen zu blockieren.
Dazu kam ein handfester Streit in der britischen Delegation, der zu einer weiteren Position führte: einer Verlängerung auf 70 Jahre.
Mehreinnahmen für die Industrie
Österreich bleibe bei seiner Position, dass 50 Jahre genug seien, denn die Mehreinnahmen würden ohnehin nur der Tonträgerindustrie zugutekommen, sagte Hefelle.
Mangels Einigung im COREPER kam der für Dienstag vorgesehene Trilog zwischen Vertretern der EU-Kommission, des Parlaments und des Ministerrats nicht zustande, stattdessen hielt man in Brüssel ein einfaches Meeting ab.
Hohe Kosten befürchtet
Eine Verlängerung der Schutzfrist für Tonaufnahmen auf 95 Jahre würde der europäischen Kultur und Wirtschaft schaden, hieß es in einer Aussendung zahlreicher Experten aus verschiedenen Universitäten in der EU vom 13. März. Eine Verlängerung der Schutzfrist käme den Aktionären der vier großen Musikkonzerne zugute, die den Großteil der Rechte an den Tonaufnahmen aus den 1960er Jahren halten. Die europäische Öffentlichkeit würde die Verlängerung mehr als eine Milliarde Euro kosten.
"Wie Staubsaugervertreter"
Vertreter der Kommission und einzelne Parlamentarier, allen voran der irische Abgeordnete Brian Crowley (Fraktion Europa der Nationen, UEN), hätten "wie Staubsaugervertreter" auf Parlamentarier und die Gesandten der tschechischen Ratspräsidentschaft eingeredet, sagte Eva Lichtenberger (Grüne), die als einzige Abgeordnete aus Österreich bei der Sitzung anwesend war.
Seitens der tschechischen Ratspräsidentschaft sei wenig Motivation zu erkennen gewesen sein, einen erneuten Vorstoß in Sachen Copyright-Verlängerung zu unterstützen, sagte Lichtenberger am Mittwoch zu ORF.at.
Positionen der Parteien
Die grüne Fraktion im EU-Parlament hatte die geplante Verlängerung von Anfang an heftig kritisiert, ebenso lehnten Österreichs Sozialdemokraten diese Pläne ab. Die ÖVP hatte zum Thema Copyright-Verlängerung lange Zurückhaltung signalisiert.
Dass das Justizministerium bei den Verhandlungen eine so klare Position bezieht und an dieser auch nichts ändern will, liegt für den Sprecher von Bandion-Ortner auf der Hand: Von der Tonträgerindustrie einmal abgesehen, habe sich von allen anderen "Stakeholdern" (Medienhäuser usw.) in Österreich kaum jemand für eine Verlängerung der Schutzfristen ausgesprochen.
(futurezone/Erich Moechel)